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TIERVERSUCH/722: Die Ratte - Gestörte Beziehung (tierrechte)


Magazin tierrechte - Ausgabe 1/2017
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Verfolgte, Versuchsobjekt und Haustier: Die Ratte

Gestörte Beziehung


Es gibt wohl kein Tier mit einem solch schlechten Ruf wie die Ratte. Unter den Säugetieren rangiert sie in der Beliebtheitsskala an letzter Stelle. Absurderweise hat dies viel damit zu tun, dass der intelligente Kleinsäuger dem Menschen besonders nah ist.


Die Ratte folgt dem Menschen in dessen Lebensraum. Dies tut sie hauptsächlich, weil sie in der Umgebung des Menschen leichter an Futter kam. Als sogenannter Kulturfolger wurde sie schon früh zum Nahrungskonkurrenten. Aus Sicht der Ratte ist es die richtige Überlebensstrategie, dahin zu gehen, wo es leicht zugängliches Futter gibt. Doch mit Logik hat die Beziehung von Mensch und Ratte nichts zu tun. Sie ist geprägt von Irrationalität und Abscheu.

Opfer menschlicher Projektionen

Der Mensch hat der Ratte schon früh die Rolle des Bösewichts zugewiesen, weil sie sich an seinen Kornspeichern gütlich tat. Im Rückblick ist dies nachvollziehbar, denn eine große Rattenpopulation konnte menschliche Nahrungsreserven ernsthaft bedrohen. Nicht nachvollziehbar ist, dass der Mensch die Ratte zu einem Ekeltier hochstilisiert hat, auf das er dunkle menschliche Eigenschaften wie Bosheit und Verschlagenheit projiziert. Dies machte die Ratte zum Opfer menschlicher Irrtümer und Ängste.

Manisch verfolgt

Als "Schädling" und Krankheitsüberträger stigmatisiert, wird der kleine Säuger fast manisch verfolgt. Der Hausratte ist dies nicht gut bekommen: sie ist mittlerweile vom Aussterben bedroht. Auch die Wanderratte, die vor etwa 250 Jahren nach Europa kam, muss für die überbordende Rattenangst bitter bezahlen. Die Definition als Schädling macht sie zu Freiwild. Sie darf überall gnadenlos verfolgt und getötet werden, teilweise sogar behördlich angeordnet. Ganze Industriezweige und Branchen verdienen gut daran. Auch die Ratte im Labor und die Farbratte im Zoogeschäft, beides Abkömmlinge der Wanderratte, erwartet meist kein besseres Schicksal. Die Grausamkeiten, die den Nagern im Tierversuch angetan werden, erscheinen Vielen legitim. Ebenso wie das Leiden der intelligenten Tiere, die infiziert, vergiftet oder durch gentechnische Manipulation künstlich krank gemacht werden und zu einem Leben in einem engen, sterilen Käfig verdammt sind. Die wenigen Farbratten, die in einer artgerechten Haltung landen, haben Glück. Die meisten enden jedoch als Futtertier, das nur auf seinen Tod wartet.

Neue Wege

Wir wollen in dieser Ausgabe mit den Vorurteilen, Ängsten und Projektionen unserer eigenen Spezies aufräumen. Wir wollen ein anderes Bild der Ratte zeigen, ohne die Fakten außer Acht zu lassen. Wir wollen zeigen, dass Ratten reinliche, soziale und äußerst intelligente Wesen sind. Und wir wollen zeigen, dass es andere Wege gibt, in der Forschung, im privaten Bereich und bei der sogenannten "Schädlingsbekämpfung".

"Die Ratte verdient es, im Mittelpunkt unserer Gefühle zu stehen", sagt der Tierarzt und Zoologe Franz Gruber, der dieses Jahr die Schirmherrschaft für das Versuchstier des Jahres übernommen hat. Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Quelle:
Magazin tierrechte - Ausgabe 1/2017, S. 4
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2017

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