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FRAGEN/001: Brasilianischer COP 11-Chefunterhändler André Aranha Corrêa do Lago im Interview (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Oktober 2012

Umwelt: 'Entwicklungsländer leisten ihren Beitrag zum Artenschutz' - Brasilianischer Unterhändler André Aranha Corrêa do Lago im Interview

von Manipadma Jena

Biosprit bringt nach Ansicht von André Aranha Corrêa do Lago Entwicklungsländern erstaunliche Profite - Bild: © Manipadma Jena/IPS

Biosprit bringt nach Ansicht von André Aranha Corrêa do Lago Entwicklungsländern erstaunliche Profite
Bild: © Manipadma Jena/IPS

Hyderabad, Indien, 25. Oktober (IPS) - Der Chefunterhändler Brasiliens bei der jüngsten Vertragsstaatenkonferenz COP 11 der UN-Biodiversitätskonvention CMD, André Aranha Corrêa do Lago, sieht die Industriestaaten in der Pflicht, dem Süden beim Erhalt der Artenvielfalt zu helfen. "Wir können die Biodiversität nicht durch geografische Grenzen isolieren", sagte er im Interview mit IPS.

"Nur wenn die Artenvielfalt in das Entwicklungsparadigma aufgenommen, als wichtiger Faktor bei der Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit gewürdigt und als relevant für Energie, Landwirtschaft und viele andere menschliche Aktivitäten anerkannt wird, können wir sicherstellen, dass angemessene Mittel für ihren Erhalt bereitgestellt werden", betonte der Leiter des Umweltreferats im brasilianischen Außenministerium am Rande der Konferenz vom 8. bis 19. Oktober im indischen Hyderabad.

Wie Aranha Corrêa do Lago bemängelt, ist sich die Weltöffentlichkeit der Bedeutung der Artenvielfalt weit weniger bewusst als dies notwendig wäre. Dabei habe die UN-Biodiversitätskonvention allen Staaten in hohem Maße wissenschaftliche Informationen geliefert.

Bevor das Nagoya-Protokoll der CBD von 2010 zum gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen beschlossen wurde, hatte Brasilien bereits auf nationaler Ebene Regeln für die Nutzung sowie zur Eindämmung von Biopiraterie eingeführt. Diese seien aber für einen Vorteilsausgleich nicht ausreichend gewesen, erläuterte Aranha Corrêa do Lago.

Damit das bisher erst von sechs Staaten ratifizierte Nagoya-Protokoll in Kraft treten könne, müsse es von mindestens 50 Ländern angenommen werden, erklärte er. Notwendig sei dann eine international anerkannte Plattform, die den Vorteilsausgleich gewährleiste. Ebenso müsse sichergestellt werden, dass die auf nationaler Ebene festgelegten Regelungen respektiert würden.


Ratifizierung des Nagoya-Protokolls vorgesehen

Brasilien hat das Protokoll bisher nicht ratifiziert. Wie der umweltpolitische Unterhändler des südamerikanischen Landes jedoch versicherte, hat es die brasilianische Staatspräsidentin Dilma Rousseff bereits dem Parlament vorgelegt, wo es zurzeit gründlich geprüft wird. Offensichtlich herrscht unter den Abgeordneten eine positive Haltung vor, und Aranha Corrêa do Lago geht davon aus, dass die Ratifizierung zügiger vonstatten gehen wird als in anderen vergleichbaren Fällen und bis zur nächsten Vertragsstaatenkonferenz 2014 erfolgt sein wird.

Zu der in Brasilien geplanten Reform eines Forstgesetzes meinte Aranha Corrêa do Lago, dass die Regierung kein Gesetz billigen werde, dass den staatlichen Bemühungen zur Eindämmung der Entwaldung entgegenlaufe. Staatspräsidentin Rousseff habe bereits zweimal ihr Veto dagegen eingelegt.

Das bisherige Forstgesetz von 1965 gilt als einzigartig. In jedem Gebiet mit Ausnahme der Amazonasregion dürfen Eigentümer maximal 80 Prozent des Landes nutzen. Der Rest muss als natürliches Habitat geschützt werden. In der Amazonasregion ist das Verhältnis umgekehrt: lediglich 20 Prozent können bewirtschaftet werden, während der übrige Teil geschützt werden muss.

"Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es ein ähnlich strenges Forstgesetz zum Schutz eines Ökosystems wie des Amazonasgebietes", unterstrich Aranha Corrêa do Lago. Derzeit gehe es um die Frage, wie man mit Privateigentümern umgehe, die das Gesetz verletzten. Die neuen Bestimmungen würden stringenter ausfallen, um solche Fälle zu regeln.

Seit den sechziger Jahren sei die brasilianische Wirtschaft immer komplexer geworden, ein neues Forstgesetz müsse dieser Entwicklung Rechnung tragen, so der hohe Regierungsbeamte. Die Entscheidung sei Sache der vom Volk gewählten Kongressabgeordneten. Man werde alles daransetzen, den Kongress von der Notwendigkeit eines ausgewogenen Forstgesetzes zu überzeugen.


Biosprit für Entwicklungsländer "überraschend profitabel"

Der Brasilianer ist ein erklärter Befürworter von Biotreibstoffen. "Sie sind nicht teuer und bedürfen keiner komplizierten Technologien", erklärte er. Brasilien habe die Erfahrung gemacht, "dass Biosprit aufgrund der günstigen Produktionsbedingungen eine außerordentliche Wirkung auf die Entwicklung hat".

Nach Ansicht von Aranha Corrêa do Lago müssen die Folgen der Biosprit-Produktion für die Umwelt unbedingt in Betracht gezogen werden. "Die große Nachricht für die Entwicklungsländer besteht darin, dass in tropischen Regionen Biotreibstoffe überraschend profitabel sind. Diese Chancen müssen wir nutzen." (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.cbd.int/cop11/
http://www.cbd.int/abs/doc/protocol/nagoya-protocol-en.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/10/qa-developing-countries-are-doing-their-part-for-biodiversity/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2012