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FORSCHUNG/130: "Jahr des Gorillas" (4) Gorillatourismus (KRITISCHE Ökologie)


KRITISCHE Ökologie - Zeitschrift für Umwelt und Entwicklung
Nr. 72-Bd. 24 [1] - Sommer 2009

Gorillatourismus

Von Dr. Iris Weiche, Tübingen*)


Speziell in Ruanda und Uganda und im Osten der Demokratischen Republik Kongo sind die Berggorillas zu einem enormen Wirtschaftsfaktor geworden. Ein einstündiger Besuch kostet mittlerweile 500 US $, die Jahreseinnahmen werden vom International Gorilla Conservation Programme mit etwa 3 Millionen US $ angegeben, rechnet man Einnahmen von Hotels usw. dazu, so übersteigt dies wohl 20 Millionen US $. Dian Fossey hat vehement gegen diesen Trend gekämpft, was vermutlich ihr Leben kostete. Andere Kritiker führen zu Recht an, dass nicht nur vom ethischen Standpunkt aus eine Vermarktung der Menschenaffen fraglich ist, sondern dies ihr Gefährdungspotenzial auch extrem erhöht (Butynski & KALINA 1998, HOMSY 1999). An Menschen gewöhnte Gruppen könnten leicht zur Beute von Wilderern werden. Der Kontakt mit menschlichen Krankheiten wie Grippe und Masern kann tödlich sein (Köndgen et al. 2008), deshalb beträgt das Mindestalter für einen Gorillabesucher 15 Jahre und der Sicherheitsabstand mindestens 7 m (WILLIAMSON 2005). Der Kontakt mit menschlichen Ausscheidungen (und dem ihrer Haustiere: McFIE 1996) kann ebenfalls krankheitsübertragend sein, z.B. für Magen-Darm Parasiten (EILENBERGER 1997). Außerdem könnten die Besuche Stress verursachen und damit sowohl das Immunsystem als auch das Verhalten der Gorillas beeinflussen (Muyambi 2005).

Trotz dieser Gefahren werden immer mehr Gruppen an Touristen gewöhnt, oft scheint der wirtschaftliche Faktor der einzige Grund für die entsprechenden Ländern zu sein, diese Menschenaffen zu schützen. Seit einigen Jahren werden auch Gruppen westlicher Flachlandgorillas habituiert. Viele Länder sehen das gewaltige Wirtschaftspotenzial und auch Nichtregierungsorganisationen (NRO) glauben, durch "Sanften Tourismus" der armen Bevölkerung Einkommensalternativen zur Jagd auf die Affen bieten zu können. In der Tat werden einige frühere Jäger zu Helfer in den Projekten, doch die Durchführung der meisten Gorilla- Besuche laufen über westliche Touristikorganisationen. Die Einnahmen aus dem Tourismus werden im Falle von Uganda dazu verwendet, Kosten anderer, besucherärmerer Nationalparks und der gesamten administrativen Behörde zu decken. 20% der Erträge sollen auch der infrastrukturellen Entwicklung der Parkanrainer dienen, z. B. zum Bau von Schulen, Krankenstationen, etc. (MOYINI). Obwohl der Tourismus schon seit Jahrzehnten boomt, ist die Akzeptanz bei der Bevölkerung mäßig, da die meisten keine persönlichen Vorteile, sondern durch die Errichtung von Schutzgebieten nur Nachteile sehen: Sie dürfen sie nicht betreten, kein Holz einschlagen, keine Pflanzen sammeln und nicht Jagen. Einige wenige "community-based" Schutzinitiativen, die von Einheimischen ins Leben gerufen wurden (und von westlichen NRO finanziert werden!) (Byamungu 2009, Nicholas & Stott 2009), könnten ein Umdenken in Gang setzen, das die Bevölkerungsbasis einschließt. Doch was passiert, wenn die Gelder nicht mehr fließen, aufgrund politischer Instabilität oder Korruption, nachgewiesener Misswirtschaft?


Literatur:

Butynski TM & Kalina J. (1998). Gorilla tourism: a critical look. In: Conservation of Biological Resources. E. J. Milner-Gulland & R. Mace, eds. Blackwell Science, Oxford, S. 280-300.
Byamungu A. (2009): another way to protect biodiversity - Community conservation. Gorilla Journal 37: 4-5.
Eilenberger U. (1997) Individual group specific and ecological influence factors on the status of endoparasites of wild eastern lowland gorillas in Zaire. Primate Report 47: 89-93.
Homsy J (1999): Ape tourism and human diseases: How close should we get? Report to IGCP.
Köndgen S et al. (2008): Pandemic human viruses cause decline of endangered great apes. Current Biology 18: 1-5.
McFie L. (1996): Case report on scabies infection in mountain gorillas. Gorilla Journal 13.
Moyini Y. Analysis of the economic significance of gorilla tourism in Uganda. Final draft. IGCP.(ohne Datum, etwa 2000)
Muyambi F. (2005): The impact of tourism on the behaviour of mountain gorillas. Gorilla Journal 30.
Nicholas A & Stott A. (2009). A new approach to gorilla conservation: "Gorilla guardians". Gorilla Journal 37: 11-2.
Williamson EA. (2005): Eastern gorilla tourism. In: Caldecott J & Miles L (eds.) World Atlas of Great apes and their conservation. Berkeley: Univ. California Press, 150.


*) Unsere Autorin ist wissenschaftiche Mitarbeiterin der Abtlg. für Physiolog. Ökologie der Tiere der Universität Tübingen. Sie promovierte über "Social Relationships in Captive Gorilla Females".


Anmerkung der SB-Redaktion:
die weiteren Beiträge zum Thema aus Kritische Ökologie siehe
www.schattenblick.de → Infopool → Umwelt → Artenschutz →
FORSCHUNG/127: "Jahr des Gorillas" (1) Gorillas - Unmittelbar vor der Ausrottung... (KRITISCHE Ökologie)
www.schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarfo127.html
FORSCHUNG/128: "Jahr des Gorillas" (2) Gorillas in Zoos (KRITISCHE Ökologie)
www.schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarfo128.html
FORSCHUNG/129: "Jahr des Gorillas" (3) Ebola - Tod für Affen und Menschen (KRITISCHE Ökologie)
www.schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarfo129.html
FORSCHUNG/131: "Jahr des Gorillas" (5) Ein Gorilla zum Frühstück (KRITISCHE Ökologie)
www.schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarfo131.html


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Quelle:
Kritische Ökologie, Nr. 72-Bd. 24 [1] - Sommer 2009
Herausgegeben vom Institut für angewandte Kulturforschung (ifak) e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2009