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FORSCHUNG/241: Isotopenmessung entlarvt illegalen Wildtierhandel (Goethe-Universität Frankfurt)


Johann Wolfgang Goethe-Universität - Frankfurt, 25. April 2016

Isotopenmessung entlarvt illegalen Wildtierhandel

Herkunft von Stoßzähnen und Reptilien zuverlässig bestimmen


FRANKFURT. Der illegale Handel mit den Produkten bedrohter Tierarten hat besorgniserregend zugenommen. Forscher der Goethe-Universität haben nun die Messung von Isotopenverhältnissen in Gewebeproben von Elefantenstoßzähnen und den Schuppen von Reptilien verbessert, um den Wilddieben und ihren Handelsrouten auf die Spur zu kommen.

Elfenbein ist vor allem auf dem asiatischen Markt gefragt - mit drastischen Folgen für den weltweiten Elefantenbestand. "Im Selous-Wildreservat, einem inzwischen als gefährdet betrachteten UNESCO-Weltnaturerbe im südlichen Tansania, hat der Bestand in den letzten 35 Jahren von über 80.000 auf etwa 13.000 Tiere abgenommen", berichtet Dr. Christof Schenck von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, der das Reservat vor kurzem mit einer deutsch-tansanischen Ministerdelegation besucht hat. Afrikaweit fallen jährlich geschätzte 15.000 Elefanten der Wilderei zum Opfer. Doch auch einige Reptilienarten sind in ihrer Existenz bedroht. Reptilien werden vor allem für die Lederwarenindustrie und den internationalen Terrarienhandel wild gesammelt, anstatt sie aus Nachzuchten zu gewinnen.

Forscher um Prof. Bruno Streit von der Goethe-Universität haben in Zusammenarbeit mit dem WWF Deutschland, dem Kölner Zoo und internationalen Forschungsinstitutionen die quantitative Messung von Isotopenverhältnissen in Gewebeproben so verfeinert, dass sie als Instrument für den Artenschutz verwendbar ist. Die Isotope eines Elements unterscheiden sich durch ihre atomare Masse. So hat der Atomkern von Kohlenstoff immer sechs Protonen, die Zahl der Neutronen kann aber zwischen sechs und acht liegen. Die Häufigkeit der Kohlenstoff- und anderer Isotope unterliegt regionalen Unterschieden, weshalb man sie verwenden kann, um die Herkunft biologischer Proben zu bestimmen.

Dank der Finanzierung durch das Bundesumweltministerium (BUMB) über das Bundesamt für Naturschutz (BfN) konnten die Forscher in Kooperation mit dem WWF Deutschland in europäischen Museen und in afrikanischen Staaten über 600 Elfenbeinproben sammeln. Zwar haben einige afrikanische Länder keine Proben geliefert, doch über die europäische Trophäenjägerschaft gelangten die Forscher an Material von bekannter Herkunft. Der Aufbau einer geobasierten Referenzdatenbank ermöglichte es ihnen, Isotopensignaturen zu vergleichen. Zusätzlich verwendeten sie eine Teststatistik, um das wahrscheinliche Herkunftsgebiet einer unbekannten Probe zu bestimmen. In einem Blindtest konnten 50 Prozent aller Elfenbeinproben mit einer Genauigkeit von 380 Kilometern ihrer tatsächlichen Herkunftsregion in Afrika zugeordnet werden.

"Die räumliche Unschärfe erscheint groß, doch Elefanten haben mitunter Streifgebiete von mehreren Tausend Quadratkilometern", betont Prof. Streit, "und für den Artenschutzvollzug ist es auch wichtig zu wissen, von wo beschlagnahmtes Material nicht herkommt". Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Biological Conservation veröffentlicht.

Die Isotopenmethode lässt sich auch bei manchen Reptilienarten anwenden. Hierbei werden die Schuppen untersucht. Oft gelangen Wildtiere als angebliche "Nachzuchten" in den internationalen Lebendhandel. Beispielhaft haben die Forscher die in China und Vietnam heimische Krokodilschwanzechse Shinisaurus crocodilurus untersucht. Sie ist durch illegalen Handel und die gleichzeitige Zerstörung ihres Lebensraums sehr selten geworden. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift Global Ecology and Conservation berichten, konnten sie anhand vietnamesischen Materials unterschiedliche Isotopensignaturen von Echsen aus der Wildnis und von in Gefangenschaft gehaltenen Exemplaren nachweisen. "Unter den quasi-kontrollierten Fütterungsbedingungen von Tieren aus Züchtungen sind die Isotopenbereiche enger und Isotopenmuster homogener als bei Wildpopulationen", erklärt Prof. Streit. Auf der Basis dieses Ergebnisses lässt sich eine Datei von Nachzuchteinrichtungen entwickeln, mit der Individuen zweifelhafter Herkunft abgeglichen werden können.

Die Forscher sind zuversichtlich, dass solche Isotopenverfahren zunehmend im Artenschutz Anwendung finden werden. Das Verfahren wird teilweise schon zur Herkunftsbestimmung beschlagnahmter Elefantenstoßzähne angewendet. Der Handel mit Reptilien aus falsch deklarierten Nachzuchten wird auf der nächsten Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) im Herbst 2016 wird ein Schwerpunkt der Verhandlungen sein. "Da kommt unsere verfeinerte Methode zur rechten Zeit, um der internationalen Staatengemeinschaft ein wirksames Artenschutzinstrument an die Hand zu geben", so Streit abschließend.



Publikationen:

- Ziegler, S., Merker, S., Streit, B., Boner, M., Jacob, D.E. (2016): Towards understanding isotope variability in elephant ivory to establish isotopic profiling and source-area determination. - Biological Conservation 197: 154-163.

- van Schingen, M., Ziegler, T., Bohner, M., Streit, B., Nguyen, T.Q., Crook, V., Ziegler, S. (2016): Can isotope markers differentiate between wild and captive reptile populations? A case study based on crocodile lizards (Shinisaurus crocodilurus) from Vietnam. - Global Ecology and Conservation 6: 232-241.


Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geisteswissenschaften. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist sie Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main. Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft in GOETHE-UNI online (www.aktuelles.uni-frankfurt.de)

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Quelle:
Johann Wolfgang Goethe-Universität
Pressemitteilung, 25.04.2016 / 102
Herausgeber: Die Präsidentin
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Redaktion: Dr. Anne Hardy, Referentin für Wissenschaftskommunikation
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2016

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