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GEFAHR/128: Gorillas in Kahuzi-Biega droht Auslöschung in Krieg und Zerstörung (Kritische Ökologie)


KRITISCHE Ökologie - Zeitschrift für Umwelt und Entwicklung
Nr. 72 Ausgabe 24 [1] - Sommer 2009

um Welt
Gorillas in Kahuzi-Biega - im Drehkreuz zwischen Straßenbau, Plünderung und Krieg

Von Armin Püttger-Conradt (*)


Die Fahrt von Bukavu zum Kahuzi-Biega Nationalpark im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) führte durch berauschend schöne Landschaften, zunächst mit herrlichen Ausblicken auf den Kivusee, dann hinein in tropische Bergregionen, vorbei an Dörfern und Feldern, bis der Pickup schließlich in der Wildhüter-Station ankam. Hier ist die eigentliche Heimat des östlichen Flachlandgorillas, doch wie viele bis heute überlebt haben, ist nicht bekannt. Das Gebiet liegt inmitten eines heißumkämpften Landstriches. Hoch aus den Bergwäldern ragen die beiden grasigen Gipfel der Berge Kahuzi und Biega, eine Welt aus Träumen von ursprünglicher üppig wuchernder Urnatur. Doch für Mensch und Tier ist die Realität während der vergangenen Jahre zu einem Alptraum geworden.

Sein Grab fand sich in einer kleinen umgitterten Einfriedung und schien noch gepflegt zu werden. Es lag nur ein wenig abseits, ganz für sich, und man erwartete es gar nicht an diesem Ort. Hier lag Adrien Deschryver (1939-1989), ein belgischer Naturschützer, einer von denen, die ihr Leben dem Überlebenskampf für die wilden Tiere gaben. Er war es, der 1970 den Kahuzi-Biega Nationalpark schuf, nach harten und langen Kämpfen gegen Bürokratie und Wilderei. Vor letzterer blieb sein Lebenswerk, ein dauerhaftes Schutzgebiet für die Gorillas zu schaffen, nie verschont. Jahre des Einsatzes, unzählige Tage und Nächte in der Wildnis, waren gerade einmal ausreichend, einigermaßen die behütende Hand über die uns so ähnlichen Primaten zu halten. Letztlich konnte er nur noch mit dem Maschinengewehr in der Hand und begleitet von zwei ebenfalls schwer bewaffneten Wildhüter-Freunden zu den Gorillas in den Park gelangen, die er so viele Jahrzehnte kannte, und wovon manche Familienverbände seine Annäherungen tolerierten.

Einmal kam er mit seinem Flugzeug von der kleinen Landepiste am Park nach Bukavu zurück, bemerkte nur noch, ihm sei schlecht, er müsse nach Haus und sich hinlegen. Wenige Stunden später fand man ihn dort tot, gestorben an dem Gift, das man ihm im Park beigebracht hatte. Davon jedenfalls ist seine Familie stets ausgegangen; eine Obduktion gab es nicht. Obwohl er doch so vorsichtig war. Nun droht auch den Gorillas, seinem Weg zu folgen. Die Straße durch den Park, der nie endende Bürgerkrieg, die Bodenschätze; all dies bedroht sein Lebenswerk, etwas das doch den nächsten Generationen vererbt und dem; entsprechend erhalten werden sollte. Ein Kapitel aus der unendlichen Geschichte der Zerstörung und Ausrottung der Schöpfung, welches das menschliche Dasein begleitet.

Um die Straße spannt sich auch eine unendliche Geschichte. Als ich 1980 zum ersten Mal den Kongo, der damals noch Zaire hieß, bereiste, wurde bereits mehrere Jahre an ihr gebaut. Und jetzt ist sie immer noch nicht fertig. Aber sie ist immerhin soweit gediehen, dass sie Zerstörung und Krieg mit sich führen konnte. Diese Trasse durch den Urwald sollte eine kürzere Verbindung zwischen den Metropolen Bukavu und Kisangani ergeben, geplant und gebaut von Deutschland auf der einen und China auf der anderen Seite. Die STRABAG baute von Kisangani kommend den Chinesen entgegen, und mehrmals traf man sich bereits auf halber Strecke, doch dann passierte wieder irgendetwas, und die Straße begann erneut zuzuwuchern und der Regen den Asphalt davon zu schwemmen.

Zunächst schoben sich die Bauern die Straßenränder besiedelnd tiefer und tiefer in den jungfräulichen Urwald, errichteten wahllos neue Straßendörfer, rodeten den Wald für Felder und jagten die Tiere der Umgebung, bis schon bald der Kahuzi-Biega erreicht wurde, den die Trasse kreuzte und den alten (750 km2, gegründet 1970) vom neuen Parkteil (1975 wurde er auf 6000 km2 erweitert) abtrennte. Nun lag der Park offen und bequem erreichbar da, als hatte er eine aufgerissene Flanke, in die man nun ungeschützt eindringen konnte, um sein Inneres zu vergiften, mit Pfeil und Bogen, mit Speeren, mit Fallen, mit modernen Schusswaffen. Und mit Brandrodung und Zersiedlung: Seit 1997 ist der Park als "World Heritage in Danger" gelistet.

Es war früher nie einfach, den Flachland-Gorillas zu begegnen. Selbst die an Menschen gewöhnten Familienverbände hielten sich auffallend zurück und machten sich lieber davon, statt von den fremden Zweibeinern beobachtet zu werden. Das Wandern durch den Wald entlang halb zugewachsener Pfade war beschwerlich, da mussten immer wieder sumpfige Lichtungen durchquert werden, worauf Urwald folgte. Schließlich erreichten wir eine große Lichtung und genau gegenüber waren sie. Man sah sie kaum, die Gorillas, jedoch ließen ihre Lautäußerungen eher vermuten, dass sie uns ein 'haut ab' signalisieren wollten. Von ihrer sonstigen gewöhnten Ruhe ließ sich nichts bemerken, aufgebracht sah man sie im Fernglas durchs Gestrüpp brechen, während aus dem Wald ein beeindruckendes Brusttrommeln herüber drang. Eindeutig hatte diese einst an Menschen gewöhnte Gruppe lange keinen Kontakt mehr gehabt, und wenn doch, eher gefahrverheißenden.

Das Herumstaksen im weichen Untergrund der Lichtung war höchst anstrengend und so waren wir froh, endlich wieder in den Wald eintauchen zu können. Weit vor uns hörten wir den Gorilla-Silberrücken mit den hohlen Händen auf die Brust trommeln, immer wieder signalisierend, dass wir nicht folgen sollten und unerwünscht waren. Sie schienen vor uns zu fliehen, die Situation war eine gänzlich andere als ich sie von den Berggorillas in den Virungabergen kannte. So zogen wir uns langsam zunächst zögernd, doch dann entschlossen von ihnen zurück und traten den langen Heimweg an, durch Sümpfe und Urwälder zur Station, die Adrien Deschryver einst gründete.

Die aktuelle Situation im Kivu des Ost-Kongo ist verheerend. In den Bergen wird Coltan abgebaut, man findet Edelsteine und andere für die westliche Welt begehrliche Minerale, teils in hohen Konzentrationen. Der Schwarzhandel und Schmuggel über den nahen Kivu-See blüht. Dazu ist der Kongo in dieser Region ein einziges unübersehbar konfuses Schlachtfeld aus etlichen Gruppierungen und Untergruppen. Im Chaos von Krieg und Zerstörung gibt es Profiteure; die großen Verlierer aber sind die Menschen und die große biologische Vielfalt ihrer Heimat. Nach kurzen Unterbrechungen ist hier das Töten immer wieder weitergegangen. Dass in so einem menschenverachtenden Klima keine Aktivitäten an dem Schutz der Tiere und Umwelt möglich ist, kann man sich nur zu leicht ausmalen. Die Straße trägt die Zersiedlung und den Krieg bis in entlegenste Gebiete des Kongourwalds, was gleichbedeutend ist mit der Auslöschung der Gorilla-Populationen, in deren Lebensraum marodierende Soldaten und Wilderer das Sagen haben.

Fotos: Armin Pütter Conradt

(*) Unser Autor hielt sich seit den 1980er Jahren immer wieder über längere Zeit im Kongo auf und bereiste bzw. durchreiste den Kahuzi-Biega-Park mehrfach. Seine vorerst letzte Reise führte ihn 2000 dorthin.


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Quelle:
Kritische Ökologie, Nr. 72 Ausgabe 24 [1] Sommer 2009, S. 4-6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2009