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INITIATIVE/297: Wildkatzen sind zurück - Brigitte Dahlbender, BUND-Landesvorsitzende (BUND BW)


BUND Landesverband Baden-Württemberg e.V. - 2. Februar 2009 - BUND-/MLR-Pressekonferenz:

Wildkatzen sind zurück in Baden-Württemberg

Statement von Dr. Brigitte Dahlbender, BUND-Landesvorsitzende


Auf leisen Sohlen hat sie sich nach Baden-Württemberg geschlichen. Die Europäische Wildkatze ist wieder da - und das ist gut so. Denn diese bedrohte Tierart stellt besondere Ansprüche an ihren Lebensraum. Der BUND hat dabei mitgewirkt, dass sich die Wildkatze bei uns im Land wieder angesiedelt hat. Nach den Totfunden am Kaiserstuhl haben wir analysiert, in welchen Regionen des Landes sich potenzielle Lebensräume der Wildkatze befinden. Auf der Schwäbischen Alb und im Schwarzwald sind die Bedingungen günstig. Nach einer Umfrage unter den Jägern haben wir uns - abgestimmt mit der FVA und der Wildforschungsstelle - auf den Nordschwarzwald konzentriert. Unter fachlicher Anleitung und mit Hilfe unserer Ehrenamtlichen haben wir auf den Gemarkungen Wildberg und Baden-Baden Lockstöcke gesetzt und sie regelmäßig kontrolliert. Bei einer Probe, die auf der Gemarkung Baden-Baden gesammelt wurde, konnten wir die Wildkatze nachweisen. Das Vorkommen der Wildkatze im Nordschwarzwald bestätigen auch die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und FFH-Verträglichkeitsstudie (FFH-VS) zur geplanten Anbindung des Baden-Airports an die Bundesautobahn 5. Die Wildkatze ist zurück - und das nicht nur am Kaiserstuhl. Wir werden uns nun intensiv darum bemühen, das Vorkommen der Wildkatze in der Rheinebene zu sichern und die Anbindung von den Vorkommen in den Vogesen und dem Pfälzer Wald über den grenznahen Hagnauer Forst und den Bienwald an den Nordschwarzwald zu sichern.

Die Wildkatze ist zwar mit unserer Hauskatze verwandt, sie ist jedoch eine eigene Unterart. Im Freiland wird sie oft mit wildfarbenen Hauskatzen verwechselt. Das Fell der Wildkatze ist dichter als bei der Hauskatze. Und ihr breiter, wuchtiger Kopf wirkt größer. Ein markantes Merkmal ist der dicke Schwanz mit den schwarzen Ringen und dem schwarzen stumpfen Ende. Eindeutig kann die Wildkatze jedoch nur über morphometrische Merkmale oder über die Genetik identifiziert werden, weshalb die Lockstock-Methode zum Nachweis der Wildkatze ein geeignetes Instrument ist.

Zumeist im April oder Mai werden 3-4 Junge geboren. Nur etwa die Hälfte der Jungkatzen überlebt das erste Jahr! Natürliche Feinde der Wildkatze sind Wolf oder Luchs. Fuchs, Marder, Uhu oder Habicht fressen jedoch auch Jungtiere.

Die Wildkatze ernährt sich - anders als oftmals angenommen - zu 80% von Kleinnager, vor allem Wühlmäuse. Nur im Winter, bei geschlossener Schneedecke, begnügt sie sich mit Vögeln oder anderen geschwächten größeren Säuger.

Die Wildkatze streifte einst durch die Wälder in ganz Europa. Große störungsarme und strukturreiche Laubmischwälder mit einem hohen Totholzanteil, Lichtungen und Blößen bilden einen wichtigen Teil ihres Lebensraums. Heute ist ihr Vorkommen auf weit voneinander entfernt liegende Areale begrenzt. Die Wildkatze meidet ausgeräumte Ackerlandschaften, die dichten und stark befahrenen Straßen gefährden zudem ihre Ausbreitung. Deswegen bleiben die Restbestände bisher isoliert. Wie Sie wissen ist die Europäische Wildkatze eine bedrohte und damit nach internationalen und nationalen Richtlinien geschützte Tierart mit großen und besonderen Lebensraumansprüchen. Der BUND bemüht sich schon seit vielen Jahren intensiv um den Schutz der Wildkatze. 2004 haben wir das Projekt "Rettungsnetz für die Wildkatze" ins Leben gerufen, unter anderem mit dem Ziel, bestehende Lebensräume von Wildkatzen in Bayern, Hessen und Thüringen zu vernetzen. In Thüringen haben wir den Waldbiotopverbund Hainich - Thüringer Wald umgesetzt. (Umsetzung des ersten Korridors am 01.11.2007: Pflanzen von 20.000 Bäumen).


Warum setzt sich der BUND speziell für die Wildkatze ein?

Die Wildkatze ist wie kaum ein anderes Wildtier als Zielart für den Verbund von strukturreichen Waldlebensräumen geeignet: Das Streifgebiet einer Wildkatze umfasst 100 bis 3.000 ha (1km²-10km²) - je nach Ausstattung des Gebietes, Jahreszeit, Geschlecht und Alter. Nur 7,65% der Landesfläche bzw. 2.736 km² (273ha) Baden-Württembergs sind noch unzerschnitten und verkehrsarm (UZVR > 100 km²). Damit eine Population von Wildkatzen langfristig (>100 Jahre) überlebt, sind mehrere 1000 Tiere nötig. Deshalb müssen wir die letzten 18 unzerschnittenen Räume unbedingt erhalten. Mehr noch: Für die Wildkatzen-Vorkommen in den Vogesen und dem Pfälzerwald müssen wir Korridore einrichten, auf denen sie wandern können. Nur so wird die Wildkatze in Baden-Württemberg überleben.


Zusammenfassend gilt:
Die Wildkatze siedelt sich in naturnahen, störungsarmen Waldgebieten mit hohem Strukturreichtum und reichhaltigem Totholzangebot an.
Die Wildkatze ist ein europäisches Faunenelement, das bisher vor allem in Baden-Württemberg als ausgestorben galt.
Die Wildkatze reagiert sensibel auf die Zerschneidung von Waldlebensräumen und ist daher ein Indikator für den Grad der Vernetzung der Wälder.
Der Flächenanspruch der Wildkatze deckt sich mit dem notwendigen Biotopverbund von Waldlebensräumen zum Erhalt der Biodiversität in Baden-Württemberg
Vernetzte naturnahe Wälder sind nicht nur für die Wildkatze die Voraussetzung zum Überleben. Sie garantieren, dass auch eine Vielzahl anderer Arten hiervon profitieren.

Der BUND Wildkatzenwegeplan und politische Forderung:

Der Wildkatzenwegeplan, der 2007 veröffentlicht wurde, ist wesentlicher Bestandteil des BUND Projektes "Rettungsnetz für die Wildkatze". Dieses Rettungsnetz hat zum Ziel, die Wildkatze wieder in ihren ursprünglichen Verbreitungsgebieten in Deutschland heimisch werden zu lassen. Dafür ist es zum einen erforderlich, die noch bestehenden Wildkatzenpopulationen untereinander zu vernetzen und bestehende Vernetzungen zu erhalten. Zum zweiten müssen wir potentiell für die Wildkatze geeignete aber noch unbesiedelte Gebiete mit den derzeitigen Verbreitungsgebieten verbinden. Hierfür haben wir für ganz Deutschland geeignete Lebensräume und Verbindungskorridore berechnet. Das Ergebnis ist der bundesweite Wildkatzenwegeplan (WKWP). Er zeigt die wichtigsten Verbindungsachsen zwischen bestehenden und potentiellen Wildkatzengebieten aufgezeigt. In Baden-Württemberg stimmen die Hauptrouten weitgehend mit dem Generalwildwegeplan des Landes überein. Diese Wildtierkorridore müssen beim Generalverkehrswegeplan künftig berücksichtigt werden und auch in andere Planungsgrundlagen einfließen, um die Landschaft für waldgebundene Tierarten durchlässig zu gestalten und Konfliktpunkte zu entschärfen.

Die Fachwelt bewertet die Biotopvernetzung einheitlich als DEN wesentlichen Schritte für die Erhaltung der Biodiversität. Sowohl europäisches als auch deutsches Recht schreiben die Biotop-Vernetzung vor (u. a. Natura 2000). Danach müssen vor allem Bundesländer, Kreise und Gemeinden dafür sorgen, dass die Vernetzung auch umgesetzt wird. Damit die Vernetzung der Biotope gelingt, muss die Landesregierung nun auch finanzielle Mittel bereit stellen.

Zusammen mit der Oberen Flurneuordnungsbehörde hat der BUND Landesverband Baden-Württemberg die Ziele des Wildkatzenwegeplans an die Flurneuordnungsämter auf Kreisebene weitergeben. Im Flurneuordnungsverfahren im Zuge des zweispurigen Neubaus der DB-Schnellbahntrasse im Rheintal (NBS) gebündelt mit dem Neubau der B 36 auf der Gemarkung Durmersheim, haben wir eine Korridorvernetzung in den landschaftspflegerischen Begleitplan als Bestandteil des Wege- und Gewässerplanes eingebracht. Dieses Verfahren hat Modellcharakter - viele weitere müssen folgen.


Politische Forderungen:

Auf Grundlage des Wildkatzenwegeplans fordert der BUND:
Die Schaffung von Grünen Korridoren mit planerischer Sicherung und
Die Bereitstellung von Fördermitteln zur Anlage von Wildtierkorridoren
Keine weitere Zerschneidung der Korridore durch Verkehrswege, Gewerbegebiete etc und ein nachhaltiges Flächennutzungskonzept.
Wir fordern die Schaffung von Querungsbauwerken bei vorhandenen Zerschneidungen (Autobahnen, Bundesstraßen, Schnellbahntrassen).
Und die Sicherstellung von unzerschnittenen Waldlebensräumen und potentiellen Wildkatzenlebensräumen auf Grundlage des Wildkatzenwegeplans / Generalwildwegeplans


Maßnahmen des BUND:

Wildtiere wie die Wildkatzen machen an den Landesgrenzen nicht halt. Um das Überleben der Wildkatze auch in unserer Landschaft wieder zu sichern, setzt sich der BUND Landesverband Baden-Württemberg e.V. für den Erhalt unzerschnittener, großer, störungsarmer und strukturreicher Waldgebiete ein. Wir setzen uns intensiv für den Aufbau grüner Korridore vom Pfälzerwald und den Vogesen bis hin zu den potenziell geeigneten Gebieten in Baden-Württemberg ein. Nur so werden wir die Lebensräume der Wildkatze vernetzen können.

Eine große Herausforderung bilden dabei die großen und stark befahrenen Verkehrs-Trassen in der Oberrheinischen Tiefebene - die Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel, die A5 sowie mehrere Bundesstraßen.

Gemeinsam mit BUND-Ehrenamtlichen, freiwilligen Helfern und den Akteuren aus Forst, Landwirtschaft, Jagd und Naturschutz werden wir Maßnahmen umsetzen, um die Strukturen zu verbessern. Außerdem werden wir die Öffentlichkeit informieren, um die Akzeptanz für die Wildkatze zu erhöhen. Einen Schwerpunkt legt der BUND beim Aufbau des Rettungsnetz Wildkatze in die Region Kaiserstuhl. Hier möchten wir wichtige Vorarbeiten für erste Korridorvernetzungen leisten, damit das Vorkommen gesichert wird und sich weiter ausdehnen kann. Geplant ist unter anderem ein Lauf zu Gunsten der Wildkatze in der Region Kaiserstuhl, der auf die Situation der Wildkatze aufmerksam macht. Ein weiteres Projekt, das für uns wünschenswert ist, ist eine umfassende Informations-, Bildungs- und Sensibilisierungskampagne für die Vernetzung von Biotopen.

(Quelle: www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/21606/
Berechnungen auf Bundesebene im Maßstab 1:250000 (BfN und ILPÖ 2005)
und Drucksache 14 / 2122 Antrag der Grüne Fraktion )


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Quelle:
Presseinformation, 02.02.2009
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
Landesverband Baden-Württemberg
Paulinenstraße 47, 70178 Stuttgart
Tel.: 0711/620306-0, Fax: 0711/620306-77
E-Mail: bund.bawue@bund.net
Internet: www.bund-bawue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2009