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MELDUNG/156: Gut gebrüllt, Bison! Der Wisent - Wildtier des Jahres 2014 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 178 - Februar / März 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Gut gebrüllt, Bison!

Der Wisent - Wildtier des Jahres 2014

von Jörg Parsiegla



Die SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHES WILD hat den Wisent zum Tier des Jahres 2014 gewählt. Damit würdigt das als Stiftung zur Erhaltung der freilebenden Tierwelt agierende Bündnis die erfolgreiche Auswilderung einer achtköpfigen, 2013 in die Wälder des nordrhein-westfälischen Rothaargebirges entlassenen Wisentherde.

Der Wisent, auch europäischer Bison (Bison bonasus) genannt, ist seit der Ausrottung des Auerochsen der letzte Vertreter wildlebender Rinderarten in Europa. Er kam noch bis ins frühe Mittelalter in den Urwäldern von West-, Zentral- und Südosteuropa vor. Im Zuge der Urbarmachung der europäischen Wälder und nicht zuletzt durch Kriege wurde der Wisent jedoch immer mehr verdrängt. Schließlich wurde 1927 im Kaukasus das letzte freilebende Exemplar abgeschossen und der Wisent verschwand für einige Jahre aus der freien Wildbahn. Alle heute lebenden europäischen Wisente stammen von nur zwölf in Zoos und Tiergehegen gehaltenen Tieren ab.

Ursprünglich bestand die Wisent-Population in Europa aus zwei Unterarten: dem Bergwisent (Bison bonasus caucasicus) und dem Flachlandwisent (Bison bonasus bonasus). Der Bergwisent ist ausgestorben und existiert heute lediglich noch als Mischform (Hybride) mit dem Flachlandwisent (Flachland-Kaukasus-Linie). Diese Zuchtlinie geht auf nur einen Bergwisent zurück, den Bullen "Kaukasus", den letzten reinblütigen Vertreter dieser Unterart. In der Wisentzucht unterscheidet man also zwei Zuchtlinien: die Flachlandlinie und die Flachland-Kaukasus-Linie, die Kreuzung aus Flachlandwisent und Bergwisent.

Durch Auswilderungen 1940 im russisch-kaukasischen Naturreservat und 1952 im heutigen grenzüberschreitenden Nationalpark Bialowieza / Bjeloweschska an der polnisch-weißrussischen Grenze konnten Wisentherden beider Zuchtlinien wieder frei angesiedelt werden. Insgesamt wurden 2004 schon wieder knapp 2.000 freilebende Tiere - rund 1.500 "Flachländer" und rund 500 "Kaukasier" - in etwa 30 Populationen gezählt (cirka 60 Prozent des Weltbestandes). Im gleichen Jahr (2004) fand eine Auswilderungsaktion in der Slowakei und 2012 eine in Rumänien statt. Lebensraum des Wisents sind gemäßigte Laub-, Nadel-, aber bevorzugt Mischwälder. Wisente leben in lockeren Familienverbänden von 20 bis 25 Tieren. Der Wisent ist Europas schwerstes und größtes Landsäugetier. Ein Bulle kann bis zu 3,30 Meter lang, 2,10 Meter hoch und an die 20 Zentner (eine Tonne!) schwer werden. Natürlicher Feind ist nur der Wolf, der aber allenfalls im Rudel gefährlich werden kann. Als weitaus bedrohlicher für den langfristigen Erhalt der Art gilt die niedrige genetische Variabilität der heute lebenden Wisente. Nächster Verwandter des europäischen Wisents ist - nicht verwunderlich - der amerikanische Bison (Bison bison), mit dem er uneingeschränkt kreuzbar ist.

In Deutschland existieren außer der Herde im Rothaargebirge, bei der sich übrigens im Mai und im Juni 2013 Kälbernachwuchs eingestellt hat, noch weitere halbfreie, das heißt in irgend einer Form eingezäunte Populationen, darunter die seit 2008 in der knapp 2.000 Hektar großen Wildniskernzone der Döberitzer Heide (westlich der Berliner Stadtgrenze) unter annähernd wilden Bedingungen lebenden Tiere.



Weitere Informationen:
www.sdwi.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Freilebende europäische Wiesente im Bialowieza Nationalpark (Polen)

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 178 - Februar/März 2014, Seite 12
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
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Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2014