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PILZ/008: Rückblick - Tiegelteuerling, Pilz des Jahres 2014 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 183 - Dezember 2014/Januar 2015
Die Berliner Umweltzeitung

Brotkorb? ... Vogelnest?
Rückblick: Tiegelteuerling - Pilz des Jahres 2014

von Jörg Parsiegla



Es war wieder soweit: wetterfest gekleidete Mitmenschen - teilweise in Gruppen - durchstreiften die Wälder. Das mitunter kecke Äußere der Naturliebhaber wurde durch einen lässig über den Arm getragenen oder an der Hand baumelnden Weidenkorb komplettiert: PILZZEIT. Da passte es gut, dass die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) den (noch) aktuellen Pilz des Jahres schon Monate im Voraus kürte. Für 2014 hatte sich die DGfM auf den Tiegelteuerling festgelegt. Allgemein möchte die DGfM mit der jährlichen Wahl auf die große Bedeutung der Pilze in den natürlichen Stoffkreisläufen aufmerksam machen: "Es sind in erster Linie die oft im Verborgenen wirkenden Fadenwesen, die mit ihren Enzymen abgestorbene, organische Stoffe wie Holz, Blätter, Nadeln und vieles mehr remineralisieren und somit wieder für die Pflanzenwelt verfügbar machen. Ohne diese Ökosystemleistung der Pilze würde in kürzester Zeit die gesamte Nahrungskette zusammenbrechen."

Der Gemeine Tiegelteuerling, lateinisch Crucibulum laeve, ist eine Pilzart aus der Familie der Champignonverwandten und einziger Gattungsvertreter in Deutschland. Er bildet gelblichorangefarbene, bis einen Zentimeter hohe tiegelförmige Fruchtkörper aus, in denen sich weiße, linsenförmige Sporenbehälter (sogenannte Peridiolen) befinden. Diese Form der Sporenentwicklung kommt nur bei wenigen Pilzgattungen vor und hat mit deren cleverer Verbreitungsstrategie zu tun. Denn die Sporenkapseln sind Pflanzensamen sehr ähnlich und werden von Vögeln als echte Samen angesehen und aufgepickt. Über den Kot wieder ausgeschieden, können die Sporen so über große Entfernungen verbreitet werden. Die Nahdistanz-Verbreitung übernimmt der Regen: Wenn seine Tropfen in die geöffneten Tiegel fallen, können die Kapseln dadurch herausgeschleudert werden und haften mit einem Klebfaden an Pflanzen der Umgebung an. Soweit es sich um Fraßpflanzen handelt, übernehmen auch hier wieder Tiere die Weiterverbreitung.

Offenbar sind beide Strategien so erfolgreich, dass sich die Teuerlinge weltweit verbreitet haben. Als Saprobiont (auch Folgezersetzer: Organismen, die von toter organischer Substanz leben) bevorzugt er übrigens Lebensräume auf Holzresten, Zweigen und Zapfen diverser Laub- und Nadelhölzer. Auch auf morschen Strohdächern kann der Teuerling gefunden werden. Selten besiedelt er auch den Erdboden - hier dann häufiger auf Kahlschlägen, seltener in Gärten oder auf Viehweiden.

Aufgrund seiner auffälligen Form zählte man Teuerlinge - als Pilze noch anhand ihrer anatomischen Merkmale klassifiziert wurden - zu den Bauchpilzen. Und die Peridiolen waren es wohl auch, die dem Teuerling seinen Namen gaben. Geldstücken gleich liegen sie im Tiegel (Säckchen) und lassen ihn (es) teuer erscheinen. In anderen Ländern gibt es andere, der äußeren Form entsprechende Namen, etwa "Brotkorbpilz" in Schweden oder "Vogelnestpilz" in England.

Soviel noch: Die Fruchtkörper des Tiegelteuerlings erscheinen von Juni bis Oktober. Leider hat die Art keinen Speisewert und ist deshalb wirtschaftlich unbedeutend.


Weitere Informationen: www.dgfm-ev.de

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Quelle:
DER RABE RALF
25. Jahrgang, Nr. 183 - Dezember 2014/Januar 2015, Seite 13
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2015


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