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SÄUGETIERE/313: Leben im Untergrund - Der Europäische Maulwurf ist Wildtier 2020 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 215 - April / Mai 2020
Die Berliner Umweltzeitung

Leben im Untergrund
Der Europäische Maulwurf ist Wildtier 2020

von Rebecca Lange


Man sieht ihn nur selten und trotzdem zeigen die Erdhügel verräterisch die Anwesenheit des Europäischen Maulwurfs (Talpa europaea). Das walzenförmige Säugetier durchgräbt mit seinem bis zu 13 Zentimeter langen und 45 bis 90 Gramm schweren Körper das Erdreich Europas. Seine Körperform erscheint zunächst plump, aber der Maulwurf kann sich zügig fortbewegen. Dabei schaufelt er mit seinen grabwerkzeugartigen Vorder- und Hinterpfoten riesige Tunnelsysteme, die eine Länge von bis zu zwei Kilometern erreichen. Sein dichter Pelz hat keinen Strich, was es dem kleinen Tier einfach macht, sich in engen Gängen in alle Richtungen zu bewegen.

Obwohl der Maulwurf sich eindeutig auf das Leben unter der Erde spezialisiert hat, ist er überraschenderweise in der Lage zu schwimmen. Maulwürfe sind Einzelgänger, vermeiden Begegnungen untereinander und verteidigen ihr Revier beharrlich, nur zur Fortpflanzung finden sie sich zusammen.

Blind wie ein Maulwurf?

Die kleinen und von Fell bedeckten Augen des Maulwurfs geben Grund zur Annahme, er sei blind. Tatsächlich kann er aber Hell-Dunkel-Schattierungen wahrnehmen - und ist ansonsten durch seine Vielfalt an anderen Sinnen nicht von seiner Sehkraft abhängig. Enorm viele Tasthaare (Vibrissen) im Schnauzenbereich und am Schwanz helfen ihm, sich in seiner Umgebung zu orientieren. Der Schwanz übernimmt dabei eine Funktion, die der eines Blindenstocks ähnelt, denn der Maulwurf lässt ihn bei seinen Tunnelgängen rotieren und tastet auf diese Weise die Seiten des Ganges ab. Trotz der fehlenden äußeren Ohrmuscheln hört der Maulwurf ausgezeichnet. Mit der langen, spitzen Schnauze erschnuppert er jede Feinheit.

Neben diesen Fähigkeiten weist der Maulwurf eine ganz spezielle anatomische Besonderheit auf: das "Eimersche Organ". Es kommt allein bei Maulwürfen vor und besitzt fünfmal so viele Nervenfasern wie die menschliche Hand. Durch dieses Tastorgan ist es dem Maulwurf möglich, Muskelbewegungen von Beutetieren und leichte Erschütterungen wahrzunehmen.

Jäger der Erde

Dank der technischen Finessen seines Körperbaus und seiner Sinnesausprägungen beweist sich der Maulwurf als erstklassiger Jäger. Zu seiner Beute zählen Regenwürmer, Insekten und ihre Larven, Schnecken und kleine Wirbeltiere.

Sich unter der Erde fortzubewegen verbraucht sehr viel Energie. Um diesen Verlust auszugleichen müssen Maulwürfe täglich bis zu 100 Prozent ihres eigenen Körpergewichts an Nahrung aufnehmen. Nur durch mehrere Beutezüge pro Tag kann dieser reichliche Energiebedarf gedeckt werden. Frisst der Maulwurf zehn Stunden nichts, verhungert er. Deswegen gräbt er Jagdröhren, die quer zur Zugrichtung der Beute ausgerichtet sind. Mit regelmäßigen Kontrollgängen dieser Röhren sind alle vier bis fünf Stunden Mahlzeiten gewährleistet.

Da der Stollengräber keinen Winterschlaf hält, legt er sich Vorratskammern an, um die kalten Monate überleben zu können. Beispielsweise beißt er Regenwürmern das Kopfsegment ab, wodurch diese gelähmt sind und gelagert werden können.

Als Schädling verkannt

Nicht nur seine natürliche Beute muss sich vor den scharfen Klauen und der Gewandtheit des Maulwurfs in Acht nehmen. Jeder unerwünschte Gast wird rigoros aus dem Revier vertrieben. In der Buch- und Zeichentrickfilmreihe "Der kleine Maulwurf" ist ein Maulwurf mit einer Maus befreundet, in der Realität aber jagen Maulwürfe Wühlmäuse und halten diese von ihren Gängen fern.

Das sollte den Maulwurf für den einen oder anderen Gärtner schon sympathischer werden lassen. Leider wird der kleine Gräber aber wegen der aufgeworfenen Erdhügel meist verscheucht - und das, obwohl ein Maulwurf im Garten durchaus Vorteile hat. Die Maulwurfshügel zeigen, dass der Boden gesund ist, und die aufgewühlte Erde ist optimal zum Gärtnern, da sie unkraut- und wurzelfrei ist. In dem nährstoffreichen Boden wachsen Pflanzen besonders gut.

Auch die Idee zu den erwähnten Büchern und Filmen ist einem Maulwurfshügel entsprungen: Als der tschechische Zeichner Zdenek Miler 1956 beim Spazierengehen über einen solchen stolperte, hatte er die entscheidende Inspiration. In mehr als 80 Ländern hat "Der kleine Maulwurf" Liebhaber gefunden, und auch in unseren Gärten sollte der Maulwurf endlich als Freund und Helfer erkannt werden.


Weitere Informationen:

www.nabu.de/maulwurf

Buchtipp:
Josef Alois Novotny, Zdenek Miler:
Der Maulwurf in der Stadt,
Leipziger Kinderbuchverlag,
80 Seiten, 12,90 Euro,
ISBN 978-3-89603-393-2

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Quelle:
DER RABE RALF
31. Jahrgang, Nr. 215, Seite 5
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 25 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2020

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