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UNO/036: 2009 - Das war das Jahr des Gorillas (KRITISCHE Ökologie)


KRITISCHE Ökologie - Zeitschrift für Umwelt und Entwicklung
Nr. 74 Ausgabe 25 [1] - Sommer 2010

2009 - Das war das Jahr des Gorillas

Von Axel Goldau


Das Vordringen extraktiver Industrien (vor allem Holzeinschlag und Ausbeutung mineralischer Rohstoffe bzw. deren Durchleitung etwa durch den Bau von Öl-Pipelines) in die Lebensräume der westlichen Gorillas (Gorilla gorilla) und der anhaltende Krieg in den Lebensräumen der östlichen Gorillas (Gorilla beringei) haben die sanften Riesen an den Rand ihrer Ausrottung gebracht. Auf die hochgradige Gefährdung einer unserer nächsten natürlichen Verwandten sollte das "Jahr des Gorillas" (Year of the Gorilla: YoG) hinweisen, mit dem Ziel ihrer Existenzsicherung durch den nachhaltigen Erhalt ihrer Lebensräume. Weil Gorillas nur dann überleben können, wenn auch die Menschen in ihrer Nachbarschaft ein gesichertes Einkommen erwirtschaften können, sollten auch lokale Gemeinschaften gefördert und von Zwängen destruktiven Wirtschaftens befreit werden.

Die Initiatoren waren UNEP-CMS (United Nations Environment Programme - Convention on Migratory Species), UNEP/UNESCO Great Ape Survival Partnership (GRASP) sowie der internationale Verband wissenschaftlich geführter Zoos und Aquarien (World Association of Zoos and Aquariums: WAZA). Deutschland, das seit Mai 2008 die Präsidentschaft der Konvention über die Biologische Vielfalt (Convention on Biodiversity: CBD) innehat, fühlte sich berufen, das zentrale Ereignis, nämlich das Internationale Symposium zum YoG auszurichten.[1] Und außerdem gab es da auch noch einen Grund zum Feiern, denn die CMS, die ihren Sitz in Bonn hat ("Bonner Konvention"), beging ihren 30. Jahrestag.

Während des Symposiums kamen etwa 200 Menschen aus der im Arten- und Naturschutz engagierten Zivilgesellschaft, Regierungen, Wissenschaft und Forschung im reizvollen Veranstaltungshaus des Frankfurter Zoologischen Gartens zusammen. Auch an "Ausgewogenheit" fehlte es nicht: Die Firma Danzer, mit Hauptsitz in Reutlingen, verfügt in der Demokratischen Republik und neuerdings auch in der Republik Kongo über riesige "Konzessions-Waldgebiete" und wird von Umwelt-, Tier- und Naturschutzorganisationen für die Buschmeatkrise in ihren Konzessionsgebieten verantwortlich gemacht. Folgt man allerdings den Ausführungen ihres PR-Managers Olof VAN GAGERN [2], konnte der Eindruck erweckt werden, die Firma Danzer sei Teil einer vernünftigen Lösung und nicht Teil dieses Problems: der Bushmeat-Krise, der auch unsere nächsten Verwandten zum Opfer fallen.

Die Fachvorträge und Diskussionen - meist in den Pausen am Buffet - dienten dem Wissensaustausch, wie die Ausrottung eines unserer nächsten Verwandten abgewendet, Lebensräume gesichert und schließlich der Abwärtstrend der Gorillas umgekehrt werden könnte. Mit der "Frankfurter Erklärung"[3] ein Signal zum Erhalt der Gorillas ausgehen; und es sollten entsprechende Projekte aufgelegt und für diese auch Spenden gesammelt werden. Von den vielen Fachvorträgen möchte ich hier den von Helga RAINER kurz hervorheben: Aus ihren Ausführungen ging nämlich hervor, dass sich die Orte der schwersten Verbrechen gerade in den "geschützten" Gebieten befinden. Immer wieder wurde der Krieg im Ostkongo als das zentrale Problem herausgestellt - und als Hauptverursacher die FDLR genannt, eine Terrorgruppe aus Ruanda, die im Ostkongo weitgehende Kontrolle über den Abbau und den Verkauf mineralischer Rohstoffe hat und aus den Verkaufserlösen ihren Terror finanziert.

Afrikaner_innen waren in der Minderheit auf diesem Symposium. Von den Teilnehmer_innen aus den 10 Staaten, in denen Gorillas vorkommen, kamen die meisten aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo [5]: Gerade sie betonten immer wieder nicht nur die Gefahren für die Gorillas, die von den bewaffneten Gruppen ausgehen, sondern den Terror, dem die Bevölkerung durch sie ausgesetzt ist. In der Arbeitsgruppe "Kriegerische Konflikte" drangen vor allem die Kollegen_innen aus dem Ostkongo darauf, in die "Frankfurter Erklärung" den Terror als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu brandmarken, dem Menschen und Gorillas, ja die gesamte biologische Vielfalt der Region zum Opfer fielen: Ökozid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

In der Erklärung findet sich die folgende Formulierung:
"Wir, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gorilla-Symposiums: (...) 24. rufen die internationale Gemeinschaft ... auf, einen Dialog dazu anzustoßen, ob die großflächige oder systematische Zerstörung von natürlichen Ressourcen oder Schlüsselarten von globaler kultureller oder wirtschaftlicher Bedeutung, die zur Vertreibung der örtlichen Bevölkerung führen und großes Leiden oder ernsthafte Schädigungen der geistigen oder körperlichen Gesundheit verursachen kann, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewertet werden sollte, (...)"[6]

Politisch wurde der Tatsache, dass die Frau Bundeskanzlerin eine Grußbotschaft schickte, äußerst begrüßt. Aber Grußbotschaften und Realpolitik liegen eben oft weit auseinander: Insgesamt allerdings ist schwer zu erkennen, was das Symposium und das ganze "Jahr des Gorillas" den Gorillas wirklich gebracht hat. Zum Jahresende teilt die Tier- und Naturschutzorganisation PRO WILDLIFE mit, dass die Nachfrage nach kongolesischem Coltan ungebremst anhielte.[7] Bereits während des Symposiums wies Raimund BLEISCHWITZ darauf hin, dass Coltan aus den Lebensräumen der östlichen Gorillas in der Demokratischen Republik Kongo von höchster Qualität, aber dennoch weltweit "am billigsten" zu haben sei [8]: Auf Kosten von Menschen, Gorillas und dem Mangel an jeglicher Perspektive.

Gegen Ende November legte die UNO einen detaillierten Bericht darüber vor, wie die Top-Terroristen des Ostkongos trotz offiziellen Embargos die geraubten Rohstoffe zu Geld und zu weitere Waffen machen können.[9] Noch lange nachdem Frau Merkel ihre Grußbotschaft schrieb, konnten sich wichtige Kommandeure des Terrors völlig frei in Deutschland bewegen.

Das Jahr des Gorillas ist vorbei. Wieweit es zum allgemeinen Bewusstsein über die Not unserer nächsten Verwandten beigetragen hat, ist schwer zu sagen. Einen Politikwechsel scheint es jedenfalls nicht zu geben - und das Morden und Plündern im Ostkongo halten unvermindert an, weil die Mörder und Plünderer noch immer Abnehmer für ihre geraubten Rohstoffe - auch bei uns - finden.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:


Berggorilla-Silberrücken Guhonda (Gorilla beringei beringei) in einem der letzten Refugien Ruandas. Foto: I. Weiche

RUBY - hier noch als Baby mit ihrer Mutter BEBE - war im August im "Jahr der Gorillas" unerwartet an einer nicht mehr spezifizierbaren Infektion und anschließender totaler Sepsis im Alter von 11 Jahren gestorben. Kurz zuvor hatte sie als erste der Gorillafrauen des Frankfurter Zoos ein Kind geboren, das der neue junge Mann VIATU gezeugt hatte. Die Geburt erfolgte früher als erwartet, und VIATU, dessen Stellung in der Gruppe noch nicht hinreichend gefestigt war, hatte sein Kind getötet, kurz bevor dann leider auch Ruby verstarb. Foto: I. WEICHE

Gentle Giants in Need: Gorilla Symposium - Zoo Frankfurt - vom 09.- 10. Juni 2009 in Kooperation von BMU, BMZ, CMS, ZGF, BfN und Zoo Frankfurt

Olof VAN GAGERN: Conservation of Wildlife as Part of sustainable Forest Management - Practical Experiences of a Forestry Company in the Congo Basin; 9. Juni 2009: http://www.yog2009.org/FFM_Gorilla_Symposium/Danzer_Gorilla_symposium.pdf The Frankfurt Declaration - What now?: s. www.yog2009.org; dort auch in einer deutschen Fassung Helga RAINER: Gorillas and Guerillas: The Role of Protected Areas in Violence of the Kivus in the Democratic Republic of Congo; 9. Juni 2009: http://www.yog2009.org/FFM_Gorilla_Symposium/Helga%20RainerSUMMARYGorillas&Gue rillas.pdf s. List of Attendees: http://www.yog2009.org/FFM_Gorilla_Symposium/List_of_Attendees_Frankfurt_Symposium _rev.pdf

http://www.yog2009.org/FFM_Gorilla_Symposium/Frankfurt_Declaration_deutsch.pdf http://www.prowildlife.de/PM22/12/09 Raimund BLEISCHWITZ: Coltan Mining in Central Africa; 9. Juni 2009: http://www.yog2009.org/index.php?view=article&catid=62%3Apresentations&id=150%3Acolt anbleischwitz&option=com_content&Itemid=80 MISSER, F. & D.JOHNSON: Die Hutu-Miliz und ihre Helfer - Netzwerke des Todes; TAZ vom 25-11- 09: http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/netzwerke-des-todes/


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Das Jahr des Gorillas in der Kritischen Ökologie

Biologische Vielfalt:
2009 - Das war das Jahr des Gorillas von Axel GOLDAU
in diesem Heft: Kritische Ökologie, Nr. 74 - Bd. 25[1]: 4-6.2010

um Welt:(*) Gorillas in Kahuzi-Biega - im Drehkruez zwischen Straßenbau, Plünderun und Krieg von Armin PÜTTGER-CONRADT
Kritische Ökologie, Nr. 72 - Bd. 24[1]:4-6.2009 Bei den Berggorillas in den Virunga-Bergen von Armin PÜTTGER-CONRADT
Kritische Ökologie, Nr. 72 - Bd. 24[1]:4-6.2009

Titelthema:(**) Das Jahr das Gorillas mit Beiträgen von Axel GOLDAU und Iris WEICHE • Einführung • Ein Gorilla zum Frühstück • Gorilla - Taxonomie, Morphologie und Lebensweise • Gorillas in Zoos • Ebola - Tod für Affen und Menschen • Gorillatourismus Kritische Ökologie, Nr. 71 - Bd. 23[2]:16-26.2009


Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

(*) im Schattenblick unter Infopool → Umwelt → Artenschutz
GEFAHR/128: Gorillas in Kahuzi-Biega droht Auslöschung in Krieg und Zerstörung (Kritische Ökologie)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarge128.html
FORSCHUNG/135: Bei den Berggorillas in den Virunga-Bergen (KRITISCHE Ökologie)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarfo135.html

(**) im Schattenblick unter Infopool → Umwelt → Artenschutz
FORSCHUNG/127: "Jahr des Gorillas" (1) Gorillas - Unmittelbar vor der Ausrottung... (KRITISCHE Ökologie)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarfo127.html
FORSCHUNG/128: "Jahr des Gorillas" (2) Gorillas in Zoos (KRITISCHE Ökologie)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarfo128.html
FORSCHUNG/129: "Jahr des Gorillas" (3) Ebola - Tod für Affen und Menschen (KRITISCHE Ökologie)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarfo129.html
FORSCHUNG/130: "Jahr des Gorillas" (4) Gorillatourismus (KRITISCHE Ökologie)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarfo130.html
FORSCHUNG/131: "Jahr des Gorillas" (5) Ein Gorilla zum Frühstück (KRITISCHE Ökologie)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/artensch/uarfo131.html


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Quelle:
Kritische Ökologie, Nr. 74 Ausgabe 25 [1] Sommer 2010, Seite 8-9
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2010