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VÖGEL/1078: Kuwitt, komm mit - Der Waldkauz ist Vogel des Jahres 2017 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 196 - Februar/März 2017
Die Berliner Umweltzeitung

Kuwitt, komm mit
Der Waldkauz ist Vogel des Jahres 2017

von Jörg Parsiegla


Sein Grusel-Image hat er - wie die anderen heimischen Eulenarten übrigens auch - zum Glück abgelegt. Dabei ist es erst gut 50 Jahre her, dass dem Autor dieser Zeilen nächtens noch eingeschärft wurde, doch ja schnell einzuschlafen, andernfalls würden die Eulen - "kuwitt, komm mit" - am Fenster auftauchen und ihn mitnehmen. Nach überstandenen Traumajahren darf man die Vögel inzwischen putzig nennen, oder vielleicht doch lieber drollig?

Der kürende Naturschutzbund Deutschland (NABU) will mit der getroffenen Wahl "für den Erhalt alter Bäume mit Höhlen im Wald oder in Parks werben und eine breite Öffentlichkeit für die Bedürfnisse höhlenbewohnender Tiere sensibilisieren. Eulen sind unverzichtbarer Bestandteil der Artenvielfalt", meint NABU-Präsidiumsmitglied Heinz Kowalski. Es gelte, sie zu schützen, ihre Bestände zu stabilisieren oder zu vermehren.

In Deutschland ungefährdet

Immerhin, der Waldkauz ist nach dem Uhu und dem Habichtskauz die drittgrößte der in unseren Gefilden brütenden zehn Eulenarten. Und er ist gemeinsam mit der Waldohreule (Nummer vier in der Größenfolge) die häufigste Eule. Sein Verbreitungsgebiet reicht von Westeuropa und Nordwestafrika bis nach Iran und Westsibirien. Außerdem gibt es Populationen in Südostasien. In Deutschland erreicht der Bestand des Waldkauzes, laut Atlas deutscher Brutvogelarten, 50.000 bis 75.000 Brutpaare und wird damit - auch langfristig - als stabil eingeschätzt.

Obwohl sich Strix aluco in lichten Laub- und Mischwäldern am wohlsten fühlt, ist er keinesfalls nur im Wald zu Hause. Der Waldkauz benötigt als Brutareal reich strukturierte Landschaften, in denen sich Wälder und Baumgruppen mit offenen Flächen abwechseln. Als Höhlenbrüter bevorzugt er Baumhöhlen, nimmt aber auch mit Mauerlöchern, Felshöhlen und Dachböden vorlieb. Auf diese Weise kommt er dem Menschen bisweilen sehr nah.

Der dämmerungs- und nachtaktive Waldkauz frisst bevorzugt Mäuse, kann aber seine Ernährung bei Mäusemangel auf Kleinvögel umstellen. Da er Beutetiere bis zu einem Gewicht von etwa 300 Gramm schlagen kann, stehen auch schon mal Jungkaninchen und Tauben, ja selbst Eichhörnchen auf dem Speisezettel. Außerdem nimmt er Frösche und Kröten.

Knopfaugen mit Schleier

Die Eulenart fällt durch ihre gedrungene Gestalt mit rundem Kopf auf. Typisch sind die großen Knopfaugen im dunkel umrahmten hellen Gesichtsschleier - das ist die kranzförmige Einfassung der Kopfvorderseite durch steife, besonders geformte Federn. Mit einer Größe von durchschnittlich 40 Zentimetern und einer Spannweite von bis zu einem Meter ist der Waldkauz etwas größer und auch kräftiger als die Waldohreule und die Schleiereule (Nummer fünf in der Größenfolge). Das Männchen ist meist kleiner als das Weibchen, entsprechend liegt das Gewicht unter beziehungsweise über 500 Gramm. Für das lockere Gefieder des Waldkauzes ist, wie bei den anderen Eulenarten auch, eine rindenartige Tarnfärbung typisch, bisweilen wird von Tropfenfärbung gesprochen.

Der Waldkauz tritt - unabhängig von Geschlecht und Alter - in drei Gefiederfarben, sogenannten Farbmorphen, auf: braun, rostrot und grau. Während in West- und Mitteleuropa die braunen und rostfarbenen Gefiedertypen überwiegen, sind in Skandinavien und Sibirien hauptsächlich graue Waldkäuze anzutreffen. Allgemein werden diese Morphen auf unterschiedliche Lebensräume zurückgeführt.

Balz, Brut und Kuwitt

Waldkäuze paaren sich auf Lebenszeit, darüber hinaus sind beide Partner reviertreu. Herbst und Winter sind Balzzeit und Zeit der Partnerwahl. Die Herbstbalz im Oktober und November dient dem Zueinanderfinden der Partner eines bereits bestehenden Paares oder - wenn ein Vogel des Paares gestorben ist - dem Finden eines neuen Partners. Ende Februar steuert die Balz auf ihren Höhepunkt zu, das Singen der Waldkäuze ist jetzt fast allabendlich zu hören. Auch wenn meist das Männchen den Ton angibt, können beide Geschlechter sowohl den Balzgesang als auch den Kontaktruf äußern.

Der typische Ruf des Männchens ist dann ein langgezogenes, heulendes "Huh-huhuhu-huuuh", außerdem kann er ein trillerndes "Wuwuwuwu ..." von sich geben, mit dem er zum Beispiel dem Weibchen die Nisthöhle präsentiert oder den Akt der Begattung einleitet. Das Weibchen beschränkt sich meist auf ein quittierendes, raues "Kuwitt".

Waldkäuze brüten nur einmal jährlich, in von Menschen besiedelten Räumen oft schon im Januar, im Wald dagegen vier bis sechs Wochen später. Während das Weibchen brütet, übernimmt das Männchen den Part der Nahrungsbeschaffung und der Verteidigung der Gelegehöhle. Allgemein gilt der Waldkauz als strenger Wächter seiner Brut.

Aus den - in der Regel - zwei bis vier Eiern schlüpfen nach einer durchschnittlichen Brutdauer von 28 bis 30 Tagen die knapp 30 Gramm schweren, und noch völlig blinden Nestlinge. Ab deren zehntem Lebenstag beteiligt sich auch das Weibchen wieder an der Futterbeschaffung. Schon nach rund 30 Tagen verlassen die Jungvögel die Bruthöhle. Dabei landen viele Waldkauzjunge auf dem Erdboden, wo sie versuchen, laufend eine Deckung oder einen Baum mit dicker Rinde zu finden, an dem sie emporklettern können. Hier werden sie als sogenannte Ästlinge von den Altkäuzen bis etwa zu ihrem 100. Lebenstag weiter versorgt und beschützt. Spätestens mit der nächsten Balzsaison müssen sie sich eigene Reviere suchen. Leider überlebt nur die Hälfte der Jungvögel das erste Lebensjahr. Einmal erwachsen, können sie in freier Natur jedoch bis zu 20 Jahre alt werden.

Kauzige Typen

Der Waldkauz - wie übrigens alle Eulen - fliegt nicht nur nahezu geräuschlos, er sieht und hört auch ausgezeichnet. Was das Sehen betrifft: Er sieht sogar räumlich, dank der in einer Ebene angeordneten Augen. Diese außergewöhnlichen Fähigkeiten machen ihn zu einem erfolgreichen Jäger. Der Waldkauz selbst wiederum wird von anderen, in der Größenordnung über ihm stehenden, Eulenarten wie Habichtskauz und Uhu sowie von Greifvögeln wie zum Beispiel dem Mäusebussard gejagt. Auch Baummarder und Rotfuchs sind seine Feinde.

Die Bezeichnung "Kauz" ist eine Besonderheit im deutschen Sprachraum. In anderen europäischen Ländern gibt es kein eigenes Wort für diese Eulen mit rundem Kopf, aber ohne die charakteristischen Federohren.

Das bereits erwähnte, frühere Grusel-Image von Eulen im Allgemeinen und Käuzen im Besonderen lässt sich auf deren nachtaktive Lebensweise zurückführen. Etwa im 16. Jahrhundert entwickelte sich "Kauz" zu einer Bezeichnung für den menschenscheuen, eigenartigen (aber nicht unsympathischen) Sonderling. Heutzutage werden unter einem Kauz (kauzig) umgangssprachlich wunderliche, schrullige, bisweilen spaßige Mitmenschen bezeichnet.

Weitere Bezeichnungen für den Waldkauz sind übrigens Nacht-, Wald- und Stockeule oder eben Nachtkauz.

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 196, Seite 14
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2017

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