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VÖGEL/1080: Lautlos durch die Nacht - der Waldkauz (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/17
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Lautlos durch die Nacht
Der Waldkauz ist Vogel des Jahres 2017

von Helge May und Karl Wilhelm Beichert


Fairness, Chancengleichheit? Von wegen! Der tägliche Kampf ums Überleben ist kein Spiel. Und deswegen kommt der Tod ohne Vorwarnung, geräuschlos und schnell. Immerhin kein langes Siechtum, keine Quälerei.

"Die Maus mochte noch so schnell und das Wiesel noch so flink sein, viel schneller war der Kauz, viel flinker die Käuzin", beschrieb Hermann Löns schon vor hundert Jahren die Jagdweise. "Kein Flügelschlag verriet ihr Kommen; lautlos schwebten sie über das Feld, unhörbar rüttelten sie über dem Rain, und niemals stießen sie fehl. Wo die Krallen der Käuze hingriffen, da half kein Kneifen, nützte kein Beißen; verloren war alles, was sie erfassten."

Mäuse immer am Stück

Würden Mäuse über den Tod nachdenken - vom Waldkauz geschlagen zu werden, könnte der ideale Abtritt von der Bühne ihres kurzen Lebens sein. Aber solche Gedanken sind Mäusen wohl fern. Dem Waldkauz auch. Er nimmt, was er kriegt, für sich und für seinen Nachwuchs. Am liebsten eben Mäuse. Die haben die richtige Größe, um sie am Stück herunterzuwürgen.

Sind keine Mäuse da oder sie sind schwer zu erwischen, dann frisst der Waldkauz auch Regenwürmer und Käfer, Ratten, junge Hasen, Vögel bis zur Größe von Tauben. Bei massenhaft auftretenden Insektenarten können diese bei einzelnen Vögeln im Frühjahr und Sommer phasenweise die Hauptnahrungsquelle sein. Mit ihren langen Krallen können Käuze sogar Jungtiere aus Baumhöhlen holen und selbst beim Fischen sind sie schon gesehen worden.

Kauz und Eule sind einerlei

Der Waldkauz ist die häufigste unserer zehn heimischen Eulenarten. Dass wir im Deutschen zwischen Eulen und Käuzen unterscheiden, ist eine Eigenart, die es in den meisten anderen Sprachen nicht gibt. Zoologisch betrachtet, bilden die Eulen eine Vogel-Ordnung mit weltweit etwa 200 Arten.

Die Vielseitigkeit der Nahrung ist sicher ein Grund für die relative Stabilität des Waldkauzbestands. Gewölle-Untersuchungen geben darüber zuverlässig Auskunft. Die Nahrung besteht wie beschrieben zum großen Teil aus Kleinsäugern. Bei Käuzen, die in Städten leben, steigt der Vogelanteil erheblich an - gerne werden Spatzen und Finken gejagt -, während die Waldbewohner fast ein Drittel ihres Beutegewichts alleine mit der Waldmaus erreichen.

Ganzjährig heimattreu

Die Flexibilität im Nahrungserwerb passt gut zu einem Vogel, der sein Leben lang möglichst in derselben Umgebung in einem verhältnismäßig kleinen Lebensraum verbringt und mit den Möglichkeiten eben dieses Wohnortes auskommen muss, auch im Winter. Nicht nur der Mensch ist ein Gewohnheitstier, der Waldkauz ebenso. Es hat nämlich Vorteile, wenn man sich auskennt, gerade in der Dämmerung und nachts.

Auch ein Waldkauz kann bei völliger Dunkelheit nichts sehen. Seine Augen nutzen aber das vorhandene Restlicht um ein Vielfaches besser als wir. Die Netzhaut im Augeninneren ist besonders dicht mit sogenannten Stäbchenzellen besetzt, etwa fünfmal dichter als beim Menschen. Zusätzlich sorgt eine Reflexionsschicht dafür, dass das einfallende Licht verstärkt wird, wodurch das im Auge erzeugte Bild wesentlich heller ausfällt. Wo viele Stäbchenzellen sind, ist allerdings weniger Platz für Zäpfchenzellen, und diese sind für die Bildauflösung zuständig. Waldkäuze sehen also unscharf und grobkörnig.

Jagen nach Gehör

Zusätzlich verlassen sich jagende Waldkäuze stark auf ihr Gehör. Geräusche werden durch die Trichterwirkung des Gesichtsschleiers schallverstärkt an die unter den Federn versteckten Ohren weitergeleitet. Deren leicht asymmetrische Anordnung führt dazu, dass Geräusche von anvisierten Beutetieren mit minimalem Zeitunterschied wahrgenommen werden. Das hilft dem Waldkauz, seine Beute genau anzupeilen. Ein Echolot wie Fledermäuse haben Käuze aber nicht. Sie fliegen daher oft auf gewohnten Routen, wo sie jeden Winkel und jedes Hindernis kennen.

Wenn man das Glück hat, einen Kauz tagsüber zu beobachten, sitzt dieser meist träge da und kneift die Augen zusammen. Nicht, weil ihn das Licht blendet. Der Waldkauz kommt mit einem großen Helligkeitsspektrum zurecht. Es ist einfach nicht seine Zeit. Für ihn gilt der alte Schlagertext "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da, die Nacht ist da, dass was geschieht".

Tagsüber ist Pause

Das heißt im Umkehrschluss: Tagsüber ist Pause, jedenfalls in der Regel. Wenn es die Umstände erfordern, weil der nächtliche Ertrag schlecht war oder die Familie besonders hungrig ist, gehen Waldkäuze auch mitten am Tag auf Nahrungssuche. Der Vogelkundler Friedrich Naumann erzählt davon in einem 1899 erschienenen Buch: "Mein Vater musste einst zusehen, wie ihm, als er im Begriff war, einen im Garten gefangenen Seidenschwanz aus der Schlinge zu holen, ein Waldkauz einen anderen gefangenen Seidenschwanz, zehn Schritte von ihm, aus der Dohne riss, sich sogar durch sein erhobenes Geschrei weder abschrecken noch verhindern ließ, den geraubten Vogel auf dem nächsten Baume zu verzehren, ob es gleich Mittags um zwei Uhr war." Was Naumann senior mit den Seidenschwänzen vorhatte, sei dahingestellt.

Dass der Waldkauz nahezu lautlos fliegen kann, verdankt er der eulentypischen Konstruktion seiner Flügel, die bei ihm noch dazu besonders ausgereift ist. Wie man es von Flugzeugen kennt, entstehen an der Flügelvorderkannte Luftverwirbelungen, die als Schall hörbar sind. Der Kauz hat aber an der Vorderkante einen Kamm steifer Federn, die die Verwirbelungen reduzieren. Zusätzlich wirkt der flexible Flügelhinterrand im Verein mit weichen Daunen auf der Flügeloberseite wie ein zusätzlicher Schalldämpfer.

Kein Krimi ohne Kauz

Und dennoch wird man Waldkäuze eher hören als sehen. Sie rufen um sich zu verständigen, mit Partner oder Partnerin, und um sich von fremden Käuzen abzugrenzen. Regelmäßig ertönen die Waldkauzrufe im Fernsehen. Kaum eine nächtliche Krimiszene kommt ohne ihr lang gezogenen "Huu-huhuhuhuhuu" aus. Auch wenn im Film dann manchmal eine Schleiereule gezeigt wird oder gar ein Uhu. Im wahren Leben erklingt dieser Ruf bei der Balz oder zur Reviermarkierung, vor allem im Herbst und Spätwinter.

Fast das ganze Jahr über machen Waldkäuze durch ihren Kontaktruf "kuwitt" auf sich aufmerksam, der gerne als "komm mit" übersetzt wird.

Fast das ganze Jahr über machen Waldkäuze außerdem durch ihren Kontaktruf "kuwitt" auf sich aufmerksam, der gerne als "komm mit" übersetzt wird. Einem Wesen, das man meist nicht sieht, das aber solch Furcht erregende Töne hören lässt, traute man früher Schlimmes zu. So wurde der Waldkauz auch als Totenvogel bezeichnet, weil er sich des Nachts auf Häusern niederlasse, in denen ein Sterbender weile. Tatsächlich gab es Beobachtungen, die den Zusammenhang zu bestätigen schienen. Die Erklärung ist aber simpel: In früheren Zeiten gingen die Leute auf dem Land früher ins Bett als heute, die Dörfer waren dunkel. In den Sterbehäusern indes brannte oft Kerzenlicht, das die Käuze anzog.


Der Waldkauz

Schreit das Käuzchen Huhuhu,
macht die Magd das Fenster zu,
schlüpft rasch in die Kissen.
Zieht die Decke übers Ohr,
denn es kommt ihr grausig vor,
ruft wie bös Gewissen.

Auch der Bauer, schon im Hemd,
hört den Ruf, so schaurig-fremd,
doch er spürt kein Bangen.
Käuzchen aus dem Lindenloch
ist sein gutes Freundchen doch,
will sich Mäuse fangen.

Und er blickt zum Fenster naus,
dunkel liegt sein Stall, sein Haus,
nur die Sterne schimmern.
Während er nun spähend lauscht,
kommt es leise angerauscht,
und er hört ein Wimmern.

Ha, das Mäuslein ist gepackt,
das an seinem Korn gezwackt,
wird nun nicht mehr nagen!
Hin zum Lindenloche reist
Käuzchen mit ihm, wird verspeist,
und kann nicht mehr plagen.

So geht es die Nächte lang,
nein, dem Bauern ist nicht bang,
hört er Käuzchens Stimme.
Zu der Magd, die morgens bleich,
sagt er: "Dumme Liese, gleich
lass die Angst, die schlimme!"

"Ist es doch ein Totenruf,
der mir solche Ängste schuf!"
sagt die blasse Liese.
Drauf der Bauer: "Allerdings,
für die Mäuseschar hier rings,
aber nur für diese!"

Otto Nebelthau (1894 - 1943)



Das Waldkauz-Jahr

Im Spätwinter beginnt die Brutzeit - und damit ein Höhepunkt der Rufaktivität. Durch "kollerndes" Nestlocken weisen verliebte Käuze der Dame ihres Herzens den Weg zu geeigneten Bruthöhlen. Bei der Balzfütterung präsentieren sie ihre Jagdkünste. Willigt die Umworbene ein, folgt daraus eine meist lebenslang andauernde Beziehung.

Die Eiablage findet je nach Witterung im Februar oder März statt. In Städten mit ihrem milden Klima kann es auch schon im Januar losgehen. Das Weibchen brütet allein. Nur in den Brutpausen und zur Nahrungsübergabe kommt das Männchen hinzu.

Ihre Reviere verteidigen Waldkäuze gegen Rivalen sehr aggressiv - auch gegen andere Eulenarten.

Ihre Reviere verteidigen Waldkäuze gegen Rivalen sehr aggressiv - auch gegen andere Eulenarten. Ebenso strikt wird die Brut verteidigt, meist von hinten und ohne Vorwarnung. Lautlos nähern sich Waldkäuze Brutstörern im Flug, streifen sie mit den Schwingen oder dem Körper und hinterlassen mit den Krallen oft blutende Wunden.

Rauswurf im Herbst

Die Waldkauzmutter bleibt während der Brutzeit fest auf dem Gelege, das in der Regel aus zwei bis vier Eiern besteht. Nach vier Wochen schlüpfen die Küken. Im Alter von etwa einem Monat verlassen die noch nicht flugfähigen Jungen das Nest und sitzen meist - scheinbar verlassen - auf Zweigen in Nestnähe. Zwei bis drei Wochen später sind sie flugfähig und mit drei Monaten selbstständig. Zu Beginn der Herbstbalz wird der Nachwuchs schließlich aus dem elterlichen Revier vertrieben. Nur die Hälfte der Jungvögel überlebt das erste Lebensjahr. Einmal erwachsen, können sie in freier Natur bis zu 19 Jahre alt werden.

Ginge es rein nach der Gefährdung, hätte der NABU eher den Steinkauz oder die Sumpfohreule zum Vogel des Jahres küren müssen. Doch ein Vogel des Jahres, der so selten ist, dass kaum jemand die Möglichkeit hat, ihn zu erleben, kommt heute nicht mehr in Frage. Die Aktion hat sich im Lauf der Jahrzehnte gewandelt. Und der Steinkauz hatte bereits die Ehre, als einer der ersten 1972, ebenso Schleiereule (1977) und Uhu (2005).

Einer für viele

Der Waldkauz steht vor allem für die Höhlenbewohner und ihre Bedürfnisse. Natürliche Höhlen stehen in unseren Wirtschaftswäldern immer weniger zur Verfügung. Mit einer nutzungsfreien Waldfläche von bundesweit fünf Prozent hat die Politik zwar ein anerkennenswertes Ziel formuliert. Doch die Forstpraxis tut sich damit schwer, wenn gleichzeitig die Erlöserwartungen hochgeschraubt werden. In den Siedlungen wiederum gelten alte Höhlenbäume im Zweifel als Sicherheitsrisiko. Als Übergangslösung hilft da nur der gute alte Nistkasten.

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Die liebe Verwandtschaft
Alle in Deutschland heimischen Eulenarten.

Zehn Eulenarten brüten in Deutschland. Wie der Waldkauz sind Waldohreule und Schleiereule weit verbreitet und kommen auch in Dörfern und Städten vor. Der koboldhafte Steinkauz ist nur in einigen Regionen anzutreffen, er bevorzugt Streuobstwiesen. Die kleinen Raufuß- und Sperlingskäuze besiedeln Nadelwälder, in denen der Waldkauz eher nicht vorkommt. Der Uhu, die größte Eule weltweit, war in Deutschland schon fast ausgestorben, breitet sich dank strengem Schutz aber erfreulicherweise wieder aus. Sumpfohreule, Habichtskauz und Zwergohreule sind bei uns äußerst selten.

Sperlingskauz, 3.200 bis 5.500 Reviere
Zwergohreule, 2 bis 7 Reviere Rote Liste R
Steinkauz, 8.000 bis 9.500 Reviere Rote Liste 3
Raufußkauz, 3.400 bis 6.000 Reviere
Schleiereule, 16.500 bis 29.000 Reviere
Sumpfohreule, 50 bis 80 Reviere Rote Liste 1
Waldohreule, 26.000 bis 43.000 Reviere
Waldkauz, 43.000 bis 75.000 Reviere
Habichtskauz, 5 bis 6 Reviere Rote Liste R
Uhu, 2.100 bis 2.500 Reviere

Nummerierung in aufsteigender Größe der Vögel.
Revierzahlen aus der Roten Liste 2016.
Kategorien: 1 = vom Aussterben bedroht, 3 = gefährdet,
R = extrem selten (in Deutschland am Rand ihres
natürlichen Verbreitungsgebietes).

Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.

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NABU-Infomaterial zum Vogel des Jahres 2017
  • Waldkauz-Broschüre. 32 Seiten A5, Artikel NB1993, ein Euro.
  • Waldkauz-Plakat. A2, gefalzt auf A4, Artikel NB1995, kostenlos.
  • Aufkleber-Postkarte. A6, Artikel NB1996, 50 Cent.
  • JU-Aktionsheft im Rahmen des "Erlebten Frühling" 2017. 20 Seiten A4, Artikel NJ10100, zwei Euro.
  • Aktionsleitfaden. 28 Seiten A4, Artikel NB1998 im Aktiven-Shop, kostenlos. Download im NABU-Netz.
  • Power-Point-Präsentation auf CD mit Notizen und Infomappe. Artikel NB1997 im Aktiven-Shop, 19,90 Euro. Kostenfreier Download im NABU-Netz.

Versandkosten pauschal 3,75 Euro je Bestellung: www.NABU-Shop.de


Weitere Infos in Wort, Bild und Video unter
www.vogel-des-jahres.de.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Wo natürliche Höhlen fehlen, kann dem Waldkauz mit Nistkästen geholfen werden.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/17, Seite 8 - 14
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1958, Fax: 030/284984-3958
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: naturschutz.heute@nabu.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: nabu@nabu.de
Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2017

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