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VÖGEL/1113: Schillernder Allerweltsvogel (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/18
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Schillernder Allerweltsvogel
Gesang, Liebe zu Früchten und Federkleid: Was im Steckbrief des Stars nicht fehlen darf.

von Nicole Flöper


Im Standardwerk "Handbuch der Vögel Mitteleuropas" heißt es: "Der Gesang klingt im Gesamteindruck geräuschhaft und wenig melodisch, ist aber für das menschliche Gehör angenehm, sehr abwechslungsreich und komplex mit vielen Imitationen." Der Star hat sich mit seinem Imitationstalent einen Namen gemacht. Nachahmungen von mehr als 70 Stimmen anderer Vögel wurden gezählt, darunter imitierten sie auch im Frühjahr solche Zugvögel, die noch gar nicht aus ihrem Winterquartier zurückgekehrt waren. Am häufigsten ahmt der Star Sperlingsvögel nach, aber auch Frösche, Hühner, Gänse, Enten, Hunde, Katzen und Schafe. Dazu baut er technische Laute vom Handyklingeln oder von Alarmanlagen, das Knarren einer Tür und Geräusche eines Rasenmähers oder einer Trillerpfeife in seinen Gesang ein. Dieser dient nicht wie bei anderen Vögeln der Abgrenzung eines Territoriums, sondern der Paarbildung - je imitationsreicher, desto erfolgreicher.

Diese Fähigkeit, fremde Laute zu erlernen, wurde schon sehr früh entdeckt und zum Erlernen auch menschlicher Sprachelemente ausgenutzt. Nach Plinius dem Älteren (1. Jh. n. Chr.) besaßen die Söhne des Kaisers Claudius, Britannicus und Nero, einen Star, der Griechisch und Lateinisch sprechen konnte. Plinius berichtet ebenfalls bereits von der Fähigkeit des Stars, täglich Neues hinzuzulernen. Statius rechnet in der Zeit des Kaisers Domitian den Star zu den sprechenden Vögeln, und im Mittelalter weiß auch Albertus Magnus, dass die Stare "perfekt sprechen". Das war wohl der Grund dafür, dass Stare gern im Käfig gehalten wurden. Sogar Mozart soll Besitzer eines Stars gewesen sein.

Dynamit gegen den Star - Beliebt war der Star also wegen seines Gesangs und Sprachtalents. Ambivalent wurden dagegen seine Essgewohnheiten gesehen. Wenn er in Scharen Heuschrecken oder Schnecken vertilgte, liebten ihn die Bauern. Seine Leidenschaft für Beeren dagegen sorgte in vielen Gegenden für ausufernden Hass. Denn ein Starenschwarm konnte beim Weintrauben- oder Kirschanbau großen Schaden anrichten. Neben den Ernteeinbußen gibt es im Laufe des 20. Jahrhunderts noch zahlreiche weitere Belege für Schäden, die vom Star durch sein massenhaftes Auftreten angerichtet werden. Demgegenüber stehen etliche Starenvernichtungsmaßnahmen, die aus ethischen, aber auch aus Gründen des Umweltschutzes und wegen der Gefahr für den Menschen höchst fragwürdig sind: Vernichtung großer Schwärme an Massenschlafplätzen durch Dynamit und Versprühen von Kontaktgiften, Verwendung von Gift- oder Betäubungsködern an Viehfütterungen oder von präparierten Ködern, die das Verhalten beeinflussen (Angstschreie, irres Umherfliegen). Diesen und ähnlichen Maßnahmen fielen beispielsweise in Belgien in den 80er Jahren jährlich durch Dynamit etwa 500.000 Stare zum Opfer, an zwei Schlafplätzen in Frankreich 1981 nahezu zwei Millionen durch Nervengift (Handbuch der Vögel Mitteleuropas, S. 2056). Akzeptabel dagegen scheint der Einsatz von abgerichteten Falken, Sperbern und Habichten. In ungarischen Weinbaugebieten wurden damit gute Erfolge erzielt. Einige Winzer und Obstbauern beschäftigen sogenannte Weinbergshüter, die Starentrupps gezielt vertreiben. Dies ist eine umweltschonende Möglichkeit und birgt weniger Gefahren als Netze, die ebenfalls vielerorts zur Abwehr von Staren gespannt werden.

Glanzvoller Auftritt - Wer den Star einmal im Frühjahr und dann wieder im Herbst betrachtet, könnte denken, zwei verschiedene Vögel gesehen zu haben. Im Frühling zeigt sich der Vogel des Jahres in einem schwarzen Gefieder, das je nach Lichteinfall vor allem beim Männchen metallisch grün, blau oder violett glänzt. Vor allem auf der Oberseite der Weibchen verzieren kleine helle Punkte ihr Prachtkleid. Beide Geschlechter haben zur Brutzeit einen auffällig gelben Schnabel, dessen Basis beim Männchen unten hellblau und bei der Starendame leicht rötlich ist. Jungvögel sind in ihrem ersten Fluggefieder einheitlich graubraun. Im Spätsommer mausern sich die Stare. Ihr sogenanntes Schlichtkleid ist jedoch gar nicht langweilig, sondern mit einem regelrechten Perlmuster überzogen. Es stammt von den weißen Spitzen der sonst dunkelbraunen Federn. Auch der Schnabel ist nun bei Jung- und Altvögeln dunkel. Im Laufe des Herbstes und Winters nutzen sich die Federn ab, werden dunkler, und die weißen Punkte verschwinden. Pünktlich zur neuen Brutsaison schillern die Vögel wieder in elegantem Schwarz mit prächtigen Glanzeffekten.

"Bei der Paarsuche flexibel, brüten Stare auch gerne in der Nähe zu anderen Paaren."

Komplexe Beziehungskiste - Ob nur einen Partner oder doch lieber mehrere, das ist beim Star immer unterschiedlich. Einige Stare sind monogam, also nur mit einem Weibchen verpaart. Andere hingegen haben mehrere Vogeldamen gleichzeitig. Da Stare oft zweimal im Jahr brüten, nutzen viele die Gelegenheit, nach der ersten Brut den Partner zu wechseln. Dies ist besonders häufig, wenn die erste Brut nicht erfolgreich war. Spät geborene Jungvögel stammen vor allem aus solchen Verbindungen. Nach der Paarung bleibt das Männchen dicht beim Weibchen, damit sie sich nicht etwa mit einem Konkurrenten paart. Stare haben keine eigenen Reviere. Vielmehr mögen sie es, dort zu brüten, wo sich auch andere Paare niedergelassen haben. Ein Starenpaar verteidigt zwar seinen Brutplatz, aber schon das weitere Umfeld Wird gemeinsam zur Nahrungssuche genutzt. Nachdem der Star im März seine Nisthöhle bezogen hat, brütet das Weibchen ab Anfang April allein. Aus vier bis sechs weißlich bis hellblau-grünen Eiern schlüpfen nach zwölf bis dreizehn Tagen die Jungen. Wie alle Singvögel sind Starenküken Nesthocker, werden also von den Vogeleltern drei Wochen im Nest gefüttert, bis sie flügge sind, und dann noch maximal vier Tage außerhalb der Behausung. Ende Juli ist die Brutzeit beim Star vorbei. Da Stare häufig keine geeigneten Brutplätze mehr finden, helfen ihm Nistkästen.


Wie funktioniert der Starenflug?

Ein Star orientiert sich innerhalb des Schwarms die ganze Zeit an bis zu sieben Vögeln in seiner Umgebung. Zu diesen Vögeln versucht er, im Flug die immer gleiche Position einzuhalten. Die synchronen, wellenförmigen Bewegungen der fliegenden Stare wirken fast wie ein eigener, gigantischer und nimmermüder Organismus. Die Schwarmbildung schützt Stare vor Angreifern aus der Luft. Greifvögel als natürliche Feinde des Stars haben es so schwer, einen einzelnen Vogel innerhalb des Schwarms zu fixieren. Entscheidend zur Abwehr von Beutegreifern ist daher die synchrone Bewegung der Vögel zur Schwarmmitte.

Die Schwarmbildung von Staren ist ein einzigartiges Naturschauspiel, mit dem nur wenige Vogelarten aufwarten können. Schon im frühen Sommer bilden sich direkt nach der ersten Brutzeit Trupps aus Jungvögeln und unverpaarten Staren. Je näher der Herbst rückt, desto größer werden die Schwärme. 2016 wurde am 7. September Deutschlands größter Starentrupp beobachtet: Sagenhafte 220.000 Stare flogen über Gotteskoogsee in Schleswig-Holstein.

Ihre Maximalzahlen erreichen mitteleuropäische Starenschwärme im September und Oktober - kurz vor dem Abflug nach Süd- und Westeuropa. Zu Hunderten sitzen sie dann in ländlichen Regionen auf Stromleitungen. Wenn sie am Abend an ihren Schlafplätzen einfallen, meistens in großen Schilfgebieten oder in Baumgruppen, sind etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang imposante Schwarmwolken aus vielen Tausend Staren am Himmel zu sehen, bevor sie schlagartig nach unten sinken. Die größten Schwärme von über einer Million Vögeln gibt es alljährlich in Rom und an anderen Orten ihrer Überwinterungsgebiete. Der dort entstehende Geräuschpegel kann ohrenbetäubend sein. Und auch der Kot der vielen Vögel sorgt hin und wieder für Ärger.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/18, Seite 10 - 12
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2018

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