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VÖGEL/461: Rückgang von Feldvögeln in Großbritannien (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2009

Rückgang von Feldvögeln in Großbritannien

Von Anita Schäffer


Wie die britische Regierung bekannt gab, sind die Bestände einiger typischer Vogelarten der offenen Landschaft in Großbritannien im letzten Jahr auf den tiefsten Stand seit 1970 gesunken. Die Royal Society for the Protection of Birds (RSPB, BirdLife-Partner in Großbritannien) befürchtet, dass infolge der Abschaffung von Stilllegungsflächen in der EU vor einigen Monaten weitere Bestandssenkungen bei Vogelarten der Kulturlandschaft unausweichlich sind. Die Naturschützer drängen die Regierung schnell zu handeln um dieses Schicksal abzuwenden.


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Ergebnisse von kürzlich veröffentlichten Studien des britischen Ministeriums für Umwelt, Ernährung und Landwirtschaft zeigen, dass die Bestandszahlen aller Offenlandarten überall in Großbritannien weiter zurückgehen. Die Gesamtpopulation von Vogelarten der Kulturlandschaft, einschließlich Rebhuhn, Kiebitz und Turteltaube umfasst nur noch weniger als die Hälfte der Werte von 1970.

Gareth Morgan, Landwirtschaftsbeauftragter der RSPB, bezeichnet die weiteren Bestandseinbrüche bei Offenlandarten als zutiefst beunruhigend. Der Grund für die bisherigen Bestandseinbrüche ist bekannt und wird in der generellen Intensivierung der Landwirtschaft gesehen - unterstützt von der Landwirtschaftspolitik der EU. Die jüngsten Ergebnisse gelten jedoch als besonders enttäuschend, da die Landwirte heutzutage umfangreiche Unterstützung durch die Naturschützer erhielten, und rufen dringendst dazu auf, eine weitere Abnahme der Bestände aufzuhalten. Zusammen mit den Landwirten müsse gewährleistet werden, dass nur die umweltfreundlichsten Techniken Anwendung finden um den Offenlandarten das Überleben zu ermöglichen.

Unter diesen Gesichtspunkten fordert die RSPB in Großbritannien mehr Subventionen aus der Landwirtschaft in die Entwicklung von Naturschutzmaßnahmen umzuleiten und die bereits vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen.

Besonders die Aussicht auf weitere, unausweichliche Bestandseinbrüche infolge der Abschaffung von Stilllegungsflächen beunruhigen die Naturschützer. Landwirtschaftliche Nutzflächen, die aus der laufenden Produktion von Lebensmitteln herausgenommen wurden, stellten in der Vergangenheit günstige Lebensräume für Vogelarten der offenen Landschaft dar. Zukünftig stehen diese Flächen den Vögeln nicht mehr zur Verfügung.

Die aktuellen Bestandseinbrüche der Offenlandarten schließen die Bestandseinbußen aufgrund fehlender Brachflächen noch nicht mit ein. Bevor nicht ausgleichende Maßnahmen greifen, die wegfallenden Stilllegungsflächen zu ersetzen, werden die Bestandszahlen dieser Vogelarten weiterhin nach unten rutschen und somit einzelne Arten stark unter Druck geraten, befürchten Naturschützer.

Seit 1999 besitzt die RSPB einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb mit 181 Hektar in der Nähe von Cambridge. Der Betrieb zählt zu den profitabelsten der Region, obwohl sich hier die Bestände der Offenlandarten dem nationalen Trend entgegenstellen. In den Jahren 2000 bis 2007 verdoppelten sich die Zahlen dieser Vogelarten auf der RSPB-Farm, während die Zahlen in der Kulturlandschaft im übrigen Großbritannien um etwa sechs Prozent fielen.

Unter Anwendung der für alle Landwirte gleichermaßen zur Verfügung stehenden Methoden hat die RSPB gezeigt, dass ertragreiche Landwirtschaft bei gleichzeitig steigenden Bestandszahlen von Offenlandarten leicht machbar ist. Die Naturschützer sind gerne bereit, ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit anderen Landwirten zu teilen, um den Gesang der Vögel in die Kulturlandschaft zurückzubringen.

Nach Ansicht von Ariel Brunner, der EU-Landwirtschaftsbeauftragten in der Europaabteilung von BirdLife International, zeigt die Situation in Großbritannien deutlich, wie gänzlich ungeeignet die derzeitige EU-Landwirtschaftspolitik ist, mit der Naturschutzkrise der landwirtschaftlichen Nutzflächen umzugehen. Die Entwicklung naturschutzfreundlicher Techniken in der Landwirtschaft werde nur unzureichend gefördert, während Überintensivierung ungeprüft weiter fortschreite. Leider zeige auch die kürzlich beschlossene Abschaffung der Stilllegungsflächen, dass die EU-Entscheidungsträger nach wie vor wissenschaftliche Beweise ignorierten und stattdessen lieber die althergebrachten Interessen einer Minderheit von Landwirten unterstützten, die sich die meisten EU-Subventionen in die Tasche schieben und den von der Allgemeinheit so dringend benötigten Dienst an der Natur schuldig bleiben.


Quellen:

www.birdlife.org/news/news/2008/11/farmland_birds_declining_UK.html

RSPB u. a. (2008): The State of the UK's Birds.
Der Bericht "The Status of the UK's Birds" ist ein alljährlich von der RSPB in Zusammenarbeit mit zahlreichen staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen herausgegebener Bericht, in dem die Situation der Vögel im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland zusammenfassend dargestellt wird.

Der aktuelle Bericht und Ausgaben früherer Jahre können unter:
www.rspb.org.uk/ourwork/science/sotukb/index.asp heruntergeladen werden.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2009
56. Jahrgang, Januar 2009, S. 25-26
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2009