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VÖGEL/485: Important Bird Areas in Zentralasien (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 3/2009

Eine der letzten Lücken geschlossen: Important Bird Areas in Zentralasien

Von Sergey Sklyarenko, Roman Kashkarov, Eldar Rustamov, Geoff Welch und Michael Brombacher


Zentralasien war lange ein weißer Fleck auf der weltweiten Karte der Important Bird Areas (IBAs) von BirdLife International. Diese Lücke ist nun weitestgehend geschlossen: Ende September 2008 präsentierten die britische Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) und seine Projektpartner in Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan in Buenos Aires auf dem alle vier Jahre stattfindenden Weltkongress aller BirdLife Partner die Ergebnisse ihrer IBA-Bestandsaufnahme. Die länderspezifischen IBA-Bücher sind nicht nur eine gute Planungsgrundlage für die weitere Schutzgebietsentwicklung und Naturschutzplanung in Zentralasien, sondern bringen auch den europäischen Lesern die Bedeutung Zentralasiens für die Avifauna näher. Die Autoren der Publikation geben einen Einblick in diese bei uns so unbekannte Region und ihre Vogelwelt.


Es klingt paradox: Kasachstan gehört zu den trockensten Ländern der Erde, doch inmitten der unendlichen, flachen Steppen im Norden des Landes liegt eines der wichtigsten Feuchtgebiete der Welt, die Tengiz-Korgalzyhner Seen. Die Dimensionen sind gewaltig, gleich in mehrfacher Hinsicht: Die Wasserfläche der Korgalzhyner Seen erstreckt sich auf über 100000 Hektar, durchsetzt von riesigen Schilf- und Riedflächen und Hunderten kleiner Inseln. Die Seen werden vom Fluss Nura gespeist und durchzogen und fließen schließlich in den 160000 Hektar großen und nur wenige Meter tiefen Tengizsee. Hier lässt die Sonne das Wasser verdunsten und macht aus dem Tengiz einen Salzsee, dreimal so groß wie der Bodensee. Auf den Lehminseln des Tengiz haben 14000 Brutpaare des Rosaflamingos ihr weltweit nördlichstes Brutgebiet, auf den Schilfinseln der Korgalzhyner Seen brüten mehr als 400 Paare des Krauskopfpelikans - im August 2002 wurde ein Rastbestand von über 3000 Vögeln gezählt. Im Herbst sammeln sich hier über 5000 Weißkopfruderenten vor dem Weiterzug in den Süden - über 40 Prozent der Weltpopulation! Zur gleichen Zeit rasten im Gebiet bis zu eine halbe Million Odinshühnchen, im Oktober ziehen einzelne Zwerg- und Rothalsgänse durch die Region.

Der Bestand rastender und brütender Wasser- und Watvögel in der weiteren Region, einschließlich der an das IBA angrenzender Seenketten, wird auf mehr als zwei Millionen Individuen geschätzt - von der Bedeutung vergleichbar mit dem Wattenmeer. In den umliegenden Steppen befinden sich individuenstarke Brutvorkommen des Steppenkiebitzes (s. Falke 2008, H. 4). Hier brüten zudem Steppenweihe, Schwarzflügelbrachschwalbe, Steppenadler und Rötelfalke in bedeutenden Zahlen.


Bedrohte europäische Arten noch in großen Beständen

Das IBA Tengiz-Korgalzhyn ist nur eines von 219 IBAs, die in den vergangenen vier Jahren in den zentralasiatischen Ländern Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan beschrieben und nominiert wurden. Das Gebiet ist ein Beispiel für den außerordentlichen naturschutzfachlichen, vor allem vogelkundlichen Wert der Region. Viele in Europa stark bedrohte Arten wie etwa Weißkopfruderente, Uferschnepfe oder Krauskopfpelikan, aber auch Steppenweihe oder Rötelfalke finden sich in Zentralasien noch in individuenreichen Populationen. Für Zwerggans und Rothalsgans ist die Region neben dem Kaukasus das wichtigste Durchzugsgebiet weltweit.

BirdLife International hatte sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2008 die Erfassung aller IBAs weltweit abzuschließen. 2004 erklärte sich die RSPB bereit, im Auftrag von BirdLife die Arbeit in Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan zu unterstützen. Die Partner vor Ort sind die "Association for the Conservation of Biodiversity of Kazakhstan (ACBK)", die "Uzbekistan Society for the Protection of Birds (UzSPB)" sowie das Ministerium für Naturschutz in Turkmenistan. Die drei Länder teilen sich dieselben Lebensräume: vor allem Steppen, Halbwüsten und Wüsten mit dazwischen liegenden riesigen Feuchtgebieten. Für viele Arten liegen sie auf derselben Zugroute und wurden daher im hier beschriebenen Projekt zusammengefasst. Der deutsche BirdLife Partner NABU arbeitet mit Naturschützern in den "Bergländern" Tadschikistan und Kirgisistan zusammen. Die Avifauna dort ist typisch für die zentralasiatischen Hochgebirge - mit einzelnen Arten, deren Verbreitungsgebiete vom indischen Subkontinent, beispielsweise aus dem Himalaya, dort hineinreichen.

Tengiz-Korgalzhyn ist eines der bedeutendsten IBAs, aber auch die anderen 218 ausgewiesenen Gebiete sind von globaler Bedeutung, denn sie wurden anhand der vier von BirdLife International entwickelten Kriterien zur Auswahl von global wichtigen Vogelschutzgebieten (Important Bird Areas) identifiziert:

A1 Global gefährdete Vogelarten
Das Gebiet weist global bedeutende Vorkommen besonders gefährdeter Arten der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN auf. So führten zum Beispiel unter anderem allein bis zu 30 brütende Kragentrappen (Chlamydotis undulata, Status: "vulnerable") zur Nominierung des "Saiga Nature Sanctuary" am Westufer des Aralsees in Usbekistan als IBA.

A3 Lebensgemeinschaften, die typisch sind für in der Region vorkommende Biome
Das Gebiet beherbergt eine bedeutende Zahl von Arten, deren Verbreitung überwiegend auf ein einziges Biom ("Ökozone") beschränkt oder typisch ist. Es finden sich Elemente (etwa Pflanzengesellschaften, Tiere, geomorphologische Formen) dieses Bioms im IBA, das daher keine Vogelartengemeinschaft, sondern ein Lebensraumtyp ist. Ein Beispiel: Im IBA "Big Almaty Gorge" im Süden Kasachstans kommen sowohl mehrere Arten, deren Verbreitung auf das "Sino-Himalayan Forest Biome" beschränkt sind (Tienschanlaubsänger Phylloscopus humei, Schwarzkehlbraunelle Prunella atrogularis) als auch mehrere Arten des "Eurasian high montane - Alpine and Tibetan Biome" (Schneegeier Gyps himalayensis, Himalaja-Königshuhn Tetraogallus himalayensis und Ibisschnabel Ibidorhyncha struthersii) vor.

A4 Vogelansammlungen
Ein Gebiet erfüllt unter anderem Kriterium A4, wenn
- sich dort regelmäßig mehr als ein Prozent des Bestandes einer biogeographischen Population einer Wasservogelart aufhält (A4i) oder
- sich dort regelmäßig mehr als 20000 Wasservögel gleichzeitig aufhalten (A4iii) oder
- regelmäßig Schwellenwerte für Zugvogelarten (in "Flaschenhalsregionen") überstiegen werden (A4iv).

Kriterium A4iii wird in mehr als der Hälfte (110 Gebiete) aller ausgewiesenen IBAs in Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan erfüllt. In 27 IBAs halten sich sogar regelmäßig mehr als 100 000 Wasservögel auf. Herauszuheben ist zum Beispiel das Hazar-Schutzgebiet (IBA "Turkmenbashy Bay") an der turkmenischen Küste des Kaspischen Meeres mit mehr als 680 000 überwinternden Wasservögeln, darunter mehr als 20000 Rosaflamingos und 7000 Weißkopfruderenten. Kriterium A4iv wird in besonderem Maße am "Chokpakpass" im Tienschan-Gebirge in Südkasachstan erfüllt, wo unter anderem bis zu 50 000 Jungfernkraniche (Grus virgo) und über 10 000 Steppenadler pro Jahr druchziehen.

Das Kriterium A2 für Arten mit sehr kleinem Verbreitungsgebiet ("restricted-range species") findet in Zentralasien keine Anwendung, da es keine Art gibt, die dieses Kriterium erfüllt.


219 Vogelschutzgebiete von globaler Bedeutung mit einer Fläche von 20 Millionen Hektar

Die 219 ausgewiesenen IBAs nehmen zusammen eine Fläche von mehr als 20 Millionen Hektar ein - dies entspricht fast der Größe Großbritanniens! Sehr viele der Gebiete (89 von 219) liegen in den Steppen, Halbwüsten und Wüsten der drei Länder. Mit 121 ausgewiesenen IBAs und einer Fläche von 14,9 Millionen Hektar sind in Kasachstan die meisten Gebiete zu finden. 50 IBAs mit einer Gesamtfläche von zwei Millionen Hektar wurden in Usbekistan und 48 (Fläche 3,4 Millionen Hektar) in Turkmenistan beschrieben. Den größten Anteil unter den ausgewiesenen Flächen haben mit mehr als 50 Prozent Feuchtgebiete, dies neben ökologischen auch aus historisch-pragmatischen Gründen: In Zeiten knapper Mittel (nach der Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepubliken) führten viele Ornithologen wenigstens noch Wasservogelzählungen durch. Für logistisch aufwendige Brutvogelerfassungen war in den Flächenländern lange Jahre kein Geld vorhanden. Daher sind die Vogelbestände der Feuchtgebiete der Region relativ gut dokumentiert, für viele IBAs der Bergregionen oder terrestrische Gebiete in den Steppen und Halbwüsten wird dagegen erst ein langjähriges Monitoring ein kompletteres Bild schaffen. Es ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren weitere IBAs nominiert werden.

Dennoch bietet die jetzt publizierte erste IBA-Inventarisierung in Zentralasien eine wertvolle Planungsgrundlage für die Einrichtung neuer sowie für ein besseres Management von bestehenden Schutzgebieten. Die IBAs haben keinen Schutzstatus per se, sondern werden von BirdLife und den nationalen Partnerorganisation als Zielgebiete für Natur- und Artenschutz vorgeschlagen. In Kasachstan sind nur etwa 30 Prozent aller IBAs als Naturschutzgebiete verschiedener Kategorien geschützt, in Usbekistan sind es 44 Prozent und in Turkmenistan sogar nur 24 Prozent.


Bedrohung durch Jagd, Fischerei, Öl- und Gasförderung sowie Pipelinebau

Zu den größten Bedrohungen der Feuchtgebiete zählen häufige Schwankungen im vom Menschen kontrollierten Wasserhaushalt. Gerade die Baumwollanbauländer Usbekistan und Turkmenistan sind von einem weitverzweigten Netz von Bewässerungskanälen durchzogen. Viele Seen und Teiche sind zudem als Jagd- und Fischereigebiete verpachtet und werden stark genutzt. Jagdpächter legen in den meisten Fällen die Abschussqouten selbst fest, und da sie vom Verkauf von Jagdlizenzen leben, führt dieses System zwangsläufig zu einem Raubbau an einzelnen Arten. Gerade Enten- und Gänsejagden sind in den Ländern ein Volkssport, dem auch viele seltene Zugvogelarten wie Zwerggans und Rothalsgans zum Opfer fallen. Wilderei ist auch in Zeiten der wirtschaftlichen Stabilisierung weit verbreitet.

Im Rohstoffreichtum der Region liegt eine weitere Bedrohung vieler IBAs: An den Küstengebieten des Kaspischen Meeres in Kasachstan und Turkmenistan werden riesige Öl- und Gasfelder ausgebeutet. Der Bau von Förderanlagen, aber auch regelmäßig auslaufendes Öl sind eine drastische Bedrohung für die Vogelwelt. Hinzu kommen Störungen durch Öl- und Gaspipelines nach China oder Europa, die bereits gebaut oder geplant werden. In den Ballungsräumen der Großstädte (vor allem in Kasachstan, wo die Wirtschaft vergleichsweise stark boomt) werden ungehemmt Wohnhäuser und Hotels in bestehenden Schutzgebieten oder auf für den Natur- und Artenschutz wichtigen Flächen gebaut.

Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass trotz des erheblichen Aufwandes, der mit der IBA-Inventarisierung in den letzten vier Jahren betrieben wurde, die eigentliche Arbeit jetzt erst beginnt: Zum einen muss der Schutz der IBAs, die bereits als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind, verbessert und zum anderen müssen neue Gebiete als potenzielle Schutzgebiete vorgeschlagen werden. Sind die Flächen als Jagd- oder Fischereigebiet genutzt, soll mit den Besitzern oder Pächtern über ein verbessertes Management verhandelt werden. Die Grundlagen für die weitere Naturschutzplanung sind mit den jetzt vorgestellten Publikationen geschaffen. Jedes Vogelschutzgebiet ist umfassend beschrieben, eine aktuelle Gefährdungsanalyse durchgeführt, und digitalisierte Karten erstellt.

Nach dem Abschluss der Datenaufnahme Ende 2007 trafen sich alle Projektpartner in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat, um weitere Schritte zum Schutz der nominierten Flächen zu planen. Erfolge zeichnen sich bereits in Kasachstan ab. Die ersten Gebiete wurden in den staatlichen Schutzgebiets-Entwicklungsplan aufgenommen und sollen ab 2010 unter besseren Schutz gestellt werden. Usbekistan plant die Einrichtung neuer Schutzgebiete für Wasserflächen in der südlichen Aralsee-Region und will hierfür auf die IBA-Daten zurückgreifen. Für das 270000 ha große Tengiz-Korgalzhyn in Zentralkasachstan haben RSPB und ACBK gemeinsam mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) einen modernen Managementplan entwickelt. Ähnliche Pläne sollen für weitere Gebiete auch in Usbekistan und Turkmenistan erstellt werden. Nach ersten Vorgesprächen mit Regierungsvertretern in den Projektländern scheint es sogar möglich, IBAs als eigene Schutzgebietskategorie in die nationale Naturschutzgesetzgebung aufzunehmen. In Nordkasachstan haben lokale ACBK-Gruppen erste und erfolgversprechende Gespräche mit Fischern und Jägern begonnen, um die für den Artenschutz so wichtigen Pachtflächen besser zu managen.


Mit der IBA-Arbeit sind auch schlagkräftige Naturschutzverbände entstanden

In den drei zentralasiatischen Ländern wurden im Rahmen des IBA-Projektes umfangreiche Weiterbildungsprogramme für einheimische Vogelbeobachter und Naturschützer durchgeführt. Dies hatte eine erfreuliche Professionalisierung der Naturschutzverbände vor Ort zur Folge. Der kasachische Projektpartner ACBK etwa hat sich in dieser kurzen Zeit zum professionellsten Naturschutzverband des Landes entwickelt, der eine Reihe wichtiger Natur- und Artenschutzprojekte umsetzt und ein wichtiger Partner für viele nationale und internationale Organisationen ist. ACBK beschäftigt derzeit 27 Mitarbeiter.

Obwohl die Gründung von Nichtregierungsorganisationen im benachbarten Usbekistan schwierig ist, gelang es den einheimischen Projektmitarbeitern im Jahr 2008 die Usbekische Gesellschaft zum Schutz der Vögel (Uzbekistan Society for the Protection of Birds - UzSPB) zu gründen. Der Verband beschäftigt fünf Mitarbeiter, hat im ersten Jahr seit der Gründung bereits knapp 100 Mitglieder und ist über lokale Gruppen in fünf Landesteilen vertreten.

Beide Organisationen werden für mindestens die nächsten fünf Jahre von der RSPB in ihrer weiteren Arbeit und Entwicklung unterstützt und haben im vergangenen Jahr den Antrag auf BirdLife-Mitgliedschaft gestellt.

Ermöglicht wurde diese Entwicklung auch durch die breit angelegte Nachwuchsarbeit, die im Rahmen des IBA-Projektes begann. In allen zentralasiatischen Ländern fehlt eine ganze Generation gut qualifizierter Vogelkundler, mit dem Ergebnis, dass in den ersten Projektjahren viel weniger Feldexkursionen als geplant durchgeführt wurden - obwohl das Geld dafür vorhanden war. Die Lücken füllten in der Folgezeit Freiwillige aus Europa oder Wissenschaftler aus dem benachbarten Russland. Um diesen dramatischen Nachwuchsmangel zu beheben, wurden im Rahmen des IBA-Projektes an 14 Universitäten der drei Projektländer sogenannte "Birdwatchingclubs" gegründet, die mittlerweile mehr als 250 begeisterte Studenten und auch Absolventen an Ornithologie und praktischen Naturschutz heranführen. Mit Erfolg: Das Monitoring für acht IBAs in Kasachstan und Usbekistan wird bereits von diesen Nachwuchskräften durchgeführt.

Die besten Chancen für einen dauerhaften Schutz haben die eingangs beschriebenen Tengiz-Korgalzhyner Seen. Die UNESCO hat es im Juni 2008 als Teil des 450000 Hektar großen Weltnaturerbe-Gebietes Saryarka (auf Deutsch: "Goldene Steppe") quasi mit einem "Nobelpreis" für eine Naturlandschaft ausgezeichnet (http://whc.unesco.org/en/list/1102). Das IBA befindet sich nur 1,5 Autostunden von der neuen Hauptstadt Astana entfernt und damit unter den Augen der kasachischen Regierung, die sich hoffentlich ihrer Verantwortung für den Schutz dieses außergwöhnlichen Gebietes bewusst ist.


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Anver Rustamov, zu dessen Ehren der "Anver Rustamov Förderpreis für Nachwuchsornithologen in Turkmenistan" vergeben wird, publizierte vor rund 20 Jahren auch in Der Falke: Rustamov, A. K. & O. Sopyew (1990): Vom Aussterben bedroht: Der Mittelasiatische Wüstensperling. Falke 37: 12-15.


Das IBA-Projekt für Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan
wurde von der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) sowie der Darwin Initiative der britischen Regierung gefördert. Für die Durchführung sind die "Association for the Conservation of Biodiversity of Kazakhstan (ACBK)", die "Uzbekistan Society for the Protection of Birds (UzSPB) und das "Turkmenistan IBA Project" am Ministerium für Naturschutz in Turkmenistan verantwortlich. Im Rahmen des BirdLife "Prevent Extinction" Programmes erklärte sich die Firma Swarovski Optik bereit, die Schutzbemühungen für den Steppenkiebitz in seinem gesamten Verbreitungsgebiet zu unterstützen. Die Projektkoordination und die Nachwuchsausbildung förderte das Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM). CIM ist eine Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH und der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Aktuelle Informationen zum IBA-Schutz sowie Downloads der einzelnen Gebietsbeschreibungen mit Karten (in russisch und englisch) sind in Kürze unter www.acbk.kz sowie www.uzspb.uz erhältlich. Die IBA Bücher können unter www.nhbs.com bezogen werden.



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Altyn Dala - Schutzprogramm für Saigaantilope und
Steppenkiebitz

Früher waren die Steppen und Halbwüsten Kasachstans fast so belebt wie die Savannen Afrikas: Hunderttausende Saigaantilopen (Saiga tatarica) zogen vom Süden des Landes in die nördlicheren Sommerweidegebiete. In den Halbwüsten gab es noch den Wildesel Kulan (Equus hemionus) sowie Kropfgazellen (Gazella subgutturosa). Kasachische Ornithologen berichten von "vielen" Mönchsgeiern (Aegypius monachus) die den Saigaherden von den Brutgebieten im nördlichen Tienshan Gebirge in die bis zu 1000 km weiter nördlich gelegenen Steppen Kasachstans folgten.

Heute muss man viele Tausend Kilometer durch die flache und weite, fast menschenleere Landschaft auf holprigen Steppenpisten fahren, um mit viel Glück und auf weite Entfernung eine kleine Gruppe scheuer Saigaantilopen beobachten zu können. Kulane und Kropfgazellen finden sich nur noch innerhalb gut bewachter Schutzgebiete im Süden Kasachstans. Dramatisch war der Rückgang der Saigaantilope in Kasachstan in den 1990er Jahren: Um fast 98% nahm der Bestand ab, nachdem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten - der Staat Kasachstan war nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gerade unabhängig geworden - massiv gewildert wurde: zur Versorgung der eigenen Familie mit Fleisch, aber vor allem auch um das in der chinesischen Heilmedizin unter anderem als Grundlage für Potenzmittel begehrte Geweih der Männchen in das östliche Nachbarland zu verkaufen.

Der Preis für ein Kilogramm Saigahorn lag damals bei 100 bis 200 US Dollar. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von nur 100 US Dollar war die Wilderei ein lukratives Geschäft. Im Jahr 2002 zählten einheimische Wissenschaftler nur rund 21000 Saigas, 1950 waren es noch zwei Millionen!

In Kasachstan sind die großen Steppengebiete der nördlichen Hemisphäre noch vorhanden - ein Ökosystem, das der WWF im Jahr 2000 in einer globalen Analyse zum "am wenigsten geschützten Ökosystem" der Erde erklärte. Große Bereiche der fruchtbaren Böden des nördlichen Steppengürtels wurden auf Geheiß der sowjetischen Regierung in den 1950er Jahren für den Weizenanbau umgepflügt. Da die Anbausysteme nicht an die naturräumlichen Gegebenheiten angepasst waren, fielen die Erträge überwiegend mager aus. Großflächig hat der Steppenwind den freigelegten fruchtbaren Oberboden davongetragen.

Im Jahr 2005 schlossen sich kasachische und internationale Organisationen, darunter die kasachischen Naturschutzbehörden, die Gesellschaft zum Schutz der Biodiversität Kasachstans (ACBK, auch Projektpartner von BirdLife International), die (RSPB), die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) und der WWF International zusammen und initiierten ein großangelegtes Programm zum Schutz von Steppe und Halbwüste, die "Altyn Dala Conservation Initiative" (ADCI). Als Projektgebiet wurde das Verbreitungsgebiet der einst größten Saiga Population "Betpak-Dala" in Zentralkasachstan ausgewiesen.

Um die Saigaantilope vor der illegalen Bejagung zu schützen, patrouillieren neben staatlichen nun auch Anti-Wilderer-Einheiten der Altyn Dala-Initiative im Verbreitungsgebiet der Saigas. Neben Öffentlichkeitsarbeit setzen sich Projektmitarbeiter auch für neue Schutzgebiete und geschützte Korridore für die Wanderungen ein.

Schon nach kurzer Zeit kann ADCI erstaunliche Erfolge vorweisen:

- Voraussichtlich 2010 wird das erste insgesamt 500000 ha große Steppenschutzgebiet von der kasachischen Regierung eingerichtet.

- Ranger und Wissenschaftler von ACBK entdeckten im Frühjahr 2008 während der Wurfzeit die mit 4000 Tieren größte Herde Saigaantilopen des letzten Jahrzehnts. Zeitweise wurde die Herde bewacht.

- 2008 wurde damit begonnen den alljährlichen Zensus der Saigaantilopen zu verbessern um verlässliche Daten über den Bestand zu bekommen.

- Den ADCI-Anti-Wilderer-Einheiten ging im Januar 2009 der erste "dicke Fisch" ins Netz: eine Gruppe von Wilderern, die aus führenden Mitarbeitern des Kupfergiganten Kazakhmys bestand. Der Fall wurde schnell von der nationalen Presse aufgegriffen.

Mit dem Schutz der Saigaantilopen wird auch der Vogelwelt geholfen: Wenn die Steppen wieder beweidet werden und sich Ackerbrachen in naturnahe Steppen zurückentwickeln, vergrößern sich die potenziellen Brutgebiete von Steppenbrütern wie Steppenkiebitz oder Schwarzflügel-Brachschwalbe, und Geier sowie Adler finden wieder mehr Nahrung.

Weitere Information in Kürze unter www.acbk.kz

Die ADCI ist eine Initiative des Ministeriums für Umweltschutz der Republik Kasachstans sowie des Komitees für Forst- und Jagdwirtschaft des Landwirtschaftsministeriums der Republik Kasachstans. Es wird von ACBK umgesetzt und gefördert von der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft und der RSPB.


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Förderpreis soll dramatischen Mangel an Nachwuchsvogelkundlern beheben

Diese Situation trifft man selten an: Im Rahmen der Ausweisung der IBAs in Zentralasien standen in den ersten beiden Projektjahren 2005 und 2006 zwar genügend Fördermittel zu Verfügung, nicht aber genügend erfahrene Vogelkundler für Bestandserfassungen. In den ersten Jahren der Unabhängigkeit Kasachstans, Usbekistans und Turkmenistans mit den darauffolgenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten hat kaum ein angehender Student seine Zukunft in Wissenschaft oder Naturschutz gesehen, sondern sich lieber für die vermeintlich lukrativeren Wirtschaftswissenschaften, Fremdsprachen oder für Jura eingeschrieben. Der Nachwuchsmangel ist dramatisch, eine ganze Generation fehlt. Die Anzahl qualifizierter Vogelkundler lässt sich in Kasachstan an zwei Händen abzählen, in Usbekistan und Turkmenistan ist die Situation noch bedenklicher.

Mit großem finanziellen Aufwand haben sich daher der britische BirdLife Partner Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), unterstützt durch das britische Förderprogramm "Darwin Intitiative", und die BirdLife Projektpartner in Kasachstan, Usbekistan sowie Turkmenistan der Förderung von jungen Vogelkundlern und Nachwuchsnaturschützern verschrieben. Insgesamt 14 sogenannte "Birdwatching Clubs" wurden an Universitäten der drei Länder aus der Taufe gehoben, mit Optik und Bestimmungsliteratur versorgt und für die Studenten ein praxisbezogenes Trainingsprogramm aufgelegt. Innerhalb von nur zwei Jahren wurden somit über 250 Studenten erreicht, die in Usbekistan und Kasachstan bereits das jährliche Monitoring von IBAs durchführen und vor Ort mit den lokalen Naturschutzbehörden, Jägern und Fischern über Managementpläne für die Gebiete verhandeln. Im vergangen Jahr setzten RSPB und die einheimischen Partnerverbände zudem erstmals Förderpreise für junge Nachwuchsforscher aus. Benannt nach führenden Ornithologen der jeweiligen Länder wie etwa Anver Rustamov (Turkmenistan) oder Igor Dolgushin (Kasachstan) soll durch die alljährlich zu vergebenden Preise (z. B. Optik oder hochwertige Literatur) ein weiterer Anreiz geschaffen werden, sich für den Schutz der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt einzusetzen.

Das rasante Wachstum des kasachischen Naturschutzverbandes ACBK beweist, dass sich ein solches Engagement durchaus lohnt: fast jede neue Stelle wird aus dem Pool der Studentenclubs besetzt.


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Hilfe für den Naturschutz in Zentralasien durch online-Beobachtungsdaten

Vor einigen Monaten wurde nun auch der zentralasiatische Teil AviCA der weltweiten Datenbank für Vogelbeobachtungen www.worldbirds.org online freigeschaltet. Die Datenbank nach einem Konzept von Birdlife International und der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) ermöglicht erstmalig in nationalem, regionalem und internationalem Maßstab Daten zur Häufigkeit, Verbreitung und Migration von Vögeln sowie deren Veränderungen im Laufe der Zeit zu sammeln und auszuwerten.

In Citizen Science Manier kann jeder einen Beitrag zum wissenschaftlichen Nutzen von www.worldbirds.org leisten. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eine ganz persönliche Datenbank über Vogelbeobachtungen zu führen. Damit steht jedem Vogelbeobachter kostenfrei ein professionelles Archivierungs- und Analysewerkzeug für persönliche Daten zur Verfügung.

AviCA ist erreichbar entweder zentral über
www.worldbirds.org/centralasia oder für jedes Land separat über:
Kasachstan: www.avica.kz
Usbekistan: www.avica.uz
Turkmenistan: www.avi-ca.org
Kirgisistan: www.worldbirds.org/v3/centralasia.php?c=2
Tadschikistan: www.worldbirds.org/v3/centralasia.php?c=3

Bisher haben sich 49 Benutzer registriert, darunter die führenden Naturschutzorganisationen aus der Region sowie Mitarbeiter umweltrelevanter Projekte und Institutionen. Die Datenbank hält derzeit knapp 1500 Einzelbeobachtungen mit 250 verschiedenen Vogelarten, unter denen sich auch global bedrohte Arten wie Krauskopfpelikan, Weißkopf-Ruderente, Uferschnepfe, Schmutzgeier und Mönchsgeier finden. Fragen zum Thema bitte direkt an queries@avica.uz


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 3/2009
56. Jahrgang, März 2009, S. 89-99
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2009