Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → ARTENSCHUTZ

VÖGEL/977: Zehn Prozent mehr Vogelarten als bislang angenommen (NABU)


Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. - Pressedienst, 24. Juli 2014

Rote Liste zeigt: Zehn Prozent mehr Vogelarten als bislang angenommen

Tschimpke: Wir müssen Arten kennen und retten, ehe es zu spät ist



Berlin/Cambridge - Nach Einschätzungen des NABU-Dachverbands BirdLife International gibt es weltweit 361 mehr Vogelarten als bislang bekannt. Dies geht aus der heute vorgestellten Roten Liste für alle Vogelarten der Erde hervor, die BirdLife im Auftrag der IUCN (International Union for Conservation of Nature) erarbeitet hat. Grundlage ist der erste Teil taxonomischer Untersuchungen, die alle Nichtsperlingsvögel umfasst, also fast die Hälfte aller Vogelarten. Die meisten der Neuzugänge waren bislang nur als Unterarten oder Rassen bekannt. Mithilfe neuer Analysemethoden wurde jedoch klar, dass sie eigenständige Arten sind. So gibt es nun beispielsweise eine zweite Straußen-Art: Den Somali-Strauß hielt man zuvor nur für eine Unterart des Afrikanischen Straußes.

"Besonders besorgniserregend ist, dass ein Viertel der neu beschriebenen Vogelarten direkt auf der Roten Liste landete. Fast 90 bedrohte Vogelarten sind bislang unter dem Radar des Naturschutzes in Richtung Aussterben flogen", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Der neu klassifizierte Somali-Strauß beispielsweise musste - anders als sein Verwandter - direkt als gefährdet eingestuft werden. Durch Jäger und Eiersammler nimmt sein Bestand rapide ab.

"Die Ergebnisse zeigen auch, dass der Schutz der Biodiversität endlich mehr Bedeutung erlangen muss. Wir müssen Arten kennen und schützen, ehe es zu spät für sie ist", forderte Tschimpke. Ein hoher Anteil der neu klassifizierten und vom Aussterben bedrohten Vogelarten lebt in Südostasien. Aufgrund ihrer ausgeprägten Inselwelt ist die Region bekannt für ihre hohe biologische Vielfalt und zahlreiche endemische Arten, die nur hier vorkommen. So verschwinden beispielsweise in Indonesien Lebensräume in atemberaubendem Tempo, etwa durch die wachsende Bevölkerung und Ölpalmplantagen.

Auch in Europa heimische Arten zeigen alarmierende Entwicklungen, so etwa der Bartgeier. Während er sich dank aufwendiger Artenschutzprogramme in Europa langsam erholt, nimmt er in seinem weltweiten Bestand ab. Sein Tod an Stromleitungen, zunehmende Störungen in Gebirgsregionen und vor allem Vergiftungen führen dazu, dass er inzwischen auf die globale Vorwarnliste gerutscht ist. Wie alle anderen Geierarten ernährt sich auch der Bartgeier von Aas. Und dies wird ihm zum Verhängnis: Über verendete Tiere nehmen Bartgeier das entzündungshemmende Medikament mit dem Namen Diclofenac zu sich, das ursprünglich aus der Humanmedizin stammt und seit den neunziger Jahren auch verstärkt bei Nutztieren eingesetzt wird. Nehmen die Geier das Präparat über Aas zu sich, sterben sie an Nierenversagen. Südlich des Himalayas und in Afrika ist das Ausmaß des Geiersterbens besonders dramatisch. Hier sind artenübergreifende Bestandseinbrüche von 60 bis 99 Prozent zu verzeichnen. "Das einstige Millionenheer der Geier ist auf klägliche Reste zusammengeschrumpft. Dabei spielen die Vögel eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Krankheiten", so NABU-Präsident Tschimpke.

Das Ergebnis des zweiten Teils der taxonomischen Untersuchungen wird für kommendes Jahr erwartet. Hierin werden dann auch alle Sperlingsvögel neu bewertet. Die Rote Liste der IUCN wird mindestens alle vier Jahre veröffentlicht. "Die internationale Rote Liste der Vogelarten hilft dabei, einzelne Arten zu identifizieren, die unseren Schutz brauchen. Gleichzeitig lenkt sie auch den Blick auf Schlüsselregionen und -lebensräume, die wir erhalten müssen", sagte Tschimpke. So legen BirdLife und der NABU besonders wichtige Gebiete für den Vogelschutz fest, sogenannte "Important Bird and Biodiversity Areas" (IBAs). In der Europäischen Union dienen diese Regionen unter anderem als Vorlage für die Europäischen Vogelschutzgebiete im Natura-2000-Netzwerk.

*

Quelle:
NABU Pressedienst Nr. 86/2014, 24.07.2014
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Pressestelle
Charitéstraße 3, 10117 Berlin
Tel.: 030/284 984-1510, -1520, Fax: 030/284 984-84
E-Mail: presse@NABU.de
Internet: www.NABU.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2014