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GEFAHR/027: Brandsatz Fukushima - staatlich hintergangen ... (SB)


Grafische Darstellung der Strahlenausbreitung von Fukushima im gesamten Pazifischen Ozean, hinterlegt mit dem Symbol für Radioaktivität und der Überschrift: 'Noch 10 Jahre?' - Grafik: © 2013 by Schattenblick

Brandsatz Fukushima
Grafik: © 2013 by Schattenblick

Rund sieben Kilometer in nordwestlicher Richtung vom zerstörten Akw Fukushima Daiichi entfernt ist am 29. April ein Waldbrand ausgebrochen. Starke Winde haben das Feuer auch in den darauffolgenden Tagen weiter angetrieben. Nach Präfekturangaben ist eine Fläche von ca. 20 Hektar in einer schwer zugänglichen Region am 448 Meter hohen Berg Juman betroffen. Das Gebiet ist wegen der hohen Strahlenbelastung als "difficult-to-return zone" ausgewiesen. Das heißt, die Gegend ist im Prinzip für die Öffentlichkeit gesperrt; laut spreadnews.de gilt sie als "langfristig unbewohnbar". [1]

Von März bis Mai ist nahezu die einzige Jahreszeit, in der in dieser Region Waldbrände auftreten; die übrigen Monate sind niederschlagsreicher. Am Samstag waren hier heftige Gewitter mit Blitzschlag aufgetreten. Daher wird vermutet, daß die Waldbrände eine natürliche Ursache haben. Die Feuer wurden immer wieder von teils starken Winden angefacht. Deshalb sah sich die Feuerwehr von Futaba - einer größeren Stadt, die ebenfalls evakuiert worden war - genötigt, Bodentruppen der Selbstverteidigungsstreitkräfte (GSDF) zur Unterstützung der Löscharbeiten anzufordern. Zwischenzeitlich waren bis zu acht Hubschrauber aus drei Präfekturen und der Armee im Einsatz, die Wasser aus dem nahen Meer aufnahmen und es über den Bergen abwarfen.

Im Zentrum der nahegelegenen Kleinstadt Namie, die in den am stärksten verstrahlten Gebieten der Präfektur Fukushima liegt, und auf anderen Flächen nahe der Waldbrände sind laut dem Umweltministerium bislang "keine größeren Veränderungen des Strahlungsniveaus" gemessen worden, berichtete die Tageszeitung "Mainichi Shimbun". Man werde weiterhin Veränderungen der Strahlendosen in der Umgebung genau beobachten, so ein Offizieller. [2]

Was heißt "größere"? Muß man auch hier wieder zwischen den Zeilen lesen, wie so oft bei Verlautbarungen der Behörden oder Tepcos, des Betreibers des Akw Fukushima Daiichi? Was die obige Aussage bedeutet, bleibt jedenfalls unklar. In der Formulierung "keine größeren Veränderungen" verbirgt sich eine bloße Einschätzung der Behörden, die ein Interesse daran haben, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Zumal die Rückkehr der Evakuierten sehr zäh verläuft und die von der Regierung unterstellte Normalität eine Täuschung ist. Ob also die von der Strahlung potentiell am ehesten betroffene Bevölkerung jene "Veränderungen" genauso als gering einschätzt wie das Umweltministerium, ist fraglich.

Namie gehört zu jenen drei evakuierten Städten bzw. Stadtteilen, in die die Einwohner seit Anfang April wieder zurückkehren dürfen. Dennoch bleiben einige Stadtgebiete weiterhin gesperrt, weil dort die Verstrahlungsgefahr zu groß ist. Daß aber der Wind jederzeit radioaktive Partikel aus den verstrahlten auch in die - mutmaßlich - dekontaminierten Gebiete tragen kann, es also zu einer erneuten Kontamination kommt, wird von der Regierung geflissentlich ignoriert. Nicht jedoch offenbar von den meisten ehemaligen Bewohnern. Laut einer Umfrage vom 24. April haben 78,2 Prozent der 22.100 Evakuierten aus den freigegebenen Gebieten von Namie, Iitate und dem Kawamata-Stadtteil Yamakiya nicht die Absicht, in ihre alte Heimat zurückzukehren. [3]

Beim Ausbruch von Waldbränden gelangen radioaktive Partikel wie Cäsium-137, Strontium-90 und Plutonium aus dem Fallout erneut in die Atmosphäre und werden mit dem Wind davongetragen. Je nach Windrichtung und -stärke könnten die Partikel sogar dicht besiedelte Regionen wie Tokio erreichen, vergleichbar mit den Tagen nach Beginn der dreifachen Kernschmelze im Akw Fukushima Daiichi am 11. März 2011. Es war damals lediglich dem Umstand zu verdanken, daß der Wind gedreht hat und der gut 200 Kilometer im Süden der Präfektur Fukushima gelegene Großraum Tokio nicht den vollen Fallout abbekommen hat, sondern dieser schließlich in der Präfektur Fukushima und vor allem über dem Pazifik niedergegangen ist. Videoaufnahmen der aktuellen Waldbrände, die Mainishi Shimbun gezeigt hat, lassen darauf schließen, daß die Rauchfahnen des Waldbrands eine tendenziell nördliche Richtung einnehmen.

Der Ausbruch der Waldbrände in einem hochverstrahlten, nicht im geringsten dekontaminierten Gebiet bedeutet, daß sechs Jahre nach Beginn der Fukushima-Krise erneut radioaktiver Fallout über Japan niedergeht. Die Einwohner von Namie und anderen Siedlungen in der Nähe des Waldbrandes jedenfalls befinden sich in potentieller Gefahr. Eine erneute Evakuierung wäre geboten, wird aber von der Administration offenbar nicht einmal in Erwägung gezogen und auch nicht in den Medien gefordert. Dabei ist klar, das die Aufnahme auch nur eines einzigen radioaktiven Partikels in den Körper das Risiko beispielsweise einer Krebserkrankung erhöht. Es ist jedoch bis auf wenige Ausnahmen nahezu aussichtslos, Jahre nach einer Kontamination den Nachweis zu erbringen, daß eine Krankheit ursächliche Folge einer Verstrahlung ist.


Fußnoten:

[1] http://www.spreadnews.de/fukushima-aktuell-waldbraende-im-akw-sperrgebiet/1152689/

[2] https://mainichi.jp/english/articles/20170501/p2a/00m/0na/003000c

[3] https://www.rt.com/news/386662-fukushima-forest-fires-soldiers/

2. Mai 2017


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