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GEFAHR/034: Brandsatz Fukushima - Meeresentsorgung ... (SB)



Grafische Darstellung der Strahlenausbreitung von Fukushima im gesamten Pazifischen Ozean, hinterlegt mit dem Symbol für Radioaktivität und der Überschrift: 'Noch 10 Jahre?' - Grafik: © 2013 by Schattenblick

Brandsatz Fukushima
Grafik: © 2013 by Schattenblick

Der Atomkonzern TEPCO hat laut Reuters zugegeben, daß, entgegen seinen früheren Behauptungen, ein erheblicher Teil des auf dem Gelände des Akw Fukushima Daiichi in Tanks gelagerten Wassers über die zulässigen Grenzwerte hinaus kontaminiert ist. Demnach hat die als Wundermaschine gepriesene Dekontaminationsanlage ALPS, die angeblich viele Dutzend verschiedene radioaktive Elemente gleichzeitig aus dem Wasser entfernen kann, nur unzureichend funktioniert. Ein TEPCO-Sprecher hat sich für das Versagen entschuldigt und angekündigt, man werde das Wasser noch einmal durch die Anlage laufen lassen, bevor man es - falls das genehmigt wird - ins Meer abläßt.

Um die Bemühungen, die Nuklearkatastrophe in den Griff zu bekommen, ist es in den Medien inzwischen ziemlich still geworden. Gleichzeitig hat die japanische Regierung Betriebsgenehmigungen für weitere Meiler erteilt, die aufgrund des dreifachen GAUs im März 2011 im Akw Fukushima Daiichi abgeschaltet worden waren. Japans Premierminister Shinzo Abo hatte zwar behauptet, man habe bei dem havarierten Akw alles im Griff, weil er die Olympischen Sommerspiele 2020 in sein Land holen wollte, aber, politikerschlau wie er ist, hat er nicht dazu gesagt, in wessen Griff sich das Akw befindet. So bleibt also sieben Jahre nach Beginn der Dauerkatastrophe und dem zigfach nach immer gleichem Schema ablaufenden Entschuldigungen für diese oder jene Untertreibung, wenn nicht gar Lüge festzustellen, daß sich der Nuklearkomplex weiterhin nicht im Griff der Betreibergesellschaft, sondern der vielen Folgeschäden der dreifachen Kernschmelze befindet.

Ein Erdbeben und dann ein Tsunami hatten das Akw Fukushima Daiichi am 11. März 2011 schwer getroffen. In drei von sechs Meilern setzte eine unkontrollierte nukleare Kettenreaktion ein, einige Stunden später gefolgt von Wasserstoffexplosionen. Ein Abklingbecken für Brennelemente bei einem vierten Meiler geriet in Schieflage und es brach ein Feuer aus, bei dem radioaktive Partikel freigesetzt wurden. Über Jahre hinweg flossen jeden Tag Hunderte Tonnen teils stark radioaktiv kontaminiertes Grundwasser ins Meer. Darüber hinaus müssen die havarierten Meiler ständig gekühlt werden.

Das mit Radionukliden befrachtete Kühlwasser und Teile des verseuchten Grundwassers werden abgepumpt und in Tanks auf dem Gelände gelagert. Inzwischen reicht der Platz nicht mehr, um weitere Tanks zu errichten. TEPCO hat stets behauptet, mittels seiner leistungsfähigen Dekontaminationsanlage ALPS 62 verschiedene radioaktive Isotope aus dem Wasser herausfiltern zu können. Lediglich bei Tritium gelänge das nicht, aber das stelle kein Problem dar, denn Tritium käme auch natürlicherseits im Wasser vor. Deshalb habe man geplant, den Inhalt der Tanks ins Meer abzulassen.

Davon wollen die örtlichen Fischer nichts wissen, sie fürchten um ihren Ruf. Zu recht, wie sich herausgestellt hat. Die Entschuldigung des TEPCO-Sprechers am 1. Oktober vor einem Ausschuß des Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie muß in den Ohren der Fischer zynisch klingen, nachdem doch das Unternehmen jahrelang erklärt hatte, ALPS funktioniere zuverlässig. Wie Reuters berichtete, geht aus Regierungsdokumenten hervor, daß auf dem Gelände des Akw Fukushima Daiichi 890.000 Tonnen Wasser gelagert werden. Davon sind 750.000 Tonnen bzw. 84 Prozent stärker radioaktiv belastet als vom Gesetzgeber erlaubt. Obwohl das Wasser angeblich dekontaminiert wurde, weisen 65.000 Tonnen eine mehr als das Hundertfache über dem Grenzwert liegende Strahlenbelastung auf. In einigen Tanks hat das "Knochenbrecher" genannte Strontium-90 eine Radioaktivität von 600.000 Becquerel pro Liter - das ist 20.000mal über dem Grenzwert.

Die Nachrichtenagentur AP weiß zu berichten, daß TEPCOs Generalmanager Junichi Matsumoto eine Erklärung für das Versagen der Dekontaminationsanlage hat: Besonders zu Beginn der Krise hätten die Arbeiter so sehr unter Zeitdruck gestanden, um die Unmengen an kontaminierten Wasser zu bewältigen, daß sie keine Zeit gehabt hatten, die Anlage anzuhalten und die Filter zu wechseln. "Wir mußten Prioritäten setzen, große Mengen an Wasser so schnell wie möglich zu behandeln, um das Gesamtrisiko zu senken", so Matsumoto [2].

Das erklärt natürlich alles. Deshalb hatte TEPCO partout keine Zeit gehabt, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, daß das mutmaßlich gereinigte Wasser noch jede Menge radioaktives Cäsium, Strontium, Jod, Tritium enthält ...


Fußnoten:


[1] tinyurl.com/yd2rzcor

[2] tinyurl.com/yc5568da


18. Oktober 2018


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