Klimacamp 2013 - Besetzung der Hambachbahn
von Hubert Perschke, 1. September 2013
Im Rahmen des Klimacamps, das z. Zt. in Manheim stattfindet, besetzten am 31.08.2013 mindestens 150 Personen die Gleise der Hambachbahn. Diese Bahnstrecke hat für die Aktivist*innen symbolischen Wert, da auf ihr die meiste Braunkohle des rheinischen Braunkohlereviers befördert wird. Täglich werden im Rheinischen Revier 195.000 - 220.000 t Kohle auf Kohlebahnen transportiert. Der Transport findet in offenen Waggons statt, wodurch eine sehr hohe gesundheitsschädliche Feinstaubbelastung für die Region entsteht. Die transportierte Kohle wird in den Großkraftwerken im Rheinland verstromt. Dabei entsteht pro Tonne Kohle eine Tonne CO2.
Fotos: © 2013 by Herbert Sauerwein
"Jede Tonne Kohle, die heute nicht transportiert wurde, ist eine Tonne CO2 weniger, die in der Atmosphäre landet. Die Propaganda der Kohlelobby, dass Braunkohleverstromung ausgerechnet für das Gelingen der Energiewende nötig wäre, kann uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier gerade für die Profite Weniger die Zukunft von Vielen auf's Spiel gesetzt wird. Wir werden weiterhin für eine wirkliche Energiewende kämpfen. Diese kann nur von unten, dezentral und außerhalb der Kategorien der Wertvermehrung stattfinden", sagt Bernd, ein Klimaaktivist.
Fotos: © 2013 by Herbert Sauerwein
Ein Großaufgebot an Polizei wurde benötigt, um die besetzen Gleise zu räumen. Die wenigsten Besetzer*innen gingen freiwillig und wurden von der Polizei mit Gewalt von den Schienen geholt. Jeder / jede entschied für sich selbst, ob er oder sie freiwillig gehen wollte, von den Schienen getragen werden musste, oder so mit den weiteren Besetzer*innen verflochten war, dass die Polizei die Personen nur unter Anwendung von Gewalt entflechten konnte. Dabei wurden Schmerzgriffe, Hebel usw. eingesetzt. Soweit die Besetzer*innen sich passiv verhielten, war ihr Transport aus dem Bereich der Gleise für die Polizei kompliziert und kraftaufwendig. Eine steile Böschung musste erklommen werden, um die Besetzer*innen in Gewahrsam nehmen zu können. Gegen einige der Besetzer*innen wurde eine Anzeige wegen "Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte" erstattet. Nach meinen Beobachtungen war im Einzelfall der Widerstand eher als Reaktion auf den schmerzhaften Einsatz der Polizeikräfte zu werten.
Die Räumung der Blockade wurde in einer Zusammenarbeit von RWE-Funktionären, Werkschutz und Polizei koordiniert. Im Anschluss an die Feststellung der Personalien wurden die Besetzer*innen in Bussen von RWE zum Klimacamp nach Manheim transportiert. Die Schienenblockade ist ein Teil einer Vielzahl von Aktionen gegen RWE Power. Bereits am Vortag waren die Parteizentrale der Grünen in Düsseldorf und das RWE Kundencenter in Düren besetzt. In Manheim hatten die Klimacamper einen symbolischen Gemüsegarten für die Bevölkerung angelegt. Parallel zur Schienenblockade wurden in Manheim an mehreren leerstehenden Häusern Transparente aufgehängt.
Fotos: © 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke
"Dialog braucht Respekt" heißt der Titel des RWE-Nachbarschaftsmagazins, das aktuell an alle Haushalte in der Region verteilt wurde. Darin wird mit Horror-Comics auf "lebensgefährliche Angriffe" mit Steinen auf die Züge der Hambachbahn verwiesen, mit denen die Klimaschützer in Verbindung gebracht werden. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Attacken stattgefunden haben sollen, haben sie sich allerdings nicht in Manheim befunden.(*) Um diese Pauschalverurteilung zu durchbrechen, hatte die Bürgerinitiative "Buirer für Buir" aus einem Nachbardorf von Manheim RWE Power empfohlen, respektvoll auf die Teilnehmer*innen des Klimacamps zuzugehen und im Klimacamp den Dialog zu suchen. Das hat RWE Power unterlassen und versucht stattdessen, die Bevölkerung gegen die Klimaaktivist*innen aufzuwiegeln. Dieses Vorgehen ist als üble Propaganda zu bezeichnen.
Fotos: © 2013 by Herbert Sauerwein
Das diesjährige Klimacamp in Manheim mit mehr als 300 Teilnehmer*innen mit Menschen aus allen Teilen Deutschlands und aus dem Ausland zeigt RWE und den Lokal- und Landespolitikern, dass die Bewegung wächst. Aber es kann bezweifelt werden, dass weder die Politik noch RWE Power mit den Aktivist*innen den Dialog suchen. RWE Power wird diese Aktionen nutzen, um die Kriminalisierung der Klimaaktivist*innen weiterhin zu schüren.
Die Manheimer Bevölkerung, wie auch die Menschen im Umland, können mit den Aktionen wenig anfangen. Die Klimafrage als eine globale Frage ist nicht in ihrem Bewusstsein. "Ja aber, irgendwoher muss die Energie doch kommen", ist eine typische Antwort. Die arbeitsmäßige Verwurzelung mit RWE ist einfach überall zu spüren.
Die Manheimer, auch die, die bisher das Klimacamp unterstützen, werden sich voraussichtlich von einem weiteren Camp distanzieren. Mit der Besetzung der Häuser haben die Aktivist*innen in das Heimatgefühl der Menschen eingegriffen. Die Häuser stehen zwar leer, aber im Bewusstsein der Manheimer sind es ihre Häuser und auch, wenn sie umgesiedelt werden, möchten sie dieses Heimatgefühl bis zum Schluss konservieren.
Anmerkung:
(*) http://www.rwe.com/web/cms/mediablob/de/2043600/data/496148/1/rwe-power-ag/nachbarschaft/jetzt-lesen.pdf
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Quelle:
Text: © 2013 by Hubert Perschke, Kerpen
Fotos: © 2013 Herbert Sauerwein oder Hubert Perschke
mit freundlicher Genehmigung von Hubert Perschke und Herbert Sauerwein
veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2013