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KOHLEALARM/352: Der Protest steht in Pedalen - nicht nur regional desaströs ... (SB)


Lausitzcamptour - Tag 3, 24. Mai 2017


Warum sich ein Leipziger für den Braunkohlewiderstand in der Lausitz engagiert ...

Welche Gründe kann es geben, den Braunkohlekampf in der Lausitz nicht als etwas zu betrachten, das nur die Menschen vor Ort betrifft und die Aktivisten des Lausitzcamps zu unterstützen? Im Gespräch mit Radio F.R.E.I. [1] meinte ein Mitglied des Lausitzcamp-Organisationsteams, es handle sich nur im ersten Anschein um ein vorwiegend lokales Problem. Dörfer in Nordbrandenburg und Südsachsen in der Lausitz seien heute noch von der Abbaggerung bedroht und zahlreiche lokale Initiativen schon seit vielen Jahren gegen die Braunkohleplanung der beiden Bundesländer sowie den Konzern aktiv, der dort Kohle abbaut. Aber der Ausstoß von Klimagasen und anderen Schadstoffen sei ein Thema, das überregional auch andere Menschen betreffe. Gerade das Klimathema sei ein globales Problem, bei dem man lokal ansetzen müsse. Viele CO2-Emissionen könne Deutschland dort einsparen. So sei er eben auch dazu gekommen, sich als Leipziger in der Lausitz zu engagieren.

Das Lausitzcamp fand zum ersten Mal 2011 in Jänischwalde statt, gewissermaßen als Auftakt, um mit einer anderen Protest- oder Aktionsform gegen die Förderung und Verstromung von Braunkohle aktiv zu werden und das Problem öffentlich zu machen. Sechsmal organisierte man es an einem festen Ort, im vergangenen Jahr in einer öffentlichkeitswirksamen Großaktion gemeinsam mit "Ende Gelände". Diesmal wollte man ein anderes Format ausprobieren und die Möglichkeit nutzen, wie Nomaden mit Zelt und Rad die verschiedenen betroffenen Orte in der Lausitz zu besuchen, sie miteinander zu verbinden und die unterschiedlichen Perspektiven dort vor Ort zu erfassen. Wer möchte, kann jederzeit noch dazustoßen und auch eine kurze Strecke von einem Ort zum anderen mitfahren.


Mit den Rädern auf der Straße, Fahne 'Lausitzcamp On Tour' - Foto: © by Lausitzcamp Klima- und Energiecamp

Foto: © by Lausitzcamp Klima- und Energiecamp

Etwa 50 Menschen beteiligen sich zur Zeit an der Tour. Der Vorbereitungskreis hat die Übernachtungen geplant, an jeder Station gibt es einen lokalen Ansprechpartner, der eine Wiese zur Verfügung stellt oder ein Stückchen Land hinter dem Gemeindehaus, wo gezeltet werden kann.

Für die Tage gelten Eckdaten wie: 08:00 Beginn Frühstück, 09:30 Plenum für Tagesplanung, 10:00 Aufbruch zur Tagestour, Mittagessen: Lunchpakete, 18:00 Ankunft am Ziel + Zeltaufbau, 18:30 Abendessen (warm). Neben der Bewältigung der täglichen Fahrstrecke hält man sich offen für kreative Aktionsformen zum Thema an markanten Orten. Für jeden Abend, ca. 20.00 Uhr, ist ein kleiner Kulturpunkt geplant wie ein Kinofilm oder eine Diskussionsrunde.

Mit dabei ist die "Fläming Kitchen" als mobile Feldküche mit einem Kochwagen. Auch in diesem Jahr funktioniert die Finanzierung der ganzen Aktion in solidarischer Form, das heißt auf Spendenbasis und nach dem Grundprinzip, die Teilnahme für alle Menschen offenzuhalten.


Küchenzelt mit Zeitenschild - Foto: © by Lausitzcamp Klima- und Energiecamp

Fläming Kitchen, Lausitzcamp 2016
Foto: © by Lausitzcamp Klima- und Energiecamp

Raute


Der 3. Tag der Tour sollte von Schleife in Sachsen nach Gosda in Brandenburg führen. Gosda, ein Ortsteil der Gemeinde Wiesengrund im Landkreis Spree-Neiße, wurde im Jahr 1980 zum Teil abgebaggert (Tagebau Jänschwalde), 50 Menschen umgesiedelt. Auf dem Plan für den Weg stand ein Besuch der Lebensgemeinschaft "Eine Spinnerei" mit "Postwachstumsansatz":

Auch ist für uns der westliche, konsumorientierte Lebensstil nicht verantwortbar: Er zerstört weltweit in immer schnellerem Ausmaß die Grundlagen folgender Generationen für ein lebenswertes Leben. In unserer Region führt dies in beispielhafter Weise der Braunkohleabbau vor Augen, der den Trinkwasserhaushalt einer gesamten Region für unabsehbare Zeit zerstört. [...] Für das Lebensprojekt "Spinnerei" folgen aus dieser Situation einige Leitgedanken, die wir tagtäglich versuchen, unser Handeln bestimmen zu lassen:
• respektvoll und verantwortungsvoll mit anderen Menschen und Anvertrautem umzugehen. Das bedeutet auch: niemandem zu schaden (ob hier vor Ort, auf der anderen Seite des Globus, jetzt oder in Zukunft...),
• die Welt in unserem Einflussbereich der nächsten Generation möglichst besser zu hinterlassen,
• den Rahmen so zu stecken, dass wir sinnvolles und freudvolles Arbeiten ermöglichen und • anderen Menschen durch unser Beispiel Alternativen deutlich zu machen.[2]

Seit 2011 existiert dieses Projekt, die Beteiligten engagieren sich neben anderen Aktivitäten als direkt Betroffene auch im Braunkohlewiderstand. Nicht ohne heftige Reaktionen von Seiten der Gemeinde und von Menschen, die für den Erhalt der Tagebaue kämpfen, weil ihr Lebensunterhalt davon abhängt und der Abbau der Braunkohle als selbstverständliche und vielleicht identitätsstiftende Tradition empfunden wird. Noch immer ist die Braunkohle-Industrie der größte Arbeitgeber der Region. Für die Beteiligten der Tour ist es möglicherweise eine Gelegenheit, den Konflikt noch einmal aus einer anderen Perspektive zu beleuchten.


Von René Mettke - Eigenes Werk (own photo), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4612548

Zusammenfluss von Großer und Kleiner Spree in Spreewitz, erstellt am 14. August 2008: Das Wasser der stark eisenhaltigen Kleinen Spree hebt sich deutlich ab.
Von René Mettke - Eigenes Werk (own photo), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4612548

Mittagspause hielt man an der verockerten Spree, kurz vor der Talsperre Spremberg, verknüpft mit einem Vortrag über die Ursachen und Folgen der Tagebaue. Dann ging's an der Talsperre vorbei Richtung Gosda.


Ufer: eisenbrauner Boden und braunes Wasser, mit einigen abgebrochenen, braunen Zweige und Laub - By Julian Nitzsche (Own work) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

Die "braune Spree" in Spremberg
By Julian Nitzsche (Own work) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

"Chasing Ice - Das Ende des Ewigen Eises", der Film, der am Abend zum Thema gezeigt wurde, dokumentiert auf sehr eindrückliche Weise die Folgen der Erderwärmung: Der Forscher und Naturfotograf James Balog war ursprünglich eher ein Klimaskeptiker, zumindest hielt er die Warnungen vor einen Klimawandel für sehr übertrieben - etwas, auf das nur Wissenschaftler an der lebensfernen Universität kommen... Für seine Langzeitstudie EIS (Extreme Ice Survey) arbeitete er mit speziell dafür entwickelten Zeitrafferkameras und hielt ab 2005 über mehrere Jahre hinweg das Schmelzen der Gletscher in der Arktis fest. Der Film erschien im Jahr 2012 und zeigt Klimaänderungen, die auch der Skeptiker nicht mehr ignorieren konnte.


[1] Radio F.R.E.I., Erfurt im www, 10.05.2017 - www.freie-radios.net/82906

[2] http://www.eine-spinnerei.de/philosophie


25. Mai 2017


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