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AKTION/075: Elbvertiefung - Unseriös, unwirtschaftlich und ökologisch verheerend! (NABU HH)


NABU Landesverband Hamburg - 19. März 2009

Unseriös, unwirtschaftlich und ökologisch verheerend

Umweltverbände und Bürgerinitiativen protestieren gegen Elbvertiefungspläne und halten Planung für nicht genehmigungsfähig


"Keine Elbvertiefung - Wir wehren uns", "Freie und Baggerstadt Hamburg. Elbvertiefung = Naturzerstörung" oder "Wir wollen unseren Fluss nicht dem Hafen opfern" und "Ich bin ein TEU, betet mich an", steht auf den Transparenten. Hinter einem Schild "Letzter Stint vor der Elbvertiefung" bruzzeln knusprige Stinte. Zahlreiche Verbände und Bürgerinitiativen von Hamburg bis Cuxhaven haben sich am Donnerstag vor dem CCH eingefunden, um gegen die Pläne des Hamburger Senats und des Bundesverkehrsministeriums zu protestieren, die Elbe auf bis zu 19 Meter zu vertiefen.

Zu Beginn der Erörterung für das heftig umstrittene Projekt betonten die Umweltverbände NABU und BUND, WWF, Rettet die Elbe und das "Regionale Bündnis gegen Elbvertiefung" ihre Entschlossenheit, wesentliche Schwachpunkte im Genehmigungsverfahren aufzudecken und die Elbvertiefung notfalls gerichtlich zu verhindern. Angesichts des massiven Widerstands der Bevölkerung forderten die Verbände den Hamburger Senat auf, den Genehmigungsantrag zurückzuziehen. Nach der Auslegung der kompletten Planunterlagen im Jahr 2007 und einer ergänzenden Auslegung im November 2008 liegen den Planfeststellungsbehörden insgesamt über 7.000 qualifizierte Einwendungen vor.

Die Verbände lehnen die erneute Vertiefung der Tideelbe ab. Grundsätzlich kritisieren sie, dass das Verfahren nicht ergebnisoffen sei, weil Antragstellung, Planung, die Anhörung und die Genehmigung in der Hand einer einzigen Behörde, der Behörde für Wirtschaft und Arbeit liegen.

Die Maßnahme selbst würde den Fluss endgültig aus seinem natürlichen Gleichgewicht bringen. Die Elbe müsse stattdessen wieder ein stabiler Lebensraum für die dort lebende Flora und Fauna und die Menschen werden. Eine weitere Elbvertiefung würde die bereits jetzt dramatische Sauerstoffsituation weiter verschärfen und den "Elbbewohnern die letzte Luft zum Atmen rauben". Die Umweltverbände betonen, dass schon die letzte Vertiefung die Natur mit unübersehbaren Folgen massiv beeinträchtigt habe. Die aktuellen Pläne führten zur Vernichtung wertvoller Lebensräume für Vögel. Die Elbe mit ihren unersetzlichen Flachwasserbereichen, Uferzonen und den angrenzenden Marschgebieten müsse jedoch auch weiterhin eines der bedeutsamsten Rastgebiete für seltene Vögel bleiben. Mit einer erneuten Vertiefung verkäme die Elbe zum Industriekanal und die gesamte Region mit ihren Nebenflüssen und Marschen verlöre weiter an Wert. Die Verbände halten weitere Schädigungen der europäischen Schutzgebiete an der Elbe schlicht für nicht zulässig!

Alle Beteiligten haben sich in den vergangenen Monaten intensiv mit den Planunterlagen beschäftigt und kommen zu dem Schluss, dass die gravierenden Mängel im Rahmen der Neuauslegung nicht behoben wurden. So sei die Datenlage für die Bedarfsbegründung und die Kosten-Nutzen- Untersuchung zum Teil fast zehn Jahre alt. "Aktuelle tiefgangsrelevante Erkenntnisse im realen Containerschiffsverkehr werden schlicht ignoriert", so die Kritiker. Aus ihrer Sicht sind der Ausbau aller drei Hafenstandorte Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven sowie die Vertiefung von Weser und Elbe für den Verkehr voll beladener großer Containerschiffe auch bei Niedrigwasser nicht zu vertreten. Über eine intelligente Arbeitsteilung der Häfen ließen sich auch ohne die 400 Millionen teure Elbvertiefung weitere Steigerungsraten des Containeraufkommens problemlos und deutlich preiswerter organisieren und zudem sogar ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit fördern.

Ein gravierender Mangel der Planunterlagen sei, dass kumulative Wirkungen des Projekts nicht berücksichtigt oder verharmlost werden. "Die Elbvertiefung und zusätzlich bis zu sieben Kraftwerke mit enormer Kühlwasserentnahme an der Elbe vertragen sich nicht mit den Vorgaben des Naturschutz- und des Wasserrechts wie etwa der EU-Wasserrahmenrichtlinie", kritisieren die Verbände. Die Hochwasserprognosen seien verharmlosend falsch und der nach aktuellen Erkenntnissen zu erwartende Meeresspiegelanstieg sei gar nicht berücksichtigt. Außerdem seien die Wirkung der Schiffswellen auf die Ufer und Schutzbauwerke systematisch verniedlicht und die zusätzlich notwendigen Verbesserungen der Hinterlandanbindungen überhaupt nicht berücksichtigt worden.

Für die Vertiefungsgegner an der gesamten Unterelbe ist es erwiesen, dass die geplante Ausbaggerung den Tidenhub des Flusses und die Strömungsgeschwindigkeit zwischen Cuxhaven und Hamburg erneut erhöhen würde. Außerdem würde die bereits in den letzten Jahren kaum noch zu bewältigende Unterhaltungsbaggerung weiter zunehmen. Um die bereits jetzt problematische Situation zu verbessern, hat die Hamburg Port Authority (HPA) im Rahmen ihres Tidemanagement-Konzepts ökologisch wertvolle Rückdeichungen auf Hamburger Gebiet angekündigt. Die geplante Elbvertiefung würde dieses sinnvolle Projekt konterkarieren.

Völlig unzureichend sind aus Sicht der Verbände die Aussagen zu den notwendigen Kompensationsmaßnahmen in den Planunterlagen: "Es wurde zwar ein flächenbezogener Kompensationsbedarf von immerhin 600 Hektar festgestellt, jedoch nicht aufgezeigt, mit welchen konkreten Maßnahmen der Eingriff in die Elbe realistisch ausgeglichen werden solle. Die Mindestanforderungen des Fachplanungsrechtes" werden in vielen Punkten nicht erfüllt, so das Resümee der Verbände.

Offensichtlich gehe es bei der Elbvertiefung längst nicht mehr um eine notwendige Infrastrukturmaßnahme, sondern darum, vor den Reedern das Gesicht nicht zu verlieren und das mittlerweile auf bis zu 400 Mio. Euro geschätzte Projekt um jeden Preis durchzudrücken. Angesichts der aktuellen "Flaute" in der Containerschifffahrt und im Hamburger Hafen solle die Weltwirtschaftskrise zu einer Neubewertung des veralteten Großprojekts genutzt und das laufende Planfeststellungsverfahren so lange ausgesetzt werden. Ansonsten drohe ein Verbrechen an der Umwelt und den nachkommenden Generationen.

Die fachlichen Stellungnahmen von Verbänden und Behörden finden Sie unter
http://bund-hamburg.bund.net/service/download
http://hamburg.nabu.de/projekte/wasser/elbe/06616.html
http://www.rettet-die-elbe.de
http://www.wir-brauchen-keine-elbvertiefung.de


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Quelle:
Pressemitteilung 44/09, 19.03.2009
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Hamburg
Osterstraße 58, 20259 Hamburg
Tel.: Tel. 040/69 70 89-12, Fax 040/69 70 89-12-19
E-Mail: NABU@NABU-Hamburg.de
Internet: www.NABU-Hamburg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2009