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AKTION/319: Anti-Atom-Fest, -Plenum, -Mahnwache und eine Wanderung im Schutzanzug ... (.ausgestrahlt)


.ausgestrahlt / gemeinsam gegen atomenergie - Rundbrief 10 / Herbst 2010

Vorbilder


"Feste feiern für den Ausstieg"

Ulf Allhoff-Cramer, 50, Landwirt, feiert auf seinem Biolandhof bei Detmold mit 300 BesucherInnen ein rauschendes Anti-Atom-Fest Mir ist total wichtig, dass man politisches Engagement verbindet mit etwas, das Spaß macht. So kamen mein Freund Wolfgang und ich auf die Idee mit dem Anti-Atom-Hoffest. Sechs Stunden lang tolles Programm mit Live-Musik, dazu Infostände zu erneuerbaren Energien und Elektromobilität, eine kleine bewegende Rede zum Atomdesaster aus der Sicht eines Bauern, begeisterte MusikerInnen, HelferInnen und BesucherInnen und 1.800 Euro Einnahmen für .ausgestrahlt. Ein wunderschönes Fest.

Viele sind eine Woche später zur Demo nach Berlin mitgefahren, mit drei Bussen, einen davon hat der 15-jährige Jan von der Grünen Jugend mobilisiert. Ich finde es ganz wichtig, dass wir uns mit Freude einbringen, dann hat es eine größere Kraft. Und die Stimmung in Berlin war ja überwältigend gut!

Wir haben 1986 am eigenen Leibe festgestellt, wie verheerend so ein Atomunfall ist. Wir konnten kein Gras mehr verfüttern, kein Gemüse mehr ernten, die Kinder nicht mehr im Sandkasten spielen, weil alles verstrahlt war - aus dem 1.600 Kilometer entfernten Reaktor in Tschernobyl. Das AKW Grohnde ist nur 50 Kilometer von Detmold entfernt!

Damals haben wir den Reaktor in Hamm-Uentrop blockiert. Der ist inzwischen stillgelegt. Überhaupt hat das ganze Engagement der Anti-AKW-Bewegung ja große Erfolge gezeigt. Sonst hätten wir hier noch ganz andere Verhältnisse, mit Wackersdorf und dem Schnellen Brüter.

Genauso wichtig ist das Engagement jetzt. Ich bin wütend über die Pläne der Regierung. Tausende Generationen nach uns werden auf den radioaktiven Müll aufpassen müssen, mit enormen Kosten und Gefahren - damit zwei Generationen scheinbar billigen Strom haben. Das ist unsozial und ein großes Unrecht.

Auch zur Castor-Demo in Dannenberg am 6. November werden wir mit Bussen anreisen. Viele werden dann zur Blockade dort bleiben. Man kann unglaublich viele Menschen mobilisieren für den Widerstand, wenn es Leute gibt, die sich konkret für eine Sache ins Zeug legen.


"Wir bieten auch Trainings in Gewaltfreier Aktion an"

Iris von Knorre, 30, klärt mit dem Anti-Atom-Plenum Marburg über Atomkraft und Atommüll auf und organisiert Busse und mehr zur guten Vorbereitung auf die Castor-Proteste im Wendland

Wir sind ein Netzwerk aus Gruppen und Einzelpersonen, das sich seit der Berlin-Demo 2009 regelmäßig trifft. Für die Umzingelung des AKW Biblis im April haben wir mit einer Abseilaktion von einer Brücke geworben, am Ende hatten wir vier Busse voll. Sogar das Marburger Touristenbüro hat unsere Fahrkarten mitverkauft. Einer Bank, die die Atommafia unterstützt, hängten wir ein Transparent an die Fassade. Wir haben bei .ausgestrahlt-Aktionen mitgemacht, Atommüll zur CDU gebracht, usw. Für das Plastikentenrennen auf der Lahn bereiten wir gerade Anti-AtomAnzeige Enten vor ...

Zu den Castor-Protesten rechne ich wieder mit mehreren Bussen, der Kartenverkauf hat schon begonnen. Manche werden an der Sitzblockade von X-tausendmal quer teilnehmen, andere die Schottern-Aktion unterstützen, wie: Einfach online wechseln der andere bei Infoständen helfen, Rdio machen oder nur zur Demo gehen. Um für die Proteste zu werben, haben wir mit viel Lärm einen Atommüllberg vor dem Rathaus aufgebaut. Außerdem organisieren wir Vorträge zu Atomkraft, Atommüll, Widerstand. Viele wissen ja bundesweit überhaupt nicht, was sie im Wendland erwartet. Wir bilden bereits Bezugsgruppen und bieten auch Trainings in Gewaltfreier Aktion an. Von der Schülerin bis zum Renter ist da alles vertreten. Alle sind hochmotiviert, ins Wendland zu fahren.

www.anti-atom-marburg.de


"Wir kommen bei jedem Wetter"

Mira Neumeier, 43, Puppenspielerin und Clown mit eigenem Wandertheater, trifft mit der wöchentlichen Anti-Atom-Mahnwache am AKW Isar 1 den niederbayerischen Protestnerv

In den letzten Jahren war ich nicht politisch aktiv. Aber als Campact im Sommer die Aktion "AtomAlarm" vorschlug, und sich aus ganz Niederbayern niemand meldete, dachte ich: Ich fang das einfach an. Besser ich organisiere es schlecht, als wenn es gar keiner macht. Und es war ein kleiner Erfolg: 50 Leute waren da! Ich habe gesagt, wer weitermachen will, soll mir seine Mailadresse dalassen.

Aber es war gar nicht so leicht, in Aktion zu kommen. Keiner wollte in der ersten Reihe stehen und das Risiko eingehen, sich alleine zu blamieren. Die campact-Idee, sich mit Liegestühlen auf den Marktplatz zu legen und zu trommeln, entspricht wahrscheinlich nicht der bayerischen Mentalität. Ich überlegte mir: Wir müssen etwas machen, wozu sich keiner überwinden muss. Etwas, das sich gut anfühlt.

Es gab mehrere Ideen dafür. Mein Vorschlag einer Mahnwache, stieß dabei auf Resonanz, es fanden sich gleich zwei Mitorganisatoren, Ulrike und Willi Bartlog und innerhalb von fünf Wochen ist die Mahnwache riesengroß geworden. Inzwischen haben wir einen Bühnenwagen und einen Verstärker und jedes Mal eine Stunde Programm. Und die Leute fühlen sich wohl, Jeder sagt: Ich komme wieder. Ende September waren wir schon 400 Teilnehmer, sogar ein Bus aus Nürnberg war da. Und einmal haben selbst die "Tagesthemen" über uns berichtet. Anfangs wollte ich was Kleines. Große Aktionen pack ich nicht, dachte ich. Jetzt nähert sich das schon fast einer Großveranstaltung. Ich kann nur empfehlen, seinen Impulsen nachzugehen. Man wächst mit der Aktion, und wenn man erst einmal angefangen hat, findet man überall Leute, die einen unterstützen. Von Anfang an waren auch Leute aus Niederaichbach dabei.

Wir kommen jeden Montag ab 18 Uhr, bei jedem Wetter. Wir werden auch den Winter durchmachen. Treffpunkt ist in Niederaichbach vor dem Rathaus, von da sind es 800 Meter bis zum Tor des AKW Isar 1. Dort kommen RednerInnen von verschiedenen Parteien, Organisationen und Gruppierungen zu Wort. In der Tat, wir haben eine kleine "Speeker's corner" geschaffen, wo jeder sein persöhnliches Anliegen und auch seinen Unmut nach außen tragen darf. Natürlich möchten wir dem Ganzen einen Rahmen geben, indem wir für Kulturelles und musikalische Untermalungen sorgen.

Denn Änderungen kann man nur mit einer guten Energie erreichen!

www.mahnwache-isar1.de


"Immer schön freundlich bleiben"

Uli Stiefel, 43, Musiker, Musiklehrer und 2. Vorsitzender des Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar, ist zum "CDU-Mitläufer" geworden - im Strahlenschutzanzug samt Atemmaske

"Wandern im Pulk" ist ja eigentlich nicht so mein Ding. Aber hier in Baden-Württemberg regiert seit über 50 Jahren die CDU, und zum ersten Mal ist es jetzt so, dass es bei der kommenden Wahl im März wahrscheinlich nicht mehr reichen wird. Deswegen sind die sehr nervös und machen viele öffentliche Veranstaltungen. Und deswegen bin ich neulich auch mitgewandert. Ich bin nicht einverstanden mit deren Politik. Ich möchte ein bisschen Sand im Getriebe sein. Ich habe lange überlegt: Wie kann ich meinen Unmut äußern, so dass es ankommt und auch ein bisschen weh tut?

Als die CDU zu einer Wanderung durch den Naturpark hier eingeladen hatte, kamen gut zwölf Leute - plus ich und ein Freund. Mit Schutzanzügen, Atemschutzmasken und Pappschildern mit Anti-Atom-Botschaften umgehängt. Wir sind einfach mitgegangen. Die haben gute Miene gemacht, was blieb ihnen auch anderes übrig? Es war ja eine öffentliche Veranstaltung! Einige TeilnehmerInnen haben gesagt: Ihr habt Recht. Andere waren nicht so erfreut. Ich bin einfach immer ganz freundlich geblieben.

Bei der nächsten Wanderung, mit Landrat und so, waren wir schon zu dritt. Und zur Altstadtbesichtigung mit der CDU in Eppingen kamen fünf im Strahlenschutzanzug. Die Stadtführerinnen waren zunächst irritiert. Aber als klar war, dass wir nicht reinpfeifen oder so, haben sie unseren Auftritt sogar in ihr Theaterstück mit eingebaut. Die at Presse hat berichtet, von den PassantInnen gibt es viel positive Resonanz. Das hat mich überrascht, denn das ist ja eine relativ konservative Gegend hier. Aber viele sagen: Es wird Zeit, dass da mal jemand hinweist auf diese Missstände.

Inzwischen hat sich die Aktion verselbstständigt und läuft sogar ohne mich: Im Golfclub neulich waren es sieben CDUler und sieben ProtestiererInnen ....

www.bbmn.de


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Quelle:
Rundbrief 10, Herbst 2010, S. 14-15
Herausgeber: .ausgestrahlt
Normannenweg 17-21, 20537 Hamburg
E-Mail: info@ausgestrahlt.de
Internet: www.ausgestrahlt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2010