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LUFT/540: Dicke Luft in Nürnberg (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 27. Juli 2015

Dicke Luft in Nürnberg

BUND Naturschutz, Verkehrsclub Deutschland und Bündnis Frankenschnellweg fordern von Nürnbergs Stadtpolitik aktiven Einsatz für Luftreinhaltung und Gesundheitsschutz


Mit Masken und weißen Schutz-Overalls bekleidet fordern Vertreter verschiedener Verkehrsinitiativen aus Nürnberg sowie der BUND Naturschutz endlich wirksames Handeln zur Verringerung der gesundheitsschädlichen Immissionen.

Schon seit dem 1. Januar 2010 gilt für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid europaweit ein durchschnittlicher Jahresgrenzwert von 40 µg/m3. Dieser wird in Nürnberg noch immer erheblich überschritten. In der Messstation des Landesamtes für Umwelt an der Von-der-Tann-Straße wurde 2014 ein Jahresmittelwert von 49 Mikrogramm/m3 gemessen. Nun hat die EU-Kommission aufgrund anhaltender Überschreitungen der Luftreinhaltegrenzwerte in deutschen Städten ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

"Wir fordern als zwingende Maßnahme für bessere Luft und Gesundheitsschutz der Bevölkerung die Einführung einer Umweltzone in Nürnberg sowie den Verzicht auf den Ausbau des Frankenschnellwegs zur Stadtautobahn", so BN-Landesbeauftragter Richard Mergner. Damit könnten die schlimmsten Dreckschleudern aus der Stadt ferngehalten werden. Die Umweltzone müsse auch den Ring, vor allem den Westring umfassen und auch Teile des Stadtwestens. Weitere Maßnahmen seien Emissionsminderungskonzepte beispielwiese für die städtischen Busse, die Taxiflotten oder Pflegedienste. "Bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans muss das Vorhaben Ausbau des Frankenschnellwegs gestrichen werden. Es ist grotesk, dass eine Baumaßnahme, die mehr KFZ-Verkehr durch Nürnberg und damit höhere Belastungen bringen wird als Luftreinhaltemaßnahme verkauft wird", kritisiert Mergner.

"In dem Mahnschreiben vertritt die EU Kommission die Auffassung, dass für den Ballungsraum Nürnberg bisher keine geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden, die NO2-Grenzwerte in so kurzer Zeit wie möglich zu erreichen. Die Stadt ist verantwortlich, hier endlich Abhilfe zu schaffen und die hier wohnenden Menschen zu schützen. Ursache ist das extrem hohe PKW- und LKW-Aufkommen in solchen Straßen. Es reicht eben nicht aus den Verkehr zu verflüssigen. Es müssen verstärkt Anstrengungen unternommen werden den motorisierten Individualverkehr auf ein notwendiges Minimum im Stadtgebiet zu reduzieren", so Markus Ganserer, Sprecher des Bündnisses gegen den FSW.

"Auch die Hoffnung der Stadt und der Regierung von Mittelfranken - zuletzt beim Verfahren um den Ausbau des Frankenschnellweges angeführt - die Einführung des EURO 6-Standards bei Kraftfahrzeugen würde das Problem schon beheben sind eben nur Hoffnungen. Mittlerweile zeigt sich in Untersuchungen, dass die EURO 6-Fahrzeuge viel mehr Stickoxide produzieren als ursprünglich gedacht. Und der Trend zu mehr Dieselfahrzeugen verschärft die Situation nochmals", so BN-Regionalreferent Tom Konopka. Weil die Bundesregierung die KFZ-Industrie regelmäßig vor konsequenteren Auflagen schützt, emittieren Kraftfahrzeuge weiterhin viel zu hohe Mengen der schädlichen Abgase.

"Um für sauberere Luft zu sorgen und insbesondere die Stickoxidbelastung zu verringern, muss die Stadt Nürnberg neue Wege beschreiten, denn sie kommt nun an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Sie kann nicht in erster Linie auf die weitere Verbesserung der Motoren und der Abgastechnik setzen. Jetzt muss über eine andere Verkehrspolitik der Stadt nachgedacht werden. Wir brauchen deutlich weniger Autoverkehr. Der öffentliche Verkehr muss ausgebaut werden, nicht der Frankenschnellweg. Fuß- und Radverkehr brauchen mehr Platz - dafür müssen wir auch den Autos Platz wegnehmen. Radfahrer und Fußgänger dürfen nicht durch Stickoxidschleudern an den Rand und auf kümmerliche Restflächen gedrängt werden", so Ralf Altenberger vom Verkehrsclub Deutschland (VCD).

"Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass weit über 450 Mio. EUR in den Bau einer Stadtautobahn versenkt werden sollen. Mit dem Geld könnte man auch jedem Nürnberger Einwohner ein kostenloses Elektrofahrrad vor die Tür stellen. Das würde eine echte Verkehrsentlastung bringen", so Altenberger.

Europäische Kommission zwingt Deutschland zur Luftreinhaltung

Die EU-Kommission hat wegen der Überschreitungen der Grenzwerte bei NO2 am 18.06.2015 ein Mahnschreiben an die Bundesregierung gerichtet. Darin stellt die EU-Kommission fest, dass Deutschland in vielen Bereichen seine Pflicht zur Luftreinhaltung in den Innenstädten nicht erfüllt hat. Nun hat die Bundesregierung bis Ende August Zeit auf die Mahnung zu antworten. Werden aus Sicht der EU-Kommission keine ausreichend geeignete Maßnahmen vorgelegt, kann die Kommission Deutschland verklagen. Im schlimmsten Fall drohen Strafzahlungen.

Für die Stadt Nürnberg wurde bereits im Jahr 2004 ein Luftreinhalteplan aufgestellt. Weil die Maßnahmen nicht ausreichten wurde dieser im Jahr 2010 fortgeschrieben. Doch auch in der Fortschreibung wurde festgestellt, dass die im Gebiet Nürnberg geplanten lokalen Maßnahmen nicht ausreichen werden, um eine kontinuierliche Einhaltung zu gewährleisten. Wegen der andauernden Überschreitung bei NO2 wird eine weitere Fortschreibung dringend notwendig.

Kritik verursachte der Nürnberger Luftreinhalteplan immer wieder, weil einerseits der KFZ-Verkehr als sakrosankt behandelt und z. B. die Einführung einer Umweltzone - wie in vielen Städten üblich und erfolgreich bei der Schadstoffreduzierung- abgelehnt wurde und weil der Ausbau des Frankenschnellweges (FSW) zu einer kreuzungsfreien Stadtautobahn als Maßnahme zur Luftreinhaltung dargestellt wurde. Die Planer des städtischen Betriebs SÖR gehen davon aus, dass die Bündelungswirkung des ausgebauten Frankenschnellweges zu weniger Belastungen an der Von-der-Tann-Straße führe. Dem wurde vom Gutachter des BN vorgehalten, dass dann an den Tunnelenden des FSW Überschreitungen kämen.

Die Von-der-Tann-Straße ist auch nicht die einzige Straße mit hoher NO2-Belastung. Der Altstadtring, oder die Bucher Straße haben nach Untersuchungen des Städtischen Betriebes (SUN) extreme Werte, auch in Galgenhof, Steinbühl, Leyh, Großreuth bei Schweinau oder im Hafen werden die Grenzwerte wohl überschritten, nur wird dort nicht überall gemessen.

In Bayern müssen wegen Grenzwertüberschreitungen auch die Luftreinhaltepläne für Augsburg und München überarbeitet werden.

Das Umweltbundesamt hat am 9. Februar 2015 Stickstoffdioxid (NO2) zum Schadstoff Nummer 1 ausgerufen. NO2 gehört mit Ozon zum sog. Sommersmog, der sich vorrangig bei hohen Außentemperaturen und starker Sonneneinstrahlung entwickelt. Überschreitungen der Grenzwerte führen zu Gesundheitsschäden (Reizung und Schädigung der Atmungsorgane).

Nürnberg lag Ende April übrigens bereits auf Platz 8 der Vergleichsliste des Umweltbundesamtes mit 19 Überschreitungen des Tagesmittelwertes von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft an der Von-der-Tann-Straße. 35 Überschreitungen pro Jahr sind nach EU-Recht nur erlaubt.

Trotz des bestehenden gesetzlichen Rahmens und des Rechts auf saubere Luft bedrohen anhaltende Verletzungen der Grenzwerte für Luftschadstoffe die Gesundheit der Menschen. Koordiniert vom ökologischen Verkehrsclub VCD haben sich neben dem BUND achte weitere europäische Umweltverbände im Projekt "Clean Air" zusammengeschlossen, um gemeinsam für saubere Luft in Europa zu kämpfen.

Weiterführende Informationen unter:
.cleanair-europe.org

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Quelle:
Presseinformation, 27.07.2015
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
Landesgeschäftsstelle
Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg
Tel. 0 941/ 2 97 20-0, Fax 0 941/ 2 97 20-30
E-Mail: info@bund-naturschutz.de
Internet: www.bund-naturschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juli 2015

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