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MELDUNG/412: Das Anthropozän. Der Mensch mittendrin - und dann? (Frankfurter Zukunftsrat)


Frankfurter Zukunftsrat e.V. - Frankfurt am Main, 22. März 2017

Jahresempfang 2017 des Frankfurter Zukunftsrat e.V. - Das Anthropozän. Der Mensch mittendrin - und dann?

Frankfurt am Main: ein Forschungszentrum zum neuen Erdzeitalter Anthropozän


Am vergangenen Freitag belegten Professor Dr. Jan Zalasiewicz, Paläobiologe und Anthropozänforscher der Universität Leicester, und Professor Dr. Bernd M. Scherer, der Intendant des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin, Honorarprofessor am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin und Herausgeber des Sammelbandes "Das Anthropozän. Zum Stand der Dinge", mit ihren Lichtbildvorträgen auf dem Jahresempfang des Frankfurter Zukunftsrat e.V. auf dem Gestüt Schafhof von Ann Kathrin Linsenhoff klar und überzeugend den Einfluss des Menschen auf die Erde mit eindrucksvollen Forschungsergebnissen und Bildern. Unter der Moderation von Joachim Müller-Jung, dem Leiter des Ressorts "Natur und Wissenschaft" im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, vermittelten sie dem Auditorium aus Wissenschaftlern und Unternehmern eine gute Übersicht auf die menschengemachten - anthropogenen - Marker der Änderungen im Erdsystem durch Nachweise in der Atmosphäre, Sedimenten und Eisbohrkernen.

Es ist nicht mehr zu bestreiten, dass der Mensch einen messbaren Einfluss auf die Gestalt der Erdoberfläche, auf die Ökosysteme und das Klima hat. Im Gegensatz zu früheren Erdzeitaltern entscheidet der Mensch - anthropos - über die eigene und die Existenz der Erde.

Seit der Kolonisierung Amerikas schlägt sich der Einfluss des Menschen in der Atmosphäre, in Sedimenten und im Eis global nieder - verstärkt seit dem Beginn der Industriellen Revolution mit der Kohleverbrennung und noch einmal stark beschleunigt seit 1950 durch Bevölkerungswachstum, Ausweitung der Landwirtschaft, Verbrennung von Erdöl und Erdgas sowie deren Produkten und durch den zunehmenden Einsatz von Maschinen. Diskutiert wird in den Geowissenschaften derzeit, an welches Ereignis oder welche anthropogenen Stoffe der Beginn des Anthropozäns zweckmäßig festzumachen ist.

Der Mensch baut Erze ab, fördert Kohle, Erdöl und Erdgas, produziert neue, teils Jahrhunderte überdauernde chemische Verbindungen wie Kunststoffe und Pestizide, die als Müll oder mit dem Abwasser in die Umwelt gelangen; er nutzt immer größere Landflächen für den Anbau seiner Nahrung, überfischt die Meere, drängt natürliche Ökosysteme zurück und verursacht das Aussterben biologischer Arten. Der Einsatz von Kunstdünger eutrophiert Seen, Flüsse und Meere, was zu Planktonblüte und Fischsterben führt. Durch Atombombentests wurden radioaktive Nuklide in die Umwelt entlassen, die teilweise noch Jahrhunderttausende messbar sein werden. Durch Deiche und Staudämme wird die Sedimentation stark verändert. Rußpartikel vergiften nicht nur die Atemluft in den Städten, sondern sind bis in die Arktis und Antarktis nachweisbar.

Mit der produzierten Aluminiumfolie könnte man die Vereinigten Staaten vom Amerika bedecken, mit Plastikfolie sogar die ganze Erdkugel einpacken.

Der Klimawandel ist verursacht durch den Anstieg der Treibhausgase Kohlendioxid - aus der Verbrennung fossiler Energieträger - und Methan - vor allem aus der Massenhaltung von Wiederkäuern, insbesondere Rindern für die Fleisch- und Milchproduktion. Mit der globalen Erwärmung schmelzen die Gletscher in den Bergen und die Eiskappen der Pole. Infolgedessen steigt der Meeresspiegel. Ein großer Teil der landwirtschaftlich genutzten Flächen liegt in Küstennähe und wird in Zukunft überflutet, wenn der Mensch nicht Deiche baut, was arme Länder nicht ohne die Hilfe der reichen Nationen schultern können. Es wird Hunger- und Klimaflüchtlinge geben.

Viele Kulturschaffende beschäftigen sich bereits mit den möglichen Folgen des anthropogenen Wandels auf der Erde und Künstler antizipieren bizarre, plastikfressende Monsterorganismen, die die Zukunft beherrschten.

In seinem Fazit stellte Professor Dr. Manfred Pohl, der Gründer des gemeinnützigen, unabhängigen Frankfurter Zukunftsrat e.V., fest, dass Frankfurt am Main als Zentrum der internationalen Anthropozänforschung geradezu prädestiniert ist, weil es im Rhein-Main-Gebiet alle Anthropozän-relevanten Forschungs- und Kultureinrichtungen gibt.

Der Frankfurter Zukunftsrat entwickelt eine eigene Theorie zum Anthropozän, die ihren Schwerpunkt auf die Verantwortung des Menschen gegenüber sich selbst, den Mitmenschen, der Biosphäre und Gott legt. Dabei spielen Bildung und Kultur - insbesondere auch Religion - eine wichtige Rolle. Am Ende stehen Handlungsaufforderungen an jeden einzelnen Menschen und die ganze Gesellschaft - insbesondere Politik und Wirtschaft -, die darlegen, wie der Mensch seine Verantwortung wahrnehmen muss, damit das Anthropozän nicht das letzte Erdzeitalter mit der Species Mensch ist.

Frankfurter Zukunftsrat e.V.
Der Frankfurter Zukunftsrat e.V. ist eine gemeinnützige und innovative Denkfabrik, die sich für eine zukunftsfähige Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland und Europa einsetzt. Der Verein stellt zukunftsorientierte Fragen und formuliert mit seinen Mitgliedern Antworten auf die langfristigen Herausforderungen unserer Zeit. Seine Vision ist ein zukunftsorientiertes und dynamisches Deutschland und Europa, das gut gerüstet in die Zukunft blicken soll.

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Quelle:
Pressemitteilung, 22.03.2017
Frankfurter Zukunftsrat e. V.
Kaiserstraße 50, 60329 Frankfurt am Main
Tel.: 069/7137 31-0, Fax: 069/7137 31-22


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2017

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