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POLITIK/996: Umweltverbände zur Bundestagswahl (BUND)


Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) - 23. September 2009

Gemeinsame Pressemitteilung vom 23. September 2009

Umweltverbände zur Bundestagswahl


Berlin: Der Deutsche Naturschutzring (DNR) sieht in der Bundestagswahl eine Richtungswahl. "Entweder erleben wir die Wiederauferstehung entfesselter Märkte und die Jagd auf kurzfristige Renditen oder wir schaffen im letzten Augenblick den Einstieg in eine nachhaltige Entwicklung", betonte DNR-Präsident Hubert Weinzierl. Die Bundesregierung sei meilenweit davon entfernt, die Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zu erreichen. Daher bedürfe es der Kurskorrektur insbesondere in den Bereichen der Finanzmärkte, der Steuerpolitik und der umweltschädlichen Subventionen, in der Klimapolitik und in der Hinwendung auf nachhaltigen Konsum. Deutschland brauche einen ökologischen New Deal, der mit Investitionen in innovative grüne Technologien und in eine nachhaltige Infrastruktur gleichzeitig zu einer Stabilisierung der Konjunktur führe und den Klimaschutz vorantreibe.

Wirtschaftskrise, Klimakrise, Energiekrise, steigende Rohstoffpreise und eine wachsende soziale Spaltung hätten ihre gemeinsame Ursache in der Entfesselung der Märkte. Auf der Jagd nach kurzfristiger Rendite werde dort die Zukunft verspielt und soziale Verantwortung klein geschrieben. Deshalb müssten die Finanzmärkte reguliert und Nachhaltigkeit zum Kompass der Wirtschaftspolitik werden. Das bedeute auch, dass die Preise endlich die ökologische Wahrheit sagen müssten: Derjenige, der die Umwelt belaste, solle auch dafür bezahlen müssen. Als größter Irrtum habe sich der geradezu abgöttische Glaube an das quantitative Wirtschaftswachstum erwiesen. Seit 1950 habe sich unser Straßennetz von 350 000 auf etwa 700 000 Kilometer verdoppelt, statt 1,5 gebe es inzwischen 54 Millionen Kraftfahrzeuge und der tägliche Landverbrauch betrage über 100 Hektar. Die nachholende Industrialisierung und das hohe Bevölkerungswachstum in großen Erdregionen verschärften die Ressourcenkonflikte. Wir müssten lernen, mit Grenzen und Endlichkeit unseres gemeinsamen Planeten Erde umzugehen.

Auf die Herausforderungen der Zeit habe auch die Landwirtschaftspolitik der letzten Jahre nicht angemessen reagiert, sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Staatlich geförderte Überproduktion und Exportsubventionen hätten im Handel zu einer aggressiven Preispolitik geführt und viele Höfe in den Ruin getrieben. Es sei ein von der Politik zu verantwortender Skandal, dass sich Milchbauern nicht anders zu helfen wüssten als Milch zu vernichten. Die in der kommenden Legislaturperiode anstehende Reform der Agrarsubventionen müsse zur Umverteilung der EU-Gelder führen. Vor allem umwelt- und sozialbezogene Leistungen müssten künftig stärker gefördert werden. Der BUND forderte die Ausweitung des ökologischen Landbaus auf zunächst 20 Prozent der Fläche bis 2020. Nur so ließen sich die Ernährungsgrundlagen sichern, neue Marktchancen erschließen und die Klimagasemissionen verringern. "Ich vermisse klare Aussagen der Bundeskanzlerin zur künftigen Agrarpolitik", sagte Weiger. Auch beim Thema Gentechnik sei Angela Merkel gefragt. "80 Prozent der Deutschen wollen keine Gentechnik im Essen. Selbst 60 Prozent der FDP-Wähler sind dagegen. FDP und Union aber wollen die Gentechnik auf dem Acker durchsetzen. Wir warnen die potentiellen Koalitionäre Union und FDP vor Wunschträumen. Wie schon bei der CSU wird es für sie ein böses Erwachen geben, wenn sie auf Gentechnik setzen und am Ende den Protest der Bauern und Verbraucher ernten", sagte Weiger.

Der NABU fordert ein Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Ziel muss es sein, die in Deutschland beschlossenen Naturschutzmaßnahmen (Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt) gegen den Verlust von Arten und Lebensräumen zu bündeln und gemeinsam mit Bundesländern, Kommunen, Eigentümern und Landnutzern voranzutreiben. Bis 2012 müssten dazu mindestens 300 Millionen Euro jährlich bereit gestellt werden. Die Mittel sollten unter anderem aus den Einnahmen des Emissionshandels sowie den Einsparungen beim Unterhalt von Bundesverkehrswegen kommen.

Ferner müssten in den kommenden zehn Jahren 125 Querungen für wandernde Tierarten (Grünbrücken) über Schnellstraßen zur Vernetzung von Tierlebensräumen errichtet werden.

"Im Alltag ist der Schutz von Arten und Lebensräumen noch längst nicht etabliert. Das Ziel der EU-Staats- und Regierungschefs, den Artenverlust bis zum Jahr 2010 zu stoppen, wird auch in Deutschland unter den jetzigen Voraussetzungen nicht erreicht werden", sagte NABU- Präsident Olaf Tschimpke. Drei Viertel der hier vorkommenden Lebensräume, ein Drittel der einheimischen Tierarten und über ein Viertel der national vorkommenden Pflanzen seien nach wie vor akut gefährdet. Ferner sind wertvolle Lebensräume durch die intensive Land- und Landforstwirtschaft beeinträchtigt.

Angesichts des Verzichts des Bundesverteidigungsministers, die fast 150 Quadratkilometer große Kyritz-Ruppiner-Heide im Nordosten Brandenburgs als "Bombodrom" zu nutzen, forderte der NABU die Bundesregierung auf, diese als Nationales Naturerbe zu sichern.

Greenpeace sieht die Bundestagswahl als energiepolitische Richtungsentscheidung: Entweder die neue Bundesregierung schafft die Energiewende mit dem schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne, Wasser oder sie klammert sich an die alten gefährlichen Technologien wie die Atomkraft. Atomkraft blockiert den Ausbau einer klimaschonenden Energieversorgung. Greenpeace veröffentlicht heute das Ergebnis einer von TNS emnid durchgeführten Meinungsumfrage. Danach sprechen sich 60 Prozent der Befragten gegen eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken aus. 35 Prozent stimmten dafür. Vor vier Jahren waren nur 46 Prozent gegen eine Laufzeitverlängerung alter Atommeiler und 43 Prozent dafür.

Brigitte Behrens, Geschäftsführerin von Greenpeace: "Asse, Krümmel, Gorleben. Ein Desaster folgt dem anderen. Die aktuelle Umfrage zeigt: Die Menschen haben endgültig genug von Atomkraft. Wir rufen die Bevölkerung auf, sich an der Bundestagswahl zu beteiligen und Umweltzerstörung abzuwählen. Die kommende Bundesregierung muss den Atomausstieg beschleunigen. Die sieben ältesten Reaktoren und der Pannenreaktor Krümmel müssen in der nächsten Wahlperiode endlich vom Netz. Und es muss ernst gemacht werden mit einer vergleichenden Endlagersuche für Atommüll - unter Ausschluss vom ungeeigneten Salzstock in Gorleben."

Der WWF zieht in Bezug auf die Klimapolitik der Bundesregierung eine kritische Bilanz. Das Integrierte Energie- und Klimaprogramm (IEKP) sei darin ein positives Element, dessen Ziel jedoch ohne Nachsteuern wegen lückenhafter Umsetzung verfehlt werde. Die Klimaschutzanforderungen an Industrieländer hätten sich aber in den letzten Jahren noch einmal verschärft. "Damit Deutschland seinen Beitrag dazu leisten kann, den durchschnittlichen Anstieg der Erdtemperatur auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, muss ein neuer Geist in die gesamte kommende Bundesregierung einziehen!", sagt WWF- Geschäftsführer Brandes. "Was wir dazu im Wahlkampf vernehmen konnten, war bei weitem zu wenig."

In den kommenden vier Jahren müsse das Fundament gelegt werden, um den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2050 auf Null zu fahren. Die neue Regierung müsse ab sofort in allen Sektoren umsteuern und die Weichen für einen schnellstmöglichen Umstieg auf einhundert Prozent Erneuerbarer Energien stellen. Die Planung neuer Kohlekraftwerke, die noch über Jahrzehnte massenhaft CO2 ausstießen, schließe eine solche Strategie aus. Zwingend notwendig sei, ein solches Programm durch ein Klimaschutzgesetz gegen politische Stimmungsschwankungen abzusichern.

Brandes betont, dass die kommende Bundesregierung vor dem bevorstehenden UN-Klimagipfel in Kopenhagen wieder sehr viel stärker eine Führungsrolle wahrnehmen müsse. Eine konkrete und ausreichende - auch finanzielle - Unterstützung der Entwicklungs- und Schwellenländer bei Klimaanpassung, Emissionsminderung, Technologietransfer und Regenwaldschutz müsse vorangebracht werden. "Wenn wir die die Erderwärmung, also auch die Zerstörung der Klima stabilisierenden Regenwälder, nicht stoppen, ist mindestens ein Drittel der globalen Artenvielfalt bedroht", sagt WWF-Geschäftsführer Brandes. Eine zentrale Forderung des WWF sei daher, dass die Bundesregierung ihre Erlöse aus dem Emissionshandel im Gegensatz zur jetzigen Praxis zu einhundert Prozent für den Klimaschutz einsetzt.


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Quelle:
BUND-Pressedienst, 23.09.2009
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Freunde der Erde Deutschland
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2009