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RECHT/231: Klimaschutzgesetze bei A20 missachtet - LNV legt Verfassungsbeschwerde ein (LNV)


Landesnaturschutzverband Schleswig-Holstein - 27.10.2016

Klimaschutzgesetze bei A20 missachtet: LNV legt Verfassungsbeschwerde ein


Mit Urteil vom 28. April 2016 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in erster und letzter Instanz auf die Klage des Landesnaturschutzverbandes Schleswig-Holstein e.V. (LNV) gegen den Planfeststellungsbeschluss des schleswig-holsteinischen Landesbetriebes Straßenbau und Verkehr vom 30. Dezember 2015 für die A20-Elbquerung, schleswig-holsteinischer Teil den Beschluss für rechtswidrig erklärt, soweit es das (europäische) Wasserrecht betrifft. Das schriftliche Urteil wurde dem Verband am 5. September 2016 zugestellt.

Gegen dieses Urteil hat der LNV nunmehr Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erhoben. Der LNV rügt, dass das Gericht insbesondere in der Frage des Klimaschutzes seine Entscheidung gefällt hat, ohne den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Ein ähnlicher Vorwurf gilt auch für andere Fragen des europäischen Naturschutz- und Umweltrechts.

Hintergrund:

Treten in einem Prozess in der letzten Instanz europarechtliche Fragen auf, deren Beantwortung nicht ein-deutig ist, muss das jeweilige nationale Gericht den Europäischen Gerichtshof im Wege der sogenannten Vorabentscheidung anrufen, wie dies hinsichtlich des Wasserrechts beispielsweise jüngst bei der Weservertiefung geschehen ist. Nach eigener Darstellung des Bundesverkehrsministeriums im Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan 2030 (dort: Seite 132) ist die geplante A20 das umweltschädlichste Projekt des Bundesverkehrswegeplans 2030 und dies maßgeblich wegen seiner Auswirkungen auf den Klimawandel.

Wörtlich:

Die Ergebnisse der monetarisierten Umweltkriterien streuen sehr stark. Der höchste positive Umweltnutzen liegt bei 99,9 Mio. Euro (Projekt-Nr. A006-G020-BY - Autobahnkreuz Nürnberg Ost) und der niedrigste Wert liegt bei -498,8 Mio. Euro (Projekt-Nr. A20-G10-NI-SH - Autobahn A20 zwischen AD A28/A20 (Westerstede) und Hohenfelde (A 23) mit A 26). Der negative Nutzen resultiert in der Regel aus den prognostizierten zusätzlichen Luftschadstoffemissionen und CO2-Emissionen. Die Emissionen von CO2 haben in der Regel den größten Einfluss auf die Nutzensumme Umwelt. Insgesamt haben 616 und damit 56% der bewerteten Straßenprojekte einen positiven Umweltnutzen. 482 und damit 44% der Projekte haben einen insgesamt negativen Umweltnutzen.

Im Gerichtsverfahren hatte der LNV darauf hingewiesen, dass die Frage der Klimawirksamkeit gerade für den Tunnelabschnitt von besonderer Bedeutung sei, weil der Bau des Tunnels zu einem großen Ausstoß von Klimagasen führe.

Die europäische Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt bei Vorhaben wie dem Neubau von Autobahnen die Prüfung der "Auswirkungen auf das Klima". Das BVerwG meint, dies umfasse nicht die "Auswirkungen auf den Klimawandel". Dies sei, so das Gericht, so offensichtlich, dass dies nicht in Frage gestellt werden könne. Deshalb, so das Gericht weiter, sei es nicht erforderlich, den Europäischen Gerichtshof anzurufen.

Der LNV ist anderer Auffassung und hofft, dass das Bundesverfassungsgericht das BVerwG zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofes veranlasst. Sollte dies geschehen, müsste eine Untersuchung zur Klima-wirksamkeit der A20 erstellt und in die Planfeststellungsunterlagen einbezogen werden. Folge wäre, dass über klimaschutzbezogene Ausgleichsmaßnahmen, bspw. Aufforstungen oder Moorregenerationen, vorge-nommen werden müssten. Auch hierfür wäre eine (weitere) Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen.

Die sich ggf. hieraus ergebende Verzögerung wäre dann kein Selbstzweck, sondern gäbe allen Beteiligten noch einmal Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob das (Gesamt-)Projekt wirklich durchgeführt werden sollte.


Der LNV ist Dachverband der Natur- und Umweltschutzverbände in Schleswig-Holstein. Er ist gemäß § 41 Landesnaturschutzgesetz und § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz anerkannter Naturschutzverein. In ihm sind 22 Vereine mit rund 175.000 Mitgliedern organisiert.

LNV auf Twitter: www.twitter.com/lnv_sh

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Quelle:
Pressemitteilung, 27.10.2016
Landesnaturschutzverband Schleswig-Holstein e.V. (LNV)
Burgstraße 4, D-24103 Kiel
Tel.: 0431/93027, Fax: 0431/92047
Internet: www.LNV-SH.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2016

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