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ROHSTOFFE/013: Substitution als Weg aus der Knappheit (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010


Substitution als Weg aus der Knappheit
Seltene Rohstoffe in den Technologien der Erneuerbaren Energien

Von Johannes Lackmann


Erneuerbare Energien sind ein Beitrag dazu, die Überlastung einer der knappsten Ressourcen - der Aufnahmekapazität der Atmosphäre für Treibhausgase - zu verhindern. Dabei kann jedoch der Bedarf an seltenen Rohstoffen für die Technologien der Erneuerbaren Energien nicht außer Acht gelassen werden. Aber es gibt ein großes Potenzial mit Substitutionslösungen einen Teil der Problematik frühzeitig zu umgehen.


Angesichts steigenden Wohlstands und steigender Konsumansprüchen auch in den Schwellenländern und angesichts der wachsenden Weltbevölkerung stößt die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen immer schneller an ihre Grenzen. Eine der knappsten Ressourcen ist die Aufnahmekapazität der Atmosphäre für Treibhausgase. Die Beherrschung dieses Teils der Ressourcenthematik wird unter Klimaschutz zusammengefasst und ist ein wichtiges Argument in der Argumentation für Erneuerbare Energien. Die Vorrangigkeit der Klimafrage aufgrund der besonders schnellen Zuspitzung durch die Erreichung der Systemgrenzen bei der Emission von Treibhausgasen, sollte uns aber nicht davon abhalten, die Begrenztheit der anderen Ressourcen im Auge zu behalten, die für die Ökologie und die Wirtschaft erheblichen Sprengstoff birgt. Die Technologien, die hinter den Erneuerbaren Energien stehen, nutzen nach heutigem Standard zwar häufig seltene und kritische Rohstoffe, das ist aber nicht unausweichlich so.


Erneuerbare Energien: dezentral ressourceneffizient

Erneuerbare Energien fußen fast immer auf dezentralen Technologien, die auf das Einsammeln von Energiequellen mit vergleichsweise geringen Energiedichten ausgelegt sein müssen. Der Fusionsreaktor Sonne hat an der Oberfläche eine höhere Energiedichte als alle sonst bekannten Energiequellen einschließlich nukleare Quellen. Dieser Reaktor steht glücklicher Weise in so ausreichender Entfernung, dass wir ihn ziemlich schadlos nutzen können. Dafür müssen die Einsammlungsflächen etwas größer ausgelegt sein: Solarabsorberflächen, Rotorflächen von Windenergieanlagen, Staudammlängen von Wasserkraftwerken, Agrarflächen für Bioenergie. Das bedeutet auch einen spezifisch höheren Materialeinsatz als z.B. bei einer Gasturbine. Wenn ich aber fossilen und mineralischen Rohstoffbedarf für den energetischen und nichtenergetischen Einsatz zusammenzähle und noch die beanspruchten Senken hinzurechne, schneiden die Erneuerbaren Energien in der Summe bestens ab in Bezug auf die Ressourceneffizienz.


Substitution statt Seltene Rohstoffe

Der Tatsache, dass seltene Rohstoffe als Machtfaktor im internationalen Handel eingesetzt werden, wie jüngst geschehen, kann mit neuen Substitutionstechnologien auch im Feld der Erneuerbaren Energien wirksam begegnet werden. Mit gezielter Forschung und Entwicklung kann Deutschland die Abhängigkeit von seltenen Rohstoffen künftig deutlich entspannen. Dort wo Ingenieure und Unternehmen neue Wege gehen und sich von den alten Produktions- und Designmustern trennen, können sich ganz neue innovative Lösungen entwickeln.

Ein Beispiel: Eines der wichtigsten Elemente unter den sogenannten Seltenen Erden ist Neodym. Es dient als Werkstoff für starke Magnete in elektrischen Maschinen, die künftig etwa für Elektrofahrzeuge und Windturbinen Anwendung finden können. Neodym ist als Magnetwerkstoff lange bekannt und verfügbar. Die Versorgung kann dann zu einem Problem werden, wenn Massenanwendungen damit begonnen werden, die allein auf einen Werkstoff setzen und die historisch günstigen Beschaffungspreise dieses Werkstoffes als Kalkulationsgrundlage in die Zukunft projizieren (Untersuchung des Fraunhofer ISI und der IZT gGmbH, unter anderem zum Neodymbedarf für Zukunftstechnologien: Rohstoffbedarf für Zukunftstechnologien, 2008, Kap. 5.11.5.3).

Aus technischer Sicht gibt es fast durchweg Alternativen zum Einsatz einzelner Werkstoffe. Es reicht allerdings nicht aus, erst dann nach Alternativen zu suchen, wenn der Versorgungsengpass schon eingetreten ist. Notwendig sind vielmehr eine vorausschauende mehrgleisige Technologieentwicklung und eine systematische Forschung in Bezug auf Substitutionslösungen. Aus Sicht des ZRE(1) ist das Potenzial für solche Lösungen weit größer als es die öffentliche Debatte um knappe Rohstoffe erscheinen lässt.


Der Autor ist seit 07/2009 Geschäftsführer VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH, seit 1994 Entwicklung mehrerer Bürgerwindparkprojekte im Raum Paderborn, Geschäftsführer der Lackmann Phymetric GmbH, bis 2007 Vorstandsmitglied im Bundesverband WindEnergie e.V. und bis 2008 Präsident Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE), dem Dachverband für die Fachverbände aus allen Sparten der erneuerbaren Energien, bis 2009 Geschäftsführer Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. (VDB)


Anmerkung

(1) Das VDI Zentrum Ressourceneffizienz (ZRE) mit Sitz in Berlin ist eine Tochter der VDI GmbH und wurde im Juni 2009 mit Mitteln der Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums gegründet. Kernaufgabe des ZRE ist es, den integrierten Einsatz von Umwelt-, Ressourcen- und Klimaschutztechnologien allgemein verständlich und umfassend darzustellen und zu befördern.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010, S. 22
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2011