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STADT/252: Berlin - Ökologischer Versuchsgarten wird als Baugrundstück verkauft (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 155 - April/Mai 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Versuchsgarten Kehler Weg zerstört
Nach 42 Jahren Forschung - TU Berlin verkauft den ökologischen Garten als Baugrundstück

Von PD Dr. Franz Rebele


Ende Februar wurden die Naturwaldbestände am Kehler Weg 1 in Berlin-Dahlem im Auftrag des Präsidiums der Technischen Universität (TU) Berlin abgeholzt. Der ökologische Versuchsgarten des Instituts für Ökologie ist inzwischen als Baugrundstück verkauft worden. Trotz zahlreicher Proteste wurde unsere seit 42 Jahren laufende Dauerforschung zur Waldentwicklung auf unterschiedlichen Böden zerstört, sind unsere Modellflächen für die Renaturierung urbaner Landschaften vernichtet.

Im Jahr der Biodiversität wird damit auch ein Kleinod der Berliner Stadtnatur der Berliner Bauwut geopfert: Mehr als 1.000 Gehölzindividuen von über 70 Baum- und Straucharten mit einer Höhe zwischen 1 und 22 Metern wurden gefällt und zerschreddert. Insgesamt werden mehr als 300 Arten Farn- und Blütenpflanzen verschwinden, darunter zahlreiche vom Aussterben bedrohte und/oder gesetzlich geschützte Arten, zum Beispiel der Blutstorchschnabel, die Waldsegge oder die Sibirische Schwertlilie (Blume des Jahres 2010).

Letztendlich hat doch die Ignoranz des TU-Präsidiums gegenüber unserer Forschung und der wertvollen Stadtnatur gesiegt. Erschreckend ist, dass nicht nur seitens einer Universität in laufende Forschung eingegriffen wird, sondern dass man sich auch nicht um den Ruf einer Universität stört, die selbst Studierende für Fächer in den Disziplinen Natur- und Umweltschutz ausbildet. Ein früherer Universitätspräsident der TU stellte im Jahr 1997 fest, dass sich eine Universität gegenüber ihren Studierenden dadurch unglaubwürdig macht. Damals wollte uns schon einmal der Finanzsenator das landeseigene Forschungsgrundstück entziehen und verkaufen.

Erschreckend ist auch, dass die zuständigen Senatsverwaltungen, die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung und auch die Senatorin für Stadtentwicklung nichts gegen die Zerstörung unserer Forschung und die Vernichtung der Stadtnatur einzuwenden hatten.

Bei der Abholzung und Räumung des Grundstücks werden selbst die ohnehin schon baufreundlichen Bestimmungen der Berliner Baumschutz- und Naturschutzgesetzgebung missachtet. So wurden nicht nur sogenannte "untermaßige" Bäume gefällt, sondern auch mindestens 10 Bäume, für die eine Fällgenehmigung hätte vorliegen müssen. Die zuständige Naturschutzbehörde, das Grünflächenamt Steglitz-Zehlendorf sah auch keine Veranlassung, gegen die Abholzung einzuschreiten, obwohl keine Baumfällgenehmigung vorlag. Auch eine Frischwiese, ein nach Paragraph 26a Berliner Naturschutzgesetz geschütztes Biotop, wurde ohne Ausnahmegenehmigung erheblich und nachhaltig beeinträchtigt.

Leider sind in Berlin derzeit noch weitere Grünflächenverluste zu beklagen. Auch das drei Hektar große bisher von der TU genutzte Forschungsgelände Lentzealle 76-86 wird derzeit in eine Großbaustelle verwandelt. Mit der Vernichtung grüner Forschungsflächen setzt die TU in mehrfacher Hinsicht ein negatives Zeichen für die Stadtentwicklung.

Die TU gibt ein schlechtes Beispiel und verstärkt den allgemeinen Trend der immer stärkeren Versiegelung Berlins mit allen negativen Folgen für das Stadtklima und die Biodiversität. Gleichzeitig zerstört sie Projekte, die dem Klimaschutz und dem Stadtnaturschutz dienen und in der Vergangenheit auch beispielhaft für andere Stadtregionen waren. Forschung, die die Lebensqualität der Stadtbewohner verbessert und den Menschen die städtische Natur näherbringt, wird missachtet und kaputt gemacht.

Ich danke allen, die uns bei den zahlreichen Versuchen unterstützt haben, den ökologischen Versuchsgarten Kehler Weg zu retten!

Weitere Infos:
Rebele, F., Bornkamm, R. (Hrsg.)
Vom Wildkraut zum Urwald
Die Entwicklung urbaner Wälder im ökologischen
Versuchsgarten "Kehler Weg" in Berlin-Dahlem
Shaker Verlag, Aachen 2008

www.gruene-uni.org
www.rosarose-garten.net/kehler_weg

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
25. Februar 2010 - ökologischer Versuchsgarten Kehler Weg zerstört (Foto: Franz Rebele)


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 155, April/Mai 2010, S. 16
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2010