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VERKEHR/808: Kein Salz auf die Alleen! (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 107/4.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

Kein Salz auf die Alleen!


Die weiten Alleen mit ihren Schatten spendenden Baumkronen prägen vor allem in Nordostdeutschland das Landschaftsbild. Sie motivieren die Mehrzahl der AutofahrerInnen auf eine angenehme Weise, ruhiger zu fahren. Gerade in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gegenden vernetzen die Alleen wertvolle Lebensräume und bieten Nistplatz und Nahrung für viele Tiere. Aber die Alleen sind in Gefahr: Ausbau von Verkehrswegen, Abgase, starke Baumschnitte und Streusalz im Winter fügen ihnen schwere Schäden zu.

Die Alleen sind ein einzigartiges Kulturerbe, das es zu erhalten gilt. In den 60er und 70er Jahren wurden die Alleen im Westen Deutschlands an etwa 50.000 Straßenkilometern gefällt. Noch gibt es rund 20.000 Kilometer Alleen bundesweit, ca. 15.000 davon in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Doch der Gesundheitszustand der Alleen verschlechtert sich von Jahr zu Jahr.

Seit dem 18. Jahrhundert dienen die Alleen als Windschutz und zur Sicherung der Wege bei starker Sonne, Regen und Schnee. Auch heute übernehmen die Alleen an verkehrsreichen Straßen und in dicht besiedelten Gebieten nützliche Funktionen als Sauerstoffspender und Biofilter. Ein alter Baum produziert den Sauerstoffbedarf von 10 Menschen pro Tag. Die Alleebäume filtern Staub und Abgase aus der Luft und reinigen das Grundwasser. Diese Funktionen werden ihnen zunehmend zum Verhängnis. Vor allem das Streuen von Salz wird zum tödlichen Gift für die Alleebäume.

In den 50er Jahren begann man in der Bundesrepublik gemäß den wachsenden Mobilitätsbedürfnissen der BürgerInnen die Straßen im Winter mit Salz zu streuen. Als Folge wurden in den 60er und 70er Jahren zunehmend Schäden an Autos, Betonbauwerken und Pflanzen durch Streusalz festgestellt. Die Salzgehalte im Grund- und Oberflächenwasser waren stark erhöht. Viele Kommunen verwendeten daraufhin weniger Salz im Winterdienst und setzten vermehrt auf Splitt und Granulat.


Gesalzene Straßen

Der Druck der Versicherungswirtschaft, höhere Kosten und eine angeblich schlechtere Ökobilanz für Splitt haben zu einer Renaissance des Streusalzes geführt. Heute werden rund 2 Millionen Tonnen Salz jedes Jahr auf deutschen Straßen verteilt. Über das Schmelz- und Spritzwasser gelangt das ausgebrachte Salz in den angrenzenden Grünstreifen und wird in Abhängigkeit von den Standortverhältnissen im Boden angereichert oder ins Grundwasser ausgewaschen. Nicht umsonst betonen die Salzlieferanten in ihren Anwendungsvorschriften, dass Streusalz ein Gift sei und nicht mit Pflanzen und Baumscheiben in Berührung gebracht werden dürfe. Wer sich für das Streuen von Salz entscheidet, nimmt Straßen ohne Bäume in Kauf. Besonders gefährdet sind die Alleebäume außerorts, da sie im Gegensatz zu innerörtlichen Alleen nicht durch eine Gosse und einen Kantstein vor einem Teil der Salzfracht bewahrt werden. Ein neues Problem ist das intensive Streuen von Salz auf Radwegen, die parallel zu den Straßen über Land gebaut wurden. In manchen Brandenburger Straßenmeistereien landen mittlerweile bis zu 20 Prozent des gestreuten Salzes auf Radwegen. Damit bekommen die Alleebäume von beiden Seiten ihre Salzdusche.


Bäume im Salzstress

Das Salz wird von den Bäumen aufgenommen und in den Blättern angereichert. Dort wirken die Natrium- und Chlorid-Ionen toxisch auf Membranen und Zellen. In salzbelasteten Bäumen ist das Wachstum verringert. Es werden oft nur sehr kleine Blätter ausgebildet oder die Blätter sterben von den Rändern her ab (Blattrandnekrosen). Im Herbst wird ein Teil des Salzes mit den pflanzeneigenen Reservestoffen ins Holz zurückverlagert. Beim Blattaustrieb im nächsten Jahr wandert es dann wieder in die neuausgebildeten Blätter und verstärkt dort die Wirkung der Salzfracht des Winters aus dem Boden - ein verheerender Kreislauf.

Im Boden verdrängt das Salz wichtige Pflanzennährstoffe und verschärft dadurch die Probleme. Außerdem verändert Salz die Bodenstruktur, beeinträchtigt so die Versorgung der Wurzeln mit Sauerstoff und erschwert die für Bäume lebensnotwendige Wasseraufnahme. Salz beeinträchtigt die Artenvielfalt an den Fahrbahnrändern und in der unmittelbaren Straßenumgebung. Salz mindert die Stoffwechselaktivität der Mikroorganismen im Boden.

Vergiftungen durch Salz, weniger Nährstoffe und Wasser machen die Bäume anfällig für Infektionen durch Pilze und Bakterien. Bäume im Salzstress verlieren weit vor Herbstbeginn ihre Blätter. Salzgeschädigte Bäume treiben erst später im Frühjahr aus, immer mehr Zweige bleiben unbelaubt, der Baum stirbt vom Kronenrand her ab. Und gerade die Baumarten, die unsere Alleen vor allem zieren, reagieren besonders empfindlich auf Salz: Ahorn, Linden, Kastanien.


Weißer Winterdienst

Ein ökologischer Winterdienst muss differenziert sein: An Straßen mit Bäumen muss ganz auf Salz verzichtet werden. An Hauptverkehrsstraßen ist intensiv mechanisch zu räumen. An untergeordneten Straßen empfehlen viele Kommunen den weißen Winterdienst, das heißt, diese Straßen werden gar nicht geräumt oder gestreut. Nur an gefährlichen Straßenabschnitten wie starken Steigungen oder verkehrsreichen Kreuzungen empfiehlt das Umweltbundesamt den Einsatz von Salz, das - um Wehverluste zu vermeiden - direkt vor dem Streuvorgang befeuchtet wird. Gegenüber trockenem Salzgranulat lässt sich die Salzmenge so um 40 Prozent verringern. An baumbestandenen Straßen muss ganz und gar auf das Streuen von Salz verzichtet werden. Wenn nötig, sollten abstumpfende Mittel wie Sand, Splitt, Granulat zum Einsatz kommen.

Länder wie Finnland, die Slowakei und Österreich machen es vor und kommen auf bestimmten Strecken nahezu ohne Salz im Winter aus. Sie setzen auf die Einsicht der AutofahrerInnen, die ihre Autos mit Winterreifen ausstatten und ihre Fahrweise den Straßenverhältnissen anpassen. In Deutschland haben Untersuchungen gezeigt, dass sich Autofahrer dort, wo gestreut wurde, sicherer fühlen und deutlich flotter fahren, als es dem Straßenzustand angemessen ist. Übersehen wird, dass durch Salz häufig eine dünne Schmierschicht oder ein Eisfilm auf den Straßen entsteht. Damit steigt die Unfallgefahr. Auf nicht behandelten Strecken wird wesentlich vorsichtiger gefahren. So sind 85,3 Prozent der Unfälle auf ein Fehlverhalten der FahrerInnen zurückzuführen und nur 7,6 Prozent auf die Straßenverhältnisse. Damit ist klar, dass verminderte Geschwindigkeiten im Winter viel wirkungsvoller sind als alle Auftau- und Abstumpfmittel.

"Der TÜV Süd weist daraufhin, dass Streusalz den Bremsweg von Autos verdoppeln kann. Das Salz schaffe zwar scheinbar griffigere Straßen, lagere sich aber auf den Bremsbelägen ab. Die Salzkruste verringere dann die Reibung zwischen Bremsscheibe und Bremsbelag.

Untersuchungen haben gezeigt, dass nach wie vor besonders eifrig Privatleute Salz auf die Gehwege werfen - bis zu 500 Gramm pro Quadratmeter! Dabei verbieten viele Gemeinde satzungen den Einsatz von Salz im Winter auf Gehwegen. Hier reicht es, wenn gekehrt wird und anschließend abstumpfende Mittel mit dem Umweltzeichen "Blauer Engel" (RAL-UZ13) verwendet werden.

Im übrigen schreibt die Rechtsprechung keinen Salzeinsatz zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht vor. Die Auswahl des Streustoffs steht der Gemeinde und dem Anlieger grundsätzlich frei. Es genügt, wenn das Streugut überhaupt etwas gegen die Gefahr des Ausgleitens bewirkt. Es können also Sand, Splitt, Asche, Lava, etc. zum Einsatz kommen.


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Der Einsatz von Salz im Winter kommt uns teuer zu stehen

Nicht nur unsere Bäume werden durch das Streuen von Salz im Winter geschädigt, sondern auch...

... unsere Gesundheit: Durch Spritzwasser und Nebeltröpfchen gelangen mit den Salz-Aerosolen giftige Straßendreckpartikel in unsere Lungen.

... Autos: Gutachter schätzen, dass 50 Prozent der Korrosionsschäden an Karosserieteilen auf Salz zurückgehen. Funktionsausfälle in der Elektronik gibt es durch Kriechströme und Kontaktbrücken.

... Straßen und Gebäude: Bei Altbauten begünstigen Salze die Feuchtigkeit im Mauerwerk. Auf den Straßen führt das Salz zu großen Temperaturunterschieden zwischen aufgetauter Oberfläche und gefrorenem Untergrund. Durch so entstehende feine Spannungsrisse dringt Wasser in den Asphalt ein und kann im Winter an vielen Stellen den Straßenbelag sprengen. Besonders teuer wird die Korrosion von Stahlbeton an Brücken.

... Böden und Grundwasser: Der abfließende Salzmatsch schädigt die Böden. Durch Nebelbildung wird das Salz noch viele Meter neben den Straßen in die Böden eingetragen. Der Salzgehalt des Trinkwassers kann in Autobahnnähe während der Streusaison von 20 mg/l auf 300 mg/l ansteigen.

... Steuergelder: Eine Tonne Salz kostet rund 56 Euro, bei 2 Millionen gestreuten Tonnen macht das pro Wintersaison 112 Millionen Euro, die schließlich im Straßenrand versickern. Allein das Pflanzen eines neuen Baums kostet 500 Euro, dazu kommen die Kosten für die Fällung und den Abtransport der geschädigten Bäume. Immense Kosten entstehen der öffentlichen Hand durch die Reparatur von Salzschäden an Straßen, Brücken und Bauwerken.


Was tun?

• Schreiben Sie Ihrer Kommune und fragen, wie viel Salz zum Einsatz kommt. Machen Sie auf die Schäden an Bäumen durch Salz aufmerksam und bitten Sie Ihre Kommune auf das Streuen von Salz zu verzichten.

• Machen Sie über die Zeitung oder ein Schreiben an Ihre Kommune öffentlich, wenn Sie übermäßiges Streuen mit Salz beobachten. Viele Kommunen gehen viel verantwortungsvoller mit dem Einsatz von Streugut um, wenn Sie wissen, dass die BürgerInnen darauf achten.

• Fahren Sie selbst vorsichtig und angepasst Auto. Steigen Sie, wenn irgend möglich, auf den ÖPNV um.

• Werden Sie für den Schutz der Alleen aktiv: Bundesweit in der Alleenschutzgemeinschaft e.V., Postfach 06 01 34, 10051 Berlin, info@alleenschutzgemeinschaft.de, www.alleenschutzgemeinschaft.de, Vorsitzende: Cornelia Behm, Tel.: 030/227-71565 oder vor Ort in der Schutzgemeinschaft Brandenburger Alleen, c/o BUND, Friedrich-Ebert-Str. 114a, 14467 Potsdam, Tel.: 0331/23700142, bund.brandenburg@bund.net.

2. überarbeitete und aktualisierte Auflage, November 2010, gedruckt auf Papier mit dem Blauen Engel

ROBIN WOOD e.V. - Tel.: 0421/598288 - info@robinwood.de - www.robinwood.de/alleen


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Wer sich fürs Streuen von Salz entscheidet, nimmt Straßen ohne Bäume in Kauf
Gisela Ziehm von der Schutzgemeinschaft Brandenburger Alleen zeigt die typischen Blattrandnekrosen, die Bäume unter Salzstress ausbilden
Durch Streusalz schwer geschädigte Linden an einer Landstraße im Oderbruch, September 2005. Im Sommer auftretende Blattverfärbungen, zu früher Laubfall und partielles Kronensterben sind unverkennbare Folgen mehrjähriger Salzausbringung. Bei fortgesetztem Salzstreuen haben diese Bäume kaum Überlebenschancen
Meterweit wird die Salzlauge in die Landschaft verfrachtet
Anfang Juni 97 / Mitte August 97
Ein Spitzahorn an der B 167, Brandenburg, 1997. Streusalz sorgte dafür, dass sich bereits Anfang Juni die Blätter im oberen Kronenbereich vom Blattrand her verfärbten. Mitte August war die Krone durch vorzeitigen Blattfall schon stark gelichtet. Nach einigen Jahren war der Baum so weit geschädigt, dass er gefällt werden musste (Fotos von Bäumen im Salzstress und Bildtexte: Rudolf Behm, Eberswalde)
Die Blätter der Linden zeigen an den Stammaustrieben die für Streusalzschäden charakteristischen Blattrandnekrosen
Schluss mit der Alleenpökelei", fordert die Schutzgemeinschaft Brandenburger Alleen, 2006

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 107/4.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2011