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VERKEHR/949: NABU fordert sofortigen Stopp des Waldwegebaus in Brandenburg (NABU BB)


NABU Landesverband Brandenburg - Pressedienst Naturschutz aktuell, Potsdam, 22. April 2013

NABU fordert sofortigen Stopp des Waldwegebaus

Waldwege werden für Schwerlastverkehr ausgebaut / überdimensionierter Ausbau mit EU-Fördergeldern / schwerwiegende Auswirkungen für Wald als Erholungs- und Naturraum



Potsdam. Unter dem Vorwand des vorbeugenden Brandschutzes werden in Brandenburg zurzeit Waldwege massiv ausgebaut. Der Landesforstbetrieb will nach der Betriebsanweisung vom Februar 2012 eine ganzjährige Befahrbarkeit der Hauptwege im Wald möglichst bei jeder Witterung erreichen. Diese Wege sollen von Holztransportern mit einem Gesamtgewicht von 44 t und einer Geschwindigkeit bis zu 40 km/Std. befahren werden können. Mit dem Ziel der Waldbrandbekämpfung werden großzügig EU-Mittel eingesetzt. Zuwendungsempfänger des öffentlichen Rechts erhalten von der Europäischen Union 80 Prozent gefördert, Empfänger des privaten Rechts bekommen mit 100 Prozent sogar den gesamten Betrag. Der Naturschutzbund NABU kritisiert diesen überdimensionierten Ausbau der Forststraßen in Brandenburg scharf. "Dieser stellt", so, "einen schwerwiegenden Eingriff in den Wald als Erholungs- und Naturraum dar", so der Landesvorsitzende des NABU Brandenburg, Friedhelm Schmitz-Jersch.

Kipplader läßt Schotter ab auf Waldweg - Foto: © Daniel Bohle

Ausbau eines zuvor unbedeutenden Waldweges zur 3,5 m breiten Schotterpiste inmitten eines FFH-Gebietes. Der Lebensraum des landesweit bedeutendsten Vorkommens der in Brandenburg vom Aussterben bedrohten Kreuzotter wurde dabei zerschnitten.
Foto: © Daniel Bohle

Geplant ist der Ausbau der Hauptwege im Planquadrat von 1000 x 1000 m, welches durch Nebenwege im Abstand von 500 Metern weiter untergliedert wird. Für Hauptwege werden Fahrbahnbreiten von mindestens 3,50 Meter mit zusätzlichen befestigten Seitenstraßen und ein gehölzfreier lichter Raum von 8-10 Metern vorgeschrieben. Die Trag- und Deckschicht soll eine Mächtigkeit bis zu 60 Zentimeter erhalten und aus Recyclingmaterial oder Schotter bestehen. Obwohl eigentlich nicht zulässig findet man in dem Recyclingmaterial immer wieder auch recyceltes Bitumenmaterial.

"Waldlebensräume, ihre Artengemeinschaften und das Landschafsbild werden durch dieses Schotterstraßennetz zerstört. Wir fordern den sofortigen Stopp dieses rabiaten Straßenbaus im Wald", erklärte Landesvorsitzender Friedhelm Schmitz-Jersch. Dieses dichte Netz der Schotterpisten zerschneidet die natürlichen Lebensräume im Wald und bedroht die letzten Vorkommen stark gefährdeter Arten. Populationen von Kreuzotter, Glattnatter, Zauneidechse und zahlreiche andere Arten werden durch die Schotterstraßen erheblich beeinträchtigt. Viele dieser Arten können die Schotterstraßen nicht mehr überwinden. Die Auswirkungen, wie Barriereeffekte und permanente Tierverluste können in mehreren Fällen die ganze Population in Brandenburg gefährden. Durch die Zunahme des Verkehrs auf diesen Schotterstraßen gehen die für einige Tierarten überlebenswichtigen Rückzugs- und Ruhegebiete verloren.

Foto: © Daniel Bohle

Etablierter Jahreslebensraum einer Schlingnatterpopulation in einer Steinpackung am Rande eines Waldweges (LSG "Westbarnim"). Die weißen Pfeile kennzeichnen Aufenthaltsorte und Versteckplätze von zahlreichen Tieren, die dort in den Jahren vor der Baumaßnahme beobachtet werden konnten.
Foto: © Daniel Bohle

Foto: © Daniel Bohle

Derselbe Standort nach Ausbau der Schotterpiste (Forststraße). Das Habitat wurde samt Schlingnattern und Zauneidechsen komplett überbaut.
Foto: © Daniel Bohle

Das Naturerlebnis im Wald ist das Wandern auf natürlichen Waldwegen. Der NABU fragt die Landesregierung, wie attraktiv künftig das Wandern auf solchen für den LKW-Verkehr ausgebauten Schotterpisten in einem 1-Quadratkilometer-Raster noch für unsere Bürger und die Touristen ist. Solche Schotterstraßen, die normalen Straßen ähneln, ziehen auch zusätzlichen Verkehr von Pkws und Motorrädern an.

Foto: © Daniel Bohle

Während der Eiablage überfahrene Zauneidechsenweibchen auf einer neu ausgebauten Forststraße, inmitten eines FFH- und Landschaftsschutzgebietes im östlichen Havelland.
Foto: © Daniel Bohle

Als Grund für den rabiaten Straßenbau und für den Einsatz von EU-Mitteln nennt die Forst die Erschließung des Waldes zu Zwecken der Waldbrandbekämpfung. Die vorhandenen natürlichen Waldwege können jedoch von Löschfahrzeugen aller Art befahren werden. Feuerwehrfahrzeuge werden mittlerweile alle nach DIN produziert, Geländegängigkeit ist als anerkannte Regel der Technik vorgeschrieben. Das Tanklöschfahrzeug 16/45 ist speziell in Brandenburg für die Waldbrandbekämpfung mit Allradantrieb entwickelt worden und hat eine zulässige Gesamtmasse von 12,5 t. Selbst die größten Feuerwehrfahrzeuge liegen im Gesamtgewicht unter 20 t. Auch zuckersandige Waldwege sind unabhängig vom Grad der technischen Ausstattung von Feuerwehrfahrzeugen befahrbar. Für Fahrzeuge aus DDR-Bestand, etwa Tanklöschfahrzeuge auf W50-Basis sind trockene Waldwege kein Problem.

"Die Waldbrandbekämpfung scheidet deshalb als Vorwand für den Waldstraßenbau aus", so der NABU Vorsitzende Schmitz-Jersch. "Der Einsatz von EU-Mitteln für den Waldstraßenbau muss sofort eingestellt werden. Es drohen ansonsten Rückforderungen der EU wegen unsachgemäßen Mitteleinsatzes."

Foto: © Daniel Bohle

Im Naturschutzgebiet Riesenbruch (NP Westhavelland) baute die Stadtforst im Jahr 2010 einen 4,7 km langen Weg als Schotterpiste aus Recyclingmaterial. Die Piste zerlegte den Jahreslebensraum einer im Bundesland Brandenburg vom Aussterben bedrohten Reptilienart in Bruchstücke
Foto: © Daniel Bohle

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Quelle:
Pressedienst, 22.04.2013
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Brandenburg
Lindenstraße 34, 14467 Potsdam
Tel: 0331/20 155 70, Fax: 0331/20 155 77
E-Mail: info@NABU-Brandenburg.de
Internet: www.brandenburg.nabu.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2013