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VERBRAUCHER/094: Wir brauchen eine Papierwende ... auch auf dem Örtchen (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 195 - Dezember 2016 / Januar 2017
Die Berliner Umweltzeitung

KONSUM
Wir brauchen eine Papierwende ... auch auf dem Örtchen

Von Jörg Parsiegla


Papier ist aus dem Alltag nicht wegzudenken. Von der Zeitung oder Zeitschrift - einschließlich Werbeprospekten - über Notiz- und Druckerpapier bis hin zu Verpackungskarton ist die Liste längst nicht vollständig. Da wundert es nicht, dass der Papierverbrauch immer noch stetig wächst. Beispiel gefällig? Eine der ökologisch fragwürdigsten Produktentwicklungen der letzten Jahrzehnte: der To-go-Pappbecher. Von dem landen allein in Deutschland jährlich sechs Milliarden (Tendenz steigend) sofort nach Gebrauch im Müll. Macht rund 250.000 gefällte Bäume - einfach so weg.

Spätestens hier sollte die Frage erlaubt sein: Sind die Ressourcen für Papier unerschöpflich? Leider nicht. Weltweit landet heute jeder fünfte gefällte Baum in der Papierindustrie. Für den Hunger nach diesem Rohstoff verschwinden immer schneller die letzten Urwälder mit ihrer unwiederbringlich verloren gehenden Artenvielfalt. Darüber hinaus verbraucht die Papierherstellung viel Energie und Wasser und verursacht Umweltprobleme durch giftige Stoffe. Zeit etwas zu unternehmen, und seien es auch kleine, aber erste Schritte, die im Prinzip jeder gehen kann.

Die wichtigsten Maßnahmen zur Senkung des Papierverbrauchs sind das Papiersparen und der Umstieg auf Recyclingpapier. Diesem Ziel hat sich in Berlin das Netzwerk Papierwende verschrieben.

Papierwende Berlin

Das Netzwerk Papierwende Berlin wurde 2004 gegründet. In ihm sind 16 Berliner Umweltverbände sowie die Berliner Stadtreinigung BSR vertreten. Ziel ist es, den ressourcenschonenden Umgang mit Papier zu fördern. Dies schließt einen Bildungs- und Beratungsauftrag ein. So vermittelt Papierwende Umweltpädagogen für Unterrichtsbesuche an Schulen, ist auf Straßenfesten, bei Projekttagen und mit altersgerechten Ausstellungen zum Thema Papier und Umwelt präsent. Papierwende berät aber auch Unternehmen und Verbraucher zu nachhaltigem Umgang mit Papier. Auf der Website des Netzwerks finden Interessierte Informationen und Alltagstipps.

Gefördert wird Papierwende aus Mitteln der Recycling-Initiative "Trenntstadt Berlin".

Den "Welt-Toiletten-Tag" der Vereinten Nationen am 19. November nahm das Netzwerk zum Anlass, eine sehr diffizile Art des ressourcenschonenden Umgangs mit Papier zu thematisieren.

Das, was sich hinter der geschlossenen Klotür abspielt, gehört zu den privatesten menschlichen Handlungen - und hat doch gewaltige gesundheitliche, sozio-ökonomische und ökologische Konsequenzen. Mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung haben keinen Zugang zu hygienischen Sanitäreinrichtungen. Verschmutztes Wasser, die daraus resultierende Verbreitung von Erregern, Krankheiten und Arbeitsausfälle sind die Folge.

Aber auch für die Umwelt hat der banale (europäische) Toilettengang weitreichende Konsequenzen - allein schon wegen der Papiermengen, die dabei bedenkenlos weggespült werden und schon mal das Innenleben von Klärwerken verstopfen. Recycling-Toilettenpapier wäre die Lösung. Es ist umwelt- und hautverträglich, aber genießt aufgrund mangelnder Aufklärung keinen besonderen Ruf.

"Wir wenden das Blatt"

Diese Überschrift möchte das Netzwerk durchaus zweideutig verstanden wissen - und gibt noch einen drauf. Die schon fast provokante Frage "Wieviel Flausch braucht (d)ein Po?" soll nicht nur zum Nachdenken anregen, Papierwende Berlin möchte damit auch einen bewussteren Umgang mit Toilettenpapier anmahnen.

In den reichen Industriestaaten entsteht durch den Gang zum Klo eine erhebliche Umweltbelastung infolge des Papierverbrauchs. Die "paar Blatt" Papier, die jedes Mal weggespült werden, summieren sich. So lag der jährliche Durchschnittsverbrauch (pro Person) in Deutschland zuletzt bei rund 18 Kilo Hygienepapier, Tendenz steigend: Zurückgeschaut lässt sich seit dem Jahr 2000 sogar eine Verdoppelung des Bedarfs an Hygienepapieren ausmachen. Schuld hat vor allem der Griff zu Toilettenpapier mit immer mehr Lagen. Das hat Folgen: Weltweit verschwindet in jeder Minute eine Waldfläche, die so groß ist wie 35 Fußballfelder.

Papier, das einmal in der Kanalisation schwimmt, ist dem Recyclingkreislauf entzogen. Umso sinnvoller wäre es, bei Toilettenpapier - und anderen Hygienepapieren - zu Recyclingpapier zu greifen. Das hilft, nicht nur Wälder zu erhalten, es werden auch bis zu 60 Prozent Energie und 70 Prozent Wasser im Vergleich zur Frischfaser-Papierherstellung gespart. Zudem fallen deutlich weniger Kohlendioxid-Emissionen an als bei der Zellstoffgewinnung aus Holz. Aber trotz dieser guten Ökobilanz sank der Recyclingpapieranteil beim Hygienepapier auf weniger als 50 Prozent (im Jahr 2001 waren es noch 77 Prozent). Eine Ursache sind sicherlich falsche Annahmen über die Qualität von Recycling-Toilettenpapier. Warum sonst sollten viele Verbraucher_innen Papier aus frischen Holzfasern vorziehen? Aufklärung tut not.

Hohe Qualität

Recycling-WC-Papier ist weder dünn noch rau oder grau. Die Stiftung Warentest und das Verbrauchermagazin Öko-Test bestätigten in zwei unterschiedlichen Testreihen, dass Recycling-WC-Papier ebenso reißfest, weich und saugfähig ist wie die Papiere aus frischen Holzfasern. Allenfalls die Werbung der Frischfaser-Hersteller "mit Duft, Flausch und Blümchen" dürfte bei den Konsument_innnen verfangen haben. Und zugegeben, bunte Farben, Verzierungen und Muster sowie zarte Düfte auf Frischfaser-WC-Papier wirken ansprechend.

Recycling-WC-Papier ist hingegen meist schlicht weiß, was aus gesundheitlicher Sicht jedoch von Vorteil ist. Denn Druckfarben und künstliche Duftstoffe können hautreizend sein und Allergien auslösen. Auch den "Sterilitätstest" besteht das WC-Recycling-Papier. Die Herstellung von Hygienepapieren aus Altpapier erfolgt unter sehr hohen Temperaturen, sodass eventuelle Keime und Bakterien abgetötet werden. Selbst Chemie-Rückstände sind nicht zu befürchten, auch hier belegen Tests die Schadstofffreiheit von Recycling-WC-Papier. Sowieso benötigt der De-Inking-Prozess, die Entfärbung des Altpapiers, viel harmlosere Chemikalien als die Zellstoffgewinnung aus Holz!

Schließlich sollte auch ein ideeller Vorteil der Verwendung von Recycling-WC-Papier bedacht werden: Das Wissen, der Natur etwas Gutes zu tun, indem Bäume gerettet werden.

Übrigens, umweltfreundliches Papier (nicht nur WC-Recycling-Papier) erkennt man am wahrscheinlich bekanntesten deutschen Umweltzeichen, dem "Blauen Engel", der sowohl für Ressourcen- als auch für Verbraucherschutz steht. Mit diesem Zeichen gekennzeichnetes Papier besteht zu 100 Prozent aus Altpapier.


Mehr Informationen:

www.papierwende-berlin.de

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 195, Seite 20
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2017

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