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WALD/148: Das Totschweigen im Walde (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 138/3.2018

Das Totschweigen im Walde
Waldschäden 2017

von Rudolf Fenner


Wie schon im letzten Jahr: Eine Presseerklärung der Bundesregierung zum alljährlichen Waldschadensbericht 2017 gab es auch dieses Jahr nicht. Und so blieb auch ein Presseecho aus, als der Bericht Ende April - so spät wie noch nie - klammheimlich auf die Homepage gestellt wurde. Kaum jemand hat's gemerkt. Wer dann doch mal zufällig auf die Seiten des für die Wälder zuständigen Landwirtschaftsministerium gerät und die wenigen zusammenfassenden Zeilen zum Bericht liest, wird getrost und zufrieden weiterklicken. Denn: Allen wesentlichen Baumarten - außer den Eichen - gehe es besser als im Vorjahr, so heißt es im Bericht. Besonders gut erholt hätten sich die Buchen.

Doch die Fakten zeichnen ein ganz anderes Bild:

  • Bei 66 Prozent aller Waldbäume in Deutschland wurden im vergangenen Jahr Blatt- bzw. Nadelverluste gefunden (Schadstufen 1 bis 4). Als Mitte der 1980er Jahre die ganze Republik erschreckt über die zunehmenden Schäden in den Wäldern über Maßnahmen gegen das Waldsterben diskutierte - lagen solche Blattverluste lediglich bei Werten unter 60 Prozent.
  • Die stärksten Schäden zeigen die für naturnahe Wälder Mitteleuropas charakteristischen Buchen und Eichen. Nur 25 Prozent dieser Bäume ließen 2017 keine Schäden erkennen.
  • 2016 lagen die Blattverluste der Buchen vor allem wegen des ungewöhnlich trockenen Jahres 2015 extrem hoch: Sichtbare Schäden gab es bei 88 Prozent der Buchen. Lediglich von diesem zusätzlichen Stress haben sich die Buchen inzwischen erholt. Ihr aktueller Schädigungsgrad von 75 Prozent liegt aber weiterhin auf dem hohen Schadensniveau der letzten zwei Jahrzehnte.
  • Es sind vor allem die in die Atmosphäre emittierten Stickstoffverbindungen, die den Wald schädigen: Stickoxide aus dem Verkehrs- und Energiebereich sowie Ammoniak (NH3) aus der landwirtschaftlichen Tierproduktion. Stickoxide und Ammoniak werden unter dem Begriff reaktiver Stickstoff zusammengefasst.
  • Während in den letzten drei Jahrzehnten vor allem der Einbau von Entstickungsanlagen in Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke und vom Katalysator im Verkehrsbereich zu einer Reduktion der Stickoxid-Emissionen geführt haben, ist bei den Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft in den letzten 25 Jahren keine Minderung festzustellen. Seit 2003 ist der Landwirtschaftssektor der größte Emittent von reaktivem Stickstoff in die Atmosphäre (siehe Grafik der reaktiven Stickstoff-Emissionen seit 1990).

Entwicklung der Stickstoff-Emissionen in der Luft - Grafik: © ROBIN WOOD

Grafik: © ROBIN WOOD

Die Stickstoff-Emissionen aus der Landwirtschaft sind heute mehr als dreimal so hoch wie die aus dem Verkehrsbereich (siehe Tortengrafik).


Stickstoff-Emissionen in Deutschland - Grafik: © ROBIN WOOD

Grafik: © ROBIN WOOD

Schon lange will das Bundeslandwirtschaftsministerium die anhaltenden Waldschäden aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden lassen. Am liebsten wäre es dem Ministerium, die jährlichen Erhebungen der Schäden in den Wäldern ganz einzustellen. Das immerhin konnte - auch durch den Protest von ROBIN WOOD und anderen Umweltorganisationen verhindert werden. Nun wird auf andere Weise versucht, die Diskussion um die Immissionsschäden in den Wäldern einschlafen zu lassen: Der Veröffentlichungstermin des jährlichen Berichts über die Schäden in den Wäldern - ursprünglich im November des gleichen Jahres - wurde immer weiter nach hinten verschoben, wie jetzt bis in das Frühjahr des Folgejahres. Die jährliche Bundespressekonferenz zur Vorstellung des Berichts wurde schon vor Längerem eingestellt. Jetzt erscheint noch nicht einmal mehr eine Presseerklärung, wenn das Ergebnis der Schadenserhebung ins Netz gestellt wird. Und wenn sich Ministeriale doch mal äußern müssen, dann erklären sie den Wald zum Tausendsassa und Multitalent und weisen auf vermeintliche Erholungstendenzen hin. Oder wie Julia Klöckners Amtsvorgänger Christian Schmidt: Der erklärte gleich zum Amtsantritt den Wald für im Kern gesund. Und der jährliche Bericht, ursprünglich hieß er mal Waldschadensbericht, heißt heute längst Waldzustandsbericht. Und in Bayern wird er womöglich bald zum Waldgesundheitsbericht.

Es ist höchste Zeit, das Thema Waldsterben dem Landwirtschaftsministerium zu entziehen!


Rudolf Fenner, Waldexperte ROBIN WOOD, Hamburg Siehe auch www.robinwood.de/waldsterben

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 138/3.2018, Seite 30 - 31
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Verlag:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2018

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