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VERKEHR/1169: Binnenschifffahrt ja, aber wo und wie? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2018

Lebensadern unserer Erde
Flüsse - begradigt, gestaut, zerstört.

Binnenschifffahrt ja, aber wo und wie?
Über ökologische Grenzen und ökonomische Fehlinvestitionen

von Sebastian Schönauer


Die Binnenschifffahrt genießt den Ruf, ein ökologisches, sauberes und kostengünstiges Transportmittel zu sein, das die Straßen vom überbordenden LKW-Verkehr entlasten und den Gütertransport weit billiger als die Bahn erledigen könne. Aus diesem Grund wird sie auch seitens der Regierung als ökologische Alternative proklamiert und finanziell gefördert. Diese hartnäckig verbreitete Ansicht hält jedoch weder einer Prüfung hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit noch der ökologischen Verträglichkeit stand. Die seit Jahrzehnten in Richtung Ausbau betriebene "Flusspolitik" bedarf einer umfassenden Revision, bei der sich die verkehrlichen Belange der Binnenschifffahrt neben der Ökologie als ein Baustein einzuordnen haben.


In der Politik gilt das Binnenschiff als das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, dem am liebsten der gesamte Transport anvertraut werden würde. Gerade die rot-grüne Regierung war es, die 2001 mit ihrem Antrag "Potenziale im Wasserstraßentransport umwelt- und naturverträglich nutzen, Intermodalität stärken" im Bundestag den Ausbau der Binnenwasserstraßen als Ausweg aus dem immer stärker werdenden LKW-Transportverkehr nutzen wollten. Statt sich um Verkehrsvermeidung, weniger Umweltbelastung, weniger Ressourcenverbrauch und weniger Energieverbrauch zu kümmern, ging auch in diesem zentralen Bereich der Politik jegliches Maß verloren. Die Steigerung des Transportverkehrs wurde zum Maß aller Dinge erklärt. So hieß es im Antrag: "Jede Tonne, die statt auf der Straße umweltschonend und ökonomisch effizient auf dem Wasserweg transportiert wird, ist ein Beitrag zur Engpassbeseitigung auf unseren Straßen".

Aus ökologischer Sicht untragbar
Nicht berücksichtigt wird, wie massiv der ständige Ausbau und vor allem der Bau von neuen Wasserstraßen in unsere Flusslandschaften eingreifen und sie ökologisch zumeist irreversibel zerstören. Durch die Begradigung mit Verkürzung des Flusslaufes, den Bau von Staustufen und Uferbefestigungen werden Auenlandschaften zerstört, aus dem "ökologischen Rückgrat unserer Landschaften" werden zu Kanallandschaften degradierte Staustufengewässer. Heute sind nicht einmal mehr 10 Prozent der Flüsse und Flussauen Deutschlands als natürlich oder naturnah zu bezeichnen.

Eine Kanalisierung unserer Flüsse macht weder ökonomisch noch ökologisch Sinn. Die bisherige Verkehrspolitik hat immense Flächen und Ressourcen verbraucht und ökologisch intakte Landschaften unwiederbringlich zerstört. Trotz gewachsenen Wissens über ökologische Zusammenhänge sollen auch weiterhin noch vorhandene, relativ naturnahe Fließgewässer verbaut werden. Der Binnenschifffahrt sind bisher rund 80 Prozent sämtlicher Flussauen geopfert worden und diese Entwicklung reißt nicht ab. Wertvolle Biotope sind so verloren gegangen, und die Auswirkungen auf den Lebensraum vieler vom Aussterben bedrohter Pflanzen- und Tierarten der Flusslandschaften sind vielerorts irreversibel. Die Umgestaltung der Flussläufe hatte überregionale Auswirkungen auf die Regulation des Wasserhaushaltes, die Wasserqualität und das Grundwasser. Die zunehmenden Überschwemmungen an den Unterläufen der Flüsse sind weitgehend ein direktes Produkt dieser Eingriffe. Im Wertesystem unserer Gesellschaft ist offensichtlich kein Bewusstsein darüber vorhanden, dass Flüsse die Lebensadern unseres Planeten sind. Anders ist es nicht zu erklären, dass alle anderen Belange wie Naturschutz, Erholung, Wasserwirtschaft, Hochwasserschutz etc. der Zweckbestimmung als Wasserstraße untergeordnet werden. Die Forderung nach dem Schutz wertvoller Lebensräume im Ausland, wie z. B. den tropischen Regenwäldern, ist mittlerweile schon fast ein Selbstverständnis. Andererseits sind wir aber in unserem eigenen Land nicht in der Lage, unsere letzten wertvollen Biotope vor Zerstörung zu schützen.

Energieintensiv und schmutzig
Aber auch andere Nachteile und Schäden an Natur und Mensch, die durch den Schiffverkehr entstehen, wurden bisher kaum thematisiert. Dass die meisten Schiffe mit ihren Dieselmotoren ebenso den gefährlichen Dieselruß (Black Carbon) neben anderen Dieselabgasen ausstoßen, während die LKWs mittlerweile mit Dieselrußfilter entgiftet werden, gerät immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Zunehmend verlangen Hafenstädte, die Dieselmotoren der "Touristenflotte" während der Liegezeiten im Hafen abzuschalten und die notwendige Stromenergie für die Gesamtversorgung von Licht über Kühlung, Heizung bis hin zu Küche und Wasserversorgung über das Kabel eines Hafenanschlusses geliefert zu bekommen. Ähnlich wie die Luxusdampferflotte wehren sich die Binnenschiffer gegen diese eigentlich schon längst fällige Maßnahme mit dem Argument der "zu hohen Kosten", das auch von den VerkehrslobbyistInnen gerne aufgegriffen wird.

Binnenschifffahrt muss - wie jeglicher Verkehr - billig sein, damit die Transportkosten möglichst niedrig bleiben. Diesem Prinzip dient auf der einen Seite die bewusste Parallelförderung von Straße, Schiene und Schifffahrtsstraße, wie sie von der damaligen Bundesregierung beschlossen und als erwünschtes Ziel ihrer Milliardensubventionen für den Ausbau der Verkehrswege ausgegeben wurden. Auch das "Ausflaggen" der Schiffe, das Fahren unter der Flagge von Ländern, die wie bei den "Steueroasen" keine oder kaum Steuern verlangen, verschafft den BesitzerInnen darüber hinaus noch den Vorteil, Besatzungen meist aus Drittländern mit Billigstlöhnen anwerben zu können. Beides dient nicht nur der Profitmaximierung, sondern gleichzeitig der Verbilligung des Transports.

Absicht dieser Politik ist, dass die wahren Kosten des Transports, ebenso wie die Kosten bei den ökologischen Schäden, wie auch bei der Ausbeutung der Arbeitskraft im Sozialdumping externalisiert bleiben, d. h. sich nicht im Preis des Endprodukts wiederfinden. So erzeugt das System der Globalisierung GewinnerInnen, die sich um die Folgen für Mensch, Natur oder Klima nicht kümmern (müssen) und VerliererInnen, die die externalisierten Folgekosten in diesem ausgeklügelten System auszubaden haben.

Der parallele Ausbau dreier miteinander konkurrierender Verkehrsträger ist weder ökologisch noch volkswirtschaftlich vertretbar, weil er den Transport auf Kosten der Allgemeinheit verbilligt und dadurch immer mehr Verkehr erzeugt. Dieses System muss durchbrochen werden. Eine verantwortungsbewusste, den folgenden Generationen verpflichtete Verkehrspolitik bedeutet in erster Linie Verkehrsvermeidung.

Auch ökonomisch nicht immer rentabel
Ökonomisch gesehen ist der Bau eines Kanals, der, wie der wie am RheinMain-Donau-Kanal, mit riesigen Hebewerken Schiffe über den fränkischen Jura transportiert, nicht nur ökologischer, sondern auch ökonomischer Unsinn. Statt Milliarden Euro teure Schiffshebewerke, Staudämme und Hunderte Kilometer Flussdeiche zu bauen, sollte der Transport der Massengüter auf die bereits vorhandene und umweltfreundliche Schiene verlagert und so die Auslastung der Bahn erhöht werden.

Zudem ist der Langdistanztransport vom Hafen Amsterdam nach Südeuropa auf dem Seeweg über das Mittelmeer schneller, billiger und verursacht weniger ökologische Schäden.

Die Begradigung und Kanalisierung der Flüsse für die Schifffahrt führt zu schnellerem und verstärktem Abfluss des Wassers. Zusätzlich ist die Kompensation des Hochwassers durch die Zerstörung der Auen verloren gegangen, was, wie wir es in den vergangenen Jahren erlebt haben, zu einer verstärkten Hochwassergefährdung für die Unteranlieger führt und enorme volkswirtschaftliche Schäden verursacht.

Binnenschifffahrt ja, aber wo?
Die deutsche Binnenschifffahrt benutzt zurzeit rund 7.300 Kilometer Bundeswasserwege. Jedoch wird die Masse der Transportmenge auf den Unterläufen der großen europäischen Ströme bewegt. So beträgt der Güterverkehrsanteil allein von der Mündung bis zum Oberlauf des Rheins ca. 80 Prozent des gesamten Frachtaufkommens Deutschlands. Dort sind die ökonomischen und mit Abstrichen auch die ökologischen Bedingungen gegeben. Die restlichen 20 Prozent des Frachtaufkommens verteilen sich mit nennenswerten Transportmengen auf die übrigen Binnenwasserstraßen wie Donau, Main und marginal die Elbe. Aber auch hier entfällt der Löwenanteil des Frachtaufkommens auf eine kurze Strecke vom Seehafen Hamburg bis Geesthacht. Der Transport auf den Mittel- und Oberläufen der deutschen Wasserstraßen bleibt meist in marginalen Grenzen.

Der Verkehrsnutzen des Wassertransportes an den Mittel- oder gar Oberläufen unserer Flüsse, insbesondere dort, wo es gilt, die Wasserscheiden in den deutschen Mittelgebirgen zu überwinden, geht gegenüber der Alternative Bahn fast gegen Null. Am Rhein-Main-Donau-Kanal zwischen Nürnberg und Kehlheim ist kaum Transportbewegung zu beobachten, Ausflugsdampfer und Sportboote bestimmen das tägliche Bild. Dafür unsere Fließgewässer zu opfern, ist unverantwortliche Politik und muss eingestellt werden.

Anstatt dass weitere Ausbaupläne für Verkehrswege in Erwägung gezogen werden, muss mit allen Mitteln das stetige Anwachsen des Güterverkehrs in Europa gestoppt werden, um weiteren Flächenverbrauch, weitere massive Eingriffe in die sensiblen Flusssysteme und das immense Anwachsen der CO2-Emissionen zu verhindern.


Autor Sebastian Schönauer ist Sprecher des BUND AK Wasser und stellvertretender Landesvorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern, sowie Mitglied im Präsidium des Deutschen Naturschutzrings.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Rundbrief 4/2018, Seite 22 - 23
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2019

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