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ARCHITEKTUR/114: Hochhinaus mit Holz(hoch)häusern (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 193 - August/September 2016
Die Berliner Umweltzeitung

Hoch hinaus mit Holz(hoch)häusern
Über die Wiederentdeckung eines der ältesten Baustoffe

von Konstantin Petrick


Holz als Baustoff für heutige mehrgeschossige Neubauten? Vor 20 Jahren war das noch kaum vorstellbar, aber inzwischen rückt sich der ehemals archaische Baustoff immer mehr ins Sichtfeld der Bauindustrie. Schritt für Schritt erhielten Holzhäuser in Städten auf der ganzen Welt erneut Einzug und das, obwohl die Skepsis gegenüber den Holzbauten erst noch überwunden werden musste. Es ist allerdings nicht verwunderlich, warum man jetzt gerade wieder anfängt, das Holz als Baustoff wertzuschätzen, da wir vor großen ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen stehen. Holz kann viele dieser Probleme verbessern - so wie es in unserer Vergangenheit auch getan hat.

Herrliches Holz

Von Australien über Amerika bis nach Österreich und Deutschland - Holzhäuser zeichnen sich durch vielerlei Vorteile gegenüber herkömmlichen Baumaterialien aus. Zum einen hat Holz die gleiche Tragfähigkeit wie Stahl und die fast gleiche Druckfestigkeit wie Beton, die es zu einem alternativen Baumaterial macht. Zum anderen ist Holz ein sehr guter Dämmstoff für Gebäude sowie "verantwortlich" für ein gutes, ausgewogenes Raumklima. Zu beachten ist auch, dass Holz ein relativ leichtes Baumaterial ist und zu sehr großen Teilen wieder recycelt werden kann sowie problemlos bearbeitet werden kann. Des Weiteren ist Holz aufgrund seiner großen Verfügbarkeit und dem sehr geringen Herstellungsaufwand wieder auf dem Vormarsch. Computergesteuerte Fräsen stellen die fertigen Bauteile mit einer Genauigkeit und Schnelligkeit und unabhängig von der Wetterlage her, so dass dadurch ziemlich viel Zeit gewonnen wird. Auch das Zusammenbauen der einzelnen Holzelemente geht sehr zügig und einfach, wie bei einem IKEA-Schrank.

Das schnelle Bauen spart natürlich auch Geld. Wie allgemein bekannt sein dürfte, brauchen Bäume nur Erde, Wasser, Licht und Luft, um zu wachsen. Währenddessen verwandeln die Bäume klimaschädliches CO2 in Sauerstoff, weshalb die CO2-Bilanz dieser "neu-alten" Häuser weitaus besser ist, als die der normalen Stahlbetonbauweise. Pro verbautes Kilogramm Holz werden laut einer 2013 erschienenen Studie im Journal for Sustainable Forestry circa neun Kilogramm CO2 eingespart, weil weniger Stahl und Zement hergestellt werden müssen. Holz ist außerdem ein guter Kohlenstoffspeicher. In einem Kilogramm Holz befinden sich circa ein halbes Kilogramm Kohlenstoff - wird das Holz jedoch verbrannt, wird der im Holz gespeicherte Kohlenstoff wieder freigesetzt und verschmutzt so unsere Luft. Auch die Energiekosten für die Verarbeitung von Bäumen zu Bauholz sind deutlich geringer als die Herstellung von Stahl, Beton oder Aluminium.

Warum erst jetzt?

Anschließend daran stellt sich nun die Frage, warum nur drei Prozent der mehrgeschossigen Bauten in Deutschland aus Holz gebaut sind. Ein Grund dafür dürfte die moderne Architektur sein, die ohne die klassischen Baustoffe, wie Glas, Stahl oder Beton nicht zu Stande gekommen wäre - und da steht Holz als ein antiquierter Baustoff den Prinzipien der Moderne im Weg. Zudem sind die Vorurteile gegenüber den Baustoff Holz noch immer fest in den Köpfen verankert, und bisher ist kein beziehungsweise wenig Umdenken in der Vergangenheit erfolgt. So assoziieren viele Menschen weiterhin mit Holzhäusern die Holzbauten der Nachkriegszeit, die im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt waren und leicht niederbrannten oder auch Holzhütten aus dem Mittelalter. Der Berliner Architekt, Tom Kaden, und viele weitere, Professoren, Ingenieure und Architekten, sind da anderer Meinung. Kaden meint, dass "Holz den meisten anderen Materialien bauphysikalisch überlegen ist". Das Bauholz von heute hat fast nichts mehr mit dem Sperrholz von vor siebzig Jahren gemeinsam und hat eine lange Entwicklung hin zum Kreuzlagenholz oder Brettsperrholz durchlaufen. Mit diesem Holz lassen sich 16 Meter lange, drei Meter breite und 50 Zentimeter dicke Massivholz-Platten für den Häuserbau herstellen. Dieses Hightech-Holz erreicht in der Feuerwiderstandsklasse die Kategorie "beständig", das auch die letzten Skeptiker von den Holzhochhäusern überzeugen dürfte. Selbst im Brandfall bleibt das Kreuzlagenholz stabil, da es nur von außen verkohlt und im Inneren geschützt wird.

Ausblick für den Holzhausbau

Der Wettbewerb um das höchste Holzhochhaus ist entbrannt: In Wien soll das 24 stöckige und 84 Meter hohe Holzhaus bis 2018 fertig gestellt sein. Es wäre damit das größte Holzhochhaus der Welt - zumindest vorerst. Denn in Stockholm ist ein 34 stöckiges und 100 Meter hohes Holzhochhaus geplant. Schweden nimmt allgemein eine Vorreiterrolle im Holzhochhausbau ein, da inzwischen 12 Prozent aller mehrgeschossigen Neubauten aus Holz gebaut werden. Auch in Chicago ist ein 42 stöckiges Holzhochhaus geplant.

Die deutschen Bauordnungen sollten dahin gehend verändert werden, dass man Holzhochhäuser ohne großen Mehraufwand realisieren kann. Wenn sie geändert würden, würde man sehr viel CO2 einsparen und den Klimawandel somit verlangsamen. Bisher sind nur fünfgeschossige Holzhäuser zulässig. Für höhere Holzhäuser muss eine Sondergenehmigung beantragt werden.

In Deutschland gibt es immer mehr Holzhäuser, und viele weitere sind in Planung. In Berlin begann alles 2008 in der Esmarchstraße drei in Prenzlauer Berg. In einer Baulücke wurde ein sieben stöckiges Holzhaus von Tom Kaden und Tom Klingbeil gebaut. Dem Engagement der Architekten ist es zu verdanken, dass dieses Haus jetzt steht, da sie zwei Befreiungen der Berliner Bauordnung erreichen konnten. "Wir haben beim Bau in jeder Beziehung Neuland betreten", sagt Tom Kaden. Auch neu sind die Holz-Beton-Verbunddecken, die ein sehr guter Schalldämpfer sind und aufgrund des Holzanteils hervorragende thermische Eigenschaften aufweisen. Selbst beim Brandschutz sind Holzstützen - entgegen aller Kritik - ein hilfreiches Mittel - sie fangen zwar schneller Feuer, dafür halten sie in der Regel einem Brand länger als Stahl stand. Des Weiteren ist die Abbrennrate bei Holz besser berechenbar, so dass selbst verkohlte Balken noch einiges an Last tragen können. Dieses Holzhaus war eins der ersten innerstädtischen Holzhäuser und zeigte damit auch, dass die Holzbauweise in Berlin durchaus angekommen und durchführbar ist. Das Haus in der Esmarchstraße ist nun zum Vorzeigeprojekt für weitere Holzbauten in Berlin und Deutschland geworden.


Weitere Informationen:
www.klimaretter.info/wohnen/hintergrund/21208-zurueck-in-die-zukunft-mit-holz

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 193, Seite 6
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
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Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2016

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