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CHEMIE/237: Schöne bunte Plastikwelt - Bunt und gefährlich (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 104/1.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

titel
Bunt und gefährlich


Chemikalien lösen sich aus Kunststoff, gelangen in den Körper und können gravierende Gesundheitsschäden verursachen, von Allergien und Fettleibigkeit bis hin zu Herzkrankheiten, Unfruchtbarkeit und Krebs. Die Auswirkungen, die die Produktion, der Gebrauch und die Entsorgung von Kunststoffen auf den menschlichen Organismus haben können, sind noch nicht vollständig absehbar. Oft genug ist unklar, welche Stoffe eine Verpackung, ein Spielzeug, ein Gebrauchsgegenstand genau beinhaltet. Die bekannten Probleme sind jedoch beunruhigend genug.


Wir essen sie, atmen sie ein und nehmen sie über die Haut auf: Weichmacher, auch als Phthalate bezeichnet. Erst die Zugabe von diesen Stoffen verleiht dem an sich harten und spröden Kunststoff elastische Eigenschaften - und ermöglicht damit viele Anwendungen, z.B. als Bodenbelag, in Tapeten, Duschvorhängen, Lebensmittelverpackungen, Taschen, Schuhen, Sport- und Freizeitartikeln und und und. Produkte aus WeichPVC bestehen durchschnittlich zu 30 bis 35 % aus Weichmachern, jedoch kann der Anteil bis zu 70% betragen. Sie sind dort nicht fest gebunden, dünsten aus (jede/r kennt den typischen Geruch nach "neu"), können ausgewaschen werden und verteilen sich durch Abrieb von Kunststoffpartikeln. Menschen sind einer ständigen Belastung durch diese höchst problematischen Stoffe ausgesetzt, und so sind bei uns allen Phthalate im Blut nachweisbar. Da sie als höchst fortpflanzungsgefährdend und krebserregend gelten, sind die gefährlichsten Weichmacher EU-weit inzwischen zumindest in Spielzeug und Babyartikeln verboten.

Bisphenol A (BPA) ist nicht nur eine der wichtigsten und meistproduzierten Chemikalien der Welt (410.000 Tonnen werden jährlich innerhalb Deutschlands vermarktet), sondern auch Gegenstand vieler kritischer Studien. Ursprünglich wurde BPA in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts als synthetisches Östrogen entwickelt. Dass es sich auch für die Kunststoffherstellung eignet, fand man erst später heraus. Als Komponente bei der Herstellung von Polycarbonat und Kunstharzen findet man BPA überall: Autoteile, Zahnfüllungen, CDs, Plastikschüsseln, die Innenbeschichtungen von Konservendosen und Babyfläschchen enthalten die Substanz, die hormonell wirksam ist. BPA kann sich ganz einfach beim Kontakt mit Lebensmitteln aus dem Produkt lösen und ist dann dort nachweisbar, wird also mit verzehrt. Schon geringste Mengen davon können den Hormonhaushalt und unser endokrines System beeinflussen, das zahlreiche Körperfunktionen wie Stoffwechsel, Immunsystem, Verhalten und Wachstum sowie die Organentwicklung während der Schwangerschaft und in der Kindheit reguliert. U.a. wird die generelle, rapide Abnahme der Spermienanzahl mit BPA in Verbindung gebracht, außerdem die verfrühte Geschlechtsreife bei Mädchen, Übergewicht bei Jugendlichen und Erwachsenen, Diabetes Typ 2 (früher Altersdiabetes genannt) sowie die Zunahme an Prostata- und Brustkrebsfällen. Inzwischen geht man davon aus, dass geringste Mengen dieser Substanz sogar schädlicher sein können als eine große Dosis. Industriefinanzierte Studien bestreiten diese "Theorie der geringen Menge" - das macht gleichzeitig deutlich, wie wichtig eine unabhängig finanzierte Risikobewertung ist.

Andere gefährliche Stoffe finden sich in den beliebten Getränkeflaschen aus PET (Polyethylenterephthalat). Sie setzen gesundheitsschädliches Acetaldehyd und das giftige Schwermetall Antimon frei, das dann über die enthaltenen Flüssigkeiten in den Körper gelangt.

Mit dem billigsten, robustesten und allgegenwärtigsten Material, das je erfunden wurde, setzen wir die Gesundheit und das Leben zukünftiger Generationen aufs Spiel. In vielen Bereichen sind Kunststoffe unersetzlich oder haben unschlagbare Vorteile; ein Leben völlig ohne ist deshalb weder vorstellbar noch wünschenswert. Aber in vielen Anwendungen des täglichen Lebens gibt es alternative Möglichkeiten. Getränke gibt es nach wie vor in Glasflaschen, auch wenn sie schwerer sind und manchmal zu Bruch gehen. Dafür ist sogar der Geschmack authentischer, denn der wird von dem sich aus PET-Flaschen lösende Acetaldehyd beeinträchtigt. Auch sonst lassen sich im Haushalt viele Plastikgegenstände durch solche aus Glas, Porzellan, Metall oder Emaille ersetzen - Messbecher, Rührschüsseln, Bratenwender oder Brotdosen sehen oft sogar besser aus. Und in einer Schüssel mit einem Teller als Abdeckung lassen sich Reste vom Mittagessen ebenso gut im Kühlschrank aufbewahren wie in einer Tupperdose.


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 104/1.2010, S. 8
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2010