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VERBAND/027: Solarenergie-Förderverein zur Absenkung der Einspeisevergütung für Photovoltaik (SFV)


Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV)

SFV-Rundmail 14.1.10 zur Absenkung der Einspeisevergütung für Photovoltaik

1. Strategische Überlegungen 2. Folgen der übermäßigen Degression 3. Unbegründete Angst vor den goldenen Nasen 4. Differenzierung der Anlagengrößen 5. Die Forderungen des SFV zur Einspeisevergütung 6. Bund der Energieverbraucher für Beibehaltung der bisherigen Förderbedingungen


1. Strategische Überlegungen

Der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) ist der größte deutsche Umweltverein mit dem Hauptarbeitsgebiet Solarstromversorgung. Der SFV war maßgeblich beteiligt bei der Einführung des Prinzips der kostendeckenden Einspeisevergütung. Der SFV ist als nicht ständiger Vertreter bei der Clearingstelle EEG beteiligt. Und der SFV arbeitet seit Jahren an der Information der Öffentlichkeit zu den Möglichkeiten einer vollständigen Energiewende.

Der SFV bedauert, dass er zu der Vorbesprechung zum Thema Einspeisevergütung für Photovoltaik am 13.01.10 im Bundesministerium für Umwelt nicht eingeladen wurde. Umweltgesichtspunkte standen bei dieser Besprechung offenbar nicht zur Diskussion.

Auf folgende Punkte machen wir nunmehr öffentlich aufmerksam:

15 Klimakonferenzen haben die Bedrohung der menschlichen Zivilisation deutlich gemacht und den Beweis geliefert, dass internationale Vereinbarungen nicht rechtzeitig und nicht mit ausreichender Wirksamkeit zustande kommen. Es verbleiben somit nur noch nationale Maßnahmen, im Wesentlichen eine gezielte Markteinführung der Erneuerbaren Energien durch energische Nachfragesteigerung im eigenen Land. Mit der starken Nachfragekraft eines nicht ganz unvermögenden 80 Millionen-Volkes würde eine solche Entscheidung der globalen Markteinführung durch Massenproduktion neuen Schwung verleihen und könnte auch anderen Volkswirtschaften als Vorbild dienen, sie wahrscheinlich auch "mitreißen". Diese Handlungsoption zu nutzen, sind wir angesichts der Bedrohungslage insbesondere unseren jungen Mitbürgern und deren Nachkommen gegenüber verpflichtet.

Eine solche strategische Entscheidung zu treffen, steht der Bundeskanzlerin zu, die die Richtlinien der Politik zu bestimmen hat. Vom Minister für Umwelt(!) erwarten wir, dass er die Warnungen der Klimafachleute vom Potsdamer Institut für Klimafolgen Abschätzung ernst nimmt, und zur Abwehr der Gefahren Anregungen und Vorschläge im Kabinett macht.

Zu den national möglichen Maßnahmen gehört der zügige Ausbau der Erneuerbaren Energien, insbesondere der Solar- und Windenergie. Jede neue Wind- und Solarstromanlage vermindert den CO2-Ausstoß und damit die zu erwartenden Klimaschäden.

Den Ausbau der Solarstromtechnik jetzt aus Kostengründen zu verlangsamen, wie zur Zeit diskutiert wird, halten wir für eine sträfliche, eine moralisch und wirtschaftlich nicht mehr vertretbare Fehlentscheidung. Es fällt uns schwer, nicht noch schärfere Formulierungen zu verwenden. Die Verlangsamung des PV-Ausbaus bedeutet Verzicht auf ein wichtiges Instrument zur Abwehr des Klimawandels. Und dieser Verzicht wird zur Beschleunigung des Klimawandels führen - möglicherweise sogar bis hin zum "Kippen" des Gesamtsystems. Angesichts der drohenden Unbewohnbarkeit großer Landstriche klingt die Einwendung, man habe aber Kosten sparen wollen, erbärmlich und außerdem ist sie falsch, denn nach allgemeiner unbestrittener Überzeugung müssen wir ohnehin auf Erneuerbare Energien umsteigen - wann auch immer. Und durch Zögern werden die notwendigen Investitionen nicht geringer.

Die immer wieder angeführte Tatsache, dass im zurückliegenden Jahr in Deutschland mehr Solarstromanlagen errichtet wurden als jemals in den Jahren vorher, mag aus industriepolitischer Sicht zunächst wie ein Erfolg wirken. In umweltpolitischer Sicht ist sie jedoch keineswegs ausreichend, denn man muss das Ausbautempo an der Zielvorstellung messen. Auf deutschen Dächern können und sollten 30 mal so viel Solarstromanlagen montiert werden wie bisher. Das darf aber nicht dreißig mal so lange dauern wie der bisherige Aufbau der Photovoltaik seit dem Anfang der neunziger Jahre.

Wer an einem stetig beschleunigten Wachstum der photovoltaischen Technik interessiert ist, muss dieser Technik zunächst einmal gleichbleibende Förderbedingungen bieten. Die Begründung ist einfach: Nur wer sich als Unternehmer oder Kapitalgeber auf gleichbleibende Förderbedingungen verlassen kann, wird in die Solarstromtechnologie investieren, weil diese Technik derzeit noch dringend auf Kaufanreize, wie die staatlich festgesetzte Einspeisevergütung, angewiesen ist. Der Zusammenbruch der spanischen Nachfrage nach Zurücknahme der dortigen staatlich garantierten Einspeisevergütung zeigt diese Abhängigkeit warnend auf. Die Tatsache, dass der Zusammenbruch in Spanien den Absatz der weltweiten PV-Produktion empfindlich vermindert hat, sollte nun nicht noch weiter verschlimmert werden, indem auch noch der Absatz am deutschen Markt gedrosselt wird.


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2. Folgen der übermäßigen Degression

Schon jetzt geraten immer mehr PV-Herstellerfirmen wegen des stotternden Absatzes in Schwierigkeiten und müssen ihr Engagement einstellen. Die dort getätigten Investitionen liegen schon einige Jahre zurück und erfolgten unter der Annahme, dass die Degression weiterhin bei 5 Prozent bleiben würde. Der Zusammenbruch der Firmen ist also nicht durch Missmanagement verursacht worden, sondern durch die unvorhergesehene Verminderung der Einspeisevergütung. Höchst bedauerlich ist, dass die Investitionen und Produktionserfahrungen, die indirekt auch von den deutschen Stromverbrauchern bezahlt worden sind, damit verloren gehen. Von Kosteneinsparungen kann volkswirtschaftlich also nicht die Rede sein; im Gegenteil!

Außerdem wurden und werden auf diese Weise Neueinsteiger, die erfolgversprechende neue Forschungsergebnisse in die Produktion einführen wollten, schon bei den ersten Schritten wieder aus dem Markt geworfen. Eine Beschränkung der Produktionsvielfalt in einem so frühen Stadium der Entwicklung birgt die Gefahr in sich, dass aussichtsreiche Entwicklungslinien nicht weiter verfolgt werden. Das in diesem Zusammenhang gebrauchte Wort "Marktbereinigung" ist nur eine schönfärbende Umschreibung dafür, dass die schon lange etablierten Unternehmen neue Wettbewerber gerne abwehren. Hier erlebt man "Industriepolitik" im üblen Sinne.

Zu bedenken ist dabei auch, dass die wirtschaftswissenschaftlich ermittelte Lern- oder Erfahrungskurve - nach der sich die globalen Preise in Abhängigkeit von der bis dahin kumulierten Gesamtproduktion entwickeln - durch ständige Änderung der Rahmenbedingungen nicht schneller durchlaufen werden kann. Gras wächst nicht schneller, wenn man ungeduldig daran zieht. Wolf von Fabeck, "Markteinführung der Photovoltaik durch Senkung der Einspeisevergütung?" 10.12.09 http://www.sfv.de/artikel/markteinfuehrung_der_photovoltaik_durch_senkung_der_einspeiseverguetung.htm

Durch Drosselung der Einspeisevergütungen und damit des PV-Absatzes werden zwar vorübergehend die Verkaufspreise gesenkt, aber das ist nur ein scheinbarer Erfolg, denn es erlischt gleichzeitig auch jeder Anreiz zur Ausweitung der Produktion. Es kommt vielmehr zum Ausverkauf. Die aus Umweltschutzgründen notwendige schnelle Vergrößerung der Produktionskapazitäten unterbleibt und die Technik sinkt in ein Nischendasein zurück.


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3. Unbegründete Angst vor den goldenen Nasen

Betrachtet man das erreichbare Endziel: etwa 200 Terawattstunden jährlich alleine von deutschen Dachflächen in wenigen Jahren, erkennt man leicht, dass das Tempo der Neuinstallationen erheblich gesteigert werden muss. Dazu ist eine Steigerung der Einspeisevergütung das wirksamste Mittel. Die Sorge, dass eine erhöhte Einspeisevergütung zu sinnlosen Gewinnmitnahmen führt, ist weit verbreitet, aber unberechtigt. Auf Grund der Marktgesetze werden bei ungestörter Entwicklung die Gewinne immer genau dort investiert, wo der jeweilige Engpass liegt. Wenn das Solarsilizium knapp ist, werden die Gewinne beim Solarsilizium gemacht. Wenn nicht genügend Wechselrichter geliefert werden können, können die Wechselrichterhersteller Gewinne erzielen. Die Folge: Im ersten Fall werden neue Solarsiliziumfabriken geplant und im zweiten Fall neue Wechselrichterproduktionen. Voraussetzung ist allerdings ein Klima politischen Vertrauens in die Stetigkeit der politischen Unterstützung. Andernfalls werden die erzielten Gewinne branchenfremd eingesetzt und die Investitionen gehen verloren. Siehe dazu den Beitrag von Wolf von Fabeck, "Schnellere Ausweitung der Solarstromerzeugung in Übereinstimmung mit den Marktgesetzen ist möglich", 16.08.2006 http://www.sfv.de/lokal/mails/wvf/wirkungs.htm

Eine volkswirtschaftliche Pauschalüberlegung mag besonders für die Zukunft hilfreich sein: Der Aufbau einer neuen Energieversorgung braucht die Investition erheblicher Kapitalmengen. Kapital wird nur dort investiert, wo hohe Gewinne winken. Wer die Gewinne beschneidet, beschneidet auch die Bereitschaft zu weiteren Investitionen.


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4. Differenzierung der Anlagengrößen

Nun noch einige weitere Anmerkungen. Beim progressiven Ausbau der Erneuerbaren Energien in einem dichtbesiedelten Land kommt es schließlich zur Knappheit von Flächen, auf denen Wind- oder Solarstrom "geerntet" werden können. Hier zeigt sich ein bisher wenig beachteter Vorteil der Photovoltaik. Sie hat die Möglichkeit, bereits versiegelte und anderweitig nicht benötigte Dach- und Fassadenflächen zu nutzen. Diese Flächen gibt es in den unterschiedlichsten Größenordnungen, von der Giebelseite eines Walmdaches bis zur Dachfläche eines riesigen Logistikzentrums. Derzeit findet ein "Rosinenpicken" statt. Potentialabschätzungen zeigen, dass alle Dächer, auch die kleinen Dachteilflächen dringend gebrucht werden. Die Installateure bevorzugen jedoch die großen Dächer. Die Installation von Kleinanlagen bis 5 kW bleibt vergleichsweise immer weiter zurück. In einigen süddeutschen Gemeinden wird die Zahl der zur Verfügung stehenden großen Dächer bereits knapp. Dagegen ist das Potential an Kleindächern praktisch unerschöpft.

Es gibt zwei Gründe, warum die Kleinanlagen zurückbleiben. Der erste Grund liegt in der Tatsache, dass der Planungs- und Montageaufwand für solche relativ kleinen Anlagen vergleichsweise höher ist, die Einspeisevergütung ist jedoch nicht höher.

Hier kommt noch eine besondere Ungereimtheit aus dem EEG erschwerend hinzu. Nach dem unerhofften Zuwachs der PV im Jahr 2009 wurde die Einspeisevergütung für alle Anlagengrößen - also auch für die kleinen PV-Anlagengrößen - vermindert, obwohl der Zuwachs im wesentlichen auf das Konto der großen Anlagen gegangen war.

Der zweite Grund für das Zurückbleiben der Kleinanlagen liegt in der Tatsache, dass es bei kleineren Anlagen schwieriger ist, die geometrischen Formen der Teilflächen architektonisch befriedigend auszunutzen. Es geht generell um die Gebäudeintegration, um die Entwicklung von Bauelemente, die sich in Form und Größe anpassen lassen und eine photovoltaisch aktive Oberfläche haben. Diese Entwicklungen kommen nur zustande, wenn für gebäudeintegrierte PV- Anlagen ein Bonus gezahlt wird, wie z.B. in Frankreich. Und diese Entwicklungen brauchen Zeit. Es wäre ein Fehler, die Anreize für die kleinen und die gebäudeintegrierten Anlagen erst dann einzuführen, wenn es keine größeren ungenutzten Dächer mehr gibt.

Dazu noch ein Blick über die Grenzen. Soweit dem SFV bekannt, werden in Italien bei gebäudeintegrierten Anlagen bis 3 KW 48,02 Cent/kWh gezahlt. In Griechenland seien es bis 55 Cent/kWh und in Frankreich sollen sogar bis zu 60,2 Cent/kWh vorgesehen sein.

Will Deutschland sich etwa - anders als seine Nachbarn - aus der Photovoltaik zurückziehen?


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5. Forderungen des SFV

Bis zur Umsetzung der unter 1. geforderten strategischen Grundsatzentscheidung plädiert der SFV für folgende vorläufige Entscheidungen

1. Für eine sofortige Rücknahme der im EEG 2009 eingeführten verschärften Vergütungs-Degression und für die Wiedereinführung der bis dahin im EEG 2000 und EEG 2004 geltenden 5 Prozent-Degression.

2. Wir empfehlen dringend die Einführung eines Gebäude-Integrations- Bonus.

3. Wir halten eine weitere Differenzierung der Vergütungs- Leistungsklassen durch Einführung einer erhöhten Einspeisevergütung für Kleinanlagen bis 10 kW für notwendig.

4. Die bisher im EEG 2009 vorgesehenen Maßnahmen zum allmählichen Auslaufen der EEG-Förderung für neue Freiflächenanlagen begrüßen wir weiterhin, sie dürfen aber nicht ohne Kompensation durch die Verbesserung der Anreize für die anderen Anlagentypen bleiben. Nur die Vergütung von Freiflächenanlagen zu beenden, ohne gleichzeitig die Einspeisevergütung für die gebäudeintegrierten Anlagen zu erhöhen, würde die Photovoltaik noch weiter zurückwerfen.


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6. Bund der Energieverbraucher für Beibehaltung der bisherigen Förderbedingungen

Anders als in der Presse berichtet, setzt sich der Bund der Energieverbraucher unter seinem Vorsitzenden Dr. Aribert Peters für die Beibehaltung der bisherigen Solarstromförderung bei. Der "Energieexperte" des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV) Holger Krawinkel vertritt mit seiner Forderung nach einer 30 prozentigen Absenkung der PV-Einspeisevergütung nicht die Linie seines Verbandes sondern anscheinend seine Privatmeinung.

Siehe dazu "Energieverbraucher warnen vor Absenkung der PV-Vergütungen" 8.10.09
http://www.energieverbraucher.de/de/Erneuerbare/Erneuerbare/Das-EEG__510/ContentDetail__9957/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 14.01.2010
Herausgeber:
Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV)
Frère Roger Straße 8-10, 52062 Aachen
Tel.: 0241/51 16 16, Fax: 0241/53 57 86
E-Mail: zentrale@sfv.de
Internet: http://www.sfv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2010