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VERBRAUCHER/060: Wie lässt sich die Nutzung von Papier zukunftsfähig gestalten? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Waldschutz durch Verbrauchssenkung beim Papier
Wie lässt sich die Nutzung von Papier zukunftsfähig gestalten?

Von Evelyn Schönheit



Der hohe Verbrauch von Papierprodukten ist einer der Gründe für den steigenden Nutzungsdruck, der auf den Wäldern lastet. Tipps zum Papiersparen sind zwar weit verbreitet, dennoch bleibt in Deutschland der Verbrauch seit Jahren auf hohem Niveau. Wo liegen Ansatzpunkte für eine ökologisch tragfähige und sozial gerechte Nutzung? Wo müssen Informationsarbeit und Grundlagenforschung intensiviert werden?


Jeder fünfte Baum, der weltweit gefällt wird, landet in der Papierherstellung. Laut FAO entspricht dies rund 40 Prozent des industriell genutzten Holzes. Der globale Papierverbrauch liegt inzwischen bei 400 Millionen Tonnen pro Jahr. Deutschland liegt bei Erzeugung und Verbrauch mit ca. 20 Millionen Tonnen an vierter Stelle hinter China, USA und Japan. 2012 nutzte jeder Bundesbürger im Schnitt 244 Kilo Papier. Gleichzeitig nehmen wir beim Im- und Export den weltweiten Spitzenrang ein. Denn 55 Prozent der deutschen Papierproduktion gehen ins Ausland, gleichzeitig werden rund 60 Prozent des inländischen Verbrauchs eingeführt. Dies bewirkt, dass über 80 Prozent des für unseren Papierkonsum eingesetzten Holzes aus Importen stammen, wie aktuelle Berechnungen von Robin Wood belegen.(1)

Folgen der Holzgewinnung für Papier
Das Holz für unseren inländischen Papierverbrauch stammt zum Großteil aus Skandinavien, wo industrielle Forstwirtschaft vorherrscht. Geringere Mengen erreichen uns aus Kanada und Russland, vielfach nach der dort üblichen Praxis des Kahlschlags in Primärwäldern gewonnen. Südamerika baut seine Rolle als Zellstoffexporteur weiter aus. Im Nordosten Brasiliens begann die Umwandlung von Urwald zu Plantagen bereits vor 40 Jahren. Die weitere Expansion großflächiger Eukalyptus-Monokulturen vertreibt Kleinbauern von ihrem Land. Diese weichen in andere Gebiete aus und roden neue Flächen, zum Teil im Primärwald. Auch in Chile und Uruguay bedingen sich Plantagenausbau, Landrechtsverletzungen und der Verlust verbliebener Urwaldflächen. Aus Südostasien kommen vorwiegend indirekte Faserimporte in Form von Papierfertigprodukten, zum Beispiel Bücher, die in China gefertigt werden. Die Waldzerstörung ist in Indonesien nach wie vor mit am höchsten.

Wie könnte ein ökologisch tragfähiger, sozial gerechter Papierverbrauch aussehen?
Die FAO beziffert den jährlichen Waldverlust auf 13 Millionen Hektar. Experten internationaler Nichtregierungsorganisationen gehen von 15 Millionen Hektar aus, da sie zum Beispiel durch Holzeinschlag degradierte Flächen hinzuzählen. Lastet man der Papierindustrie hiervon ein Fünftel an (siehe oben), so ist sie für die Zerstörung von rund 3 Millionen Hektar Wald pro Jahr verantwortlich. Die Frage ist, wie ein global tragfähiger Verbrauch aussehen könnte, der diesen Anteil der Papierindustrie auf Null zurückfährt und gleichzeitig dem Prinzip einer gerechten Verteilung unter Berücksichtigung regionaler und kultureller Besonderheiten folgt. Als Mindestbedarf für Bildung, Kommunikation und Hygiene gelten 40 Kilo Papier jährlich. Der Weltdurchschnitt liegt bei 57 Kilo. Allerdings nutzen rund 15 Prozent der Weltbevölkerung mehr als 125 Kilo, während 57 Prozent der Menschen weniger als 40 Kilo zur Verfügung stehen. So verbraucht ein Inder durchschnittlich 10 Kilo Papier pro Jahr, ein Bürger Indonesiens 27 Kilo, ein Rumäne 32 Kilo.

Die Berechnung eines global tragfähigen Durchschnittsverbrauchs bedarf einer genauen Analyse der für die Papiergewinnung relevanten Waldtypen und ihrer Ertragsleistungen, um abschätzen zu können, welche Holzmengen in welchen Regionen einzusparen sind, will man den Waldverlust durch die Papierindustrie verhindern. Auf dieser Basis ließen sich konkrete Minderungsziele formulieren. Die Anpassung der nationalen Verbräuche müsste dann unter Bezugnahme von Parametern wie der wirtschaftlichen Entwicklung, Exportstärke, Schulsystem, kulturellen Gepflogenheiten etc. abgeleitet werden, um eine annähernd gerechte und zugleich realistisch umsetzbare Verteilung ins Auge zu fassen.

Chancen für die Papierindustrie
Zugegeben, der Zeitpunkt ist ungünstig, um eine massive Verringerung des Papierverbrauchs zu fordern: Die Konkurrenz durch digitale Medien und die konjunkturelle Lage mit Rückgang der Werbeausgaben lassen die Verkaufszahlen insbesondere von Zeitungs- und Druckpapieren in Nordeuropa und Nordamerika zurückgehen. Die Papierindustrie legt Maschinen still, schließt Standorte, entlässt Mitarbeiter. Andererseits ist der Trend zu neuen, riesigen Zellstoffwerken insbesondere in Südamerika und Fernost, wo höhere Holzerträge, geringere Kosten und vielfach schwächere Umweltauflagen locken, ungebrochen. Doch statt dem globalen Wachstumszwang zu folgen und die Ausbeutung von Ressourcen in Schwellenländern fortzusetzen, sollten regionale Akteure gestärkt werden. Nur wo ökologische und soziale Gesichtspunkte als Richtschnur dienen, kann die Papierindustrie auf Erfolg hoffen. Die Notwendigkeit des Klimaschutzes macht dies immer deutlicher.

Gerade deutschen Papierherstellern bieten sich hier gute Chancen. Denn die Qualität der Produkte, das hohe handwerkliche Know-How der Papieringenieure sowie der Einsatz bester verfügbarer Techniken - mit niedrigem Energie-, Wasser- und Chemikalieneinsatz - machen ihre Papiere international konkurrenzfähig. Eine qualifizierte Produktion geringerer Mengen bringt Arbeitsplätze für höher qualifizierte Mitarbeiter auf einem stabileren, weil zukunftsfähigem technischen Niveau mit sich. Eine Verbrauchsminderung muss deshalb auf lange Sicht keinen Nachteil für den Arbeitsmarkt darstellen.

Hierzu gehört auch, dass die Produkte angemessen vergütet werden müssen. Dafür ist der Wert von Papier stärker zu kommunizieren und die Bedeutung von Holz als CO2-Speicher zu vermitteln. Kontraproduktiv ist dabei die Aussage vieler Papiervertreter, ihr Industriezweig verarbeite einen klimaneutralen Rohstoff, dessen Nutzung den Klimaschutz fördere. Auf diese Weise wird suggeriert, ein verstärkter Verbrauch sei akzeptabel bzw. erstrebenswert. Doch Holz trägt dann zum Klimaschutz bei, wenn es im Wald verbleibt oder zur langlebigen Anwendung verarbeitet wird. Wird Holz für kurzlebige Verwendungen eingesetzt, bedeutet dies nur den Verlust wertvoller CO2-Speicherkapazität im Wald.

Wo liegen konkrete Einsparpotentiale?
Der Verbrauch geht bei uns zu je über 40 Prozent in die Bereiche grafische Papiere mit Büro-, Schreib-, Druck- und Pressepapieren sowie Verpackungen ein. Während die Mengen im ersten Sektor rückläufig sind, steigen sie bei Verpackungen deutlich an. Das liegt am wachsenden Internethandel, der deutschen Exporttätigkeit sowie der Zunahme kleinerer Verpackungseinheiten zum Beispiel für Singlehaushalte. Hygienepapiere umfassen knapp 8 Prozent des Verbrauchs mit einer beträchtlichen Steigerung von 1 Millionen Tonnen im Jahr 2000 auf 1,5 Millionen 2012. Ursachen sind zum Beispiel höhere Lagenzahlen beim Toilettenpapier und der demografisch bedingte Anstieg bei Inkontinenzprodukten. Spezialpapiere wie Tapeten, Kaffeefilter oder Fotopapier machen den geringsten Anteil mit wenig Verbrauchszuwachs aus.



2000

2012

Anteil 2012
Kg/Kopf 2012
Gesamtverbrauch
Grafische Papiere
 - davon Zeitungsdruck
Verpackungspapiere
Hygienepapiere
Technische u. Spezialpapiere
19.093
9.787
2.678
7.314
1.050
942
20.008
8.777
2.114
8.645
1.495
1.091
100 %
44 %
11 %
43 %
7,5 %
5,5 %
244
107
26
106
18
13

Papierverbrauch in Deutschland 2012(2)


Die Pro-Kopf-Verbräuche erreichen nur zu Teilen den Endverbraucher. So gehen beträchtliche Mengen an Verpackungspapier auf das Konto von Unternehmen, die Waren exportieren. Wer privat per Versand bestellt, sollte konsequent nach Mehrweglösungen fragen, wie sie zum Beispiel die Post oder memo in Form stabiler Plastikboxen anbieten. Kontinuierliche Nachfrage befördert ein Umdenken weiterer Versender.

Tipps zum Papiereinsparen in Haushalt und Büro finden sich in der Broschüre »Papier. Wald und Klima schützen«.(3) So begleiten einen zum Beispiel häufig Mitgliederzeitschriften über Jahre, da man nicht ganz auf die Informationen verzichten will. Doch die meisten Unternehmen, wie Krankenkassen, Verbände oder mancher Automobilclub bieten längst eine digitale Version als PDF oder ePaper an.

Schwierig ist die Einflussnahme auf die fast 40 Prozent (nicht verbrauchte) Remittenden von 4 Milliarden Zeitungen und Zeitschriften, die jährlich in den Handel gelangen. Ebenso werden 25 bis 40 Prozent aller Bücher nicht regulär verkauft, sondern zum Sonderpreis angeboten oder vernichtet. Wäre Papier teurer, würden die Verantwortlichen ihre Auflagen reduzieren. An dieser Stelle könnte eine staatlich verordnete Abgabe auf Holzprodukte greifen. Diese sollte gestaffelt erfolgen, je nachdem ob Sekundär- oder Primärfasern zum Einsatz kommen.

Erfolge anderer Länder
Nach diesem Prinzip hat Frankreich 2007 eine Abgabe für das Inverkehrbringen von über fünf Tonnen Papier pro Jahr erhoben, die für alle Marktakteure gilt. Das Land hat sich im gleichen Jahr zum Ziel gesetzt, den Papierverbrauch in der nationalen Verwaltung um 50 Prozent zu senken. Laut einer Studie von 2012 sind die Einsparungen in Frankreichs öffentlichem Sektor noch unzureichend. Zwar ging der Verbrauch seitdem von 11,2 auf 9,7 Millionen Tonnen zurück, doch wird dies insbesondere mit der Wirtschaftskrise begründet.

Augenfällig ist, dass auch Länder wie Finnland, Schweden, USA und Kanada ihre Verbräuche seit 2000 erheblich gesenkt haben. Inwieweit die wirtschaftliche Entwicklung die Ursache ist, digitales Dokumentenmanagement in Großunternehmen Wirkung zeigt oder Informationsarbeit und Kampagnen seitens NGOs und Regierungsstellen greifen, bedarf weiterer Untersuchungen.


Die Autorin Evelyn Schönheit arbeitet seit 2000 als Expertin für das Forum Ökologie & Papier (FÖP) und bietet Beratung und Hintergrundrecherchen an, engagiert sich für Verbraucherinformation und Öffentlichkeitsarbeit.



Anmerkungen

(1) www.robinwood.de/Wo_unser_Papier_waechst - auf Basis des Kritischen Papierberichts 2004 von FÖP.

(2) vdp (Verband Deutscher Papierfabriken), Papier 2013. Ein Leistungsbericht, S. 56.

(3) Die Broschüre kann unter folgendem Link kostenlos heruntergeladen und bestellt werden:
http://www.forumue.de/publikationen/publikationen2/publikation/papier-wald-und-klima-schuetzen/

2012 gab FÖP die Broschüre »Papier. Wald und Klima schützen« heraus, Anfang 2014 wird der neue »Kritische Papierbericht« erscheinen. Ausführliche Informationen hier: www.foep.info


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 4-5
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2014