Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


AFRIKA/094: Togo - Das Meer kommt näher, zehntausende Häuser durch Küstenerosion bedroht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. November 2015

Togo: Das Meer kommt näher - Zehntausende Häuser durch Küstenerosion bedroht

von Katharina Federer *


Foto: von MaHeHoe (Eigenes Werk) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Die Lagune von Aného
Foto: von MaHeHoe (Eigenes Werk) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

BERLIN/LOMÉ (IPS) - Togos frühere Hauptstadt Aneho, Dutzende umliegende Dörfer und die wichtigste Straße, die den westafrikanischen Staat mit dem Nachbarland Benin verbindet, werden im Jahr 2038 möglicherweise von der Landkarte verschwunden sein. Durch die fortschreitende Erosion werden jedes Jahr zwischen sechs und zehn Meter Küstenland weggespült. Trotz Warnungen von Experten aus dem Ausland hat die Regierung bisher wenig gegen das Problem unternommen.

Nicht nur Strände verschwinden, sondern Zehntausende Menschen werden voraussichtlich ihre Wohnhäuser und sämtlichen Existengrundlagen verlieren. Auch die togolesische Wirtschaft, die in diesen Gebieten größtenteils vom Fischfang abhängig ist, droht hart getroffen zu werden. "Gegen dieses Phänomen muss mit allen gebotenen Methoden vorgegangen werden", sagt Adote Blivi, der mit dem UN-Seerechtsübereinkommen und mit der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission der UNESCO zusammenarbeitet.

Rodolphe Teko hat mit eigenen Augen gesehen, wie die Küstenerosion bereits sein Heimatdorf Agbavi nahe der Hauptstadt Lomé zerstört hat. Nach mehreren Jahren kehrte der 50-Jährige vor Kurzem aus Nigeria zurück. Das Haus, in dem er aufwuchs, steht nicht mehr. Auch das zweite Haus, das sein Vater gebaut hat, ist schon halb zerstört und wird vermutlich bald im Meer verschwunden sein.

In den 1990er Jahren war der Ozean noch kilometerweit von den Wohn- und Geschäftsgebäuden entfernt. "Um zum Strand zu kommen, mussten wir das Auto oder das Fahrrad nehmen", erinnert er sich. "Doch heute dringt das Wasser schon in unsere Wohnungen ein."


Fischer fangen in Küstennähe nichts mehr

Im vergangenen Jahr waren viele Bewohner von Agbavi gezwungen, entweder bei Verwandten im Landesinnern unterzukommen oder sich aus Kokospalmwedeln provisorische Unterkünfte zu bauen und darauf zu hoffen, dass der Meeresspiegel nicht weiter ansteigt.

Fischer berichten, dass sie ihre Netze früher immer nahe der Küste auswerfen konnten. Heute müssen sie viel weiter auf das Meer hinausfahren, um Fische zu fangen. Da sich die meisten von ihnen keine geeigneten Boote leisten können, haben sie ihre einzige Einkommensquelle verloren.

"Experten, die vor Ort waren, haben uns gesagt, dass keine Fische hier geblieben sind", berichtet der 71-jährige Koukou Dossou, der viele Jahre als Fischer gearbeitet hatte. Inzwischen muss er seine Familie durch den Verkauf von Muscheln, Sand und Kies ernähren. Notgedrungen trägt er damit dazu bei, die Erosion, die der Familie bereits ihr Haus geraubt hat, weiter zu beschleunigen. "Doch wenn ich damit aufhören würde, könnten wir nicht überleben."

Doussou erklärt, dass die Regierung bereits 2013 den betroffenen Fischern Entschädigungen von jeweils 1.500 US-Dollar versprochen hatte, um ihnen die Anschaffung neuer Boote zu ermöglichen. Das Geld wurde bisher jedoch nicht ausgezahlt. "Anderenfalls würden wir kaum weiter Kies verkaufen", sagt er. "Wir wollen wieder fischen gehen."


Regierung handelt zögerlich

Gemeinsam mit Hunderten anderer Kollegen will Doussou jetzt Druck auf die Regierung ausüben, um wirksame Maßnahmen gegen die Erosion zu erzwingen. Abgesehen von der Errichtung eines zwei Kilometer langen Sandwalls entlang dem Aneho-Strand, etwa 52 Kilometer von Lomé entfernt, ist bislang wenig getan worden. Dabei hat das Umweltministerium ausdrücklich davor gewarnt, dass weitere 54 Kilometer bewohnten Küstenlandes unmittelbar bedroht sind.

In diesem Jahr hat die Weltbank Togo bereits 125 Millionen Dollar zugesagt, um die Küstenerosion einzudämmen und die Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen des Klimawandels zu stärken. Auch Ghana und Benin werden von der Bank unterstützt. Mit dem Geld sollen Aufklärungskampagnen für die Bevölkerung durchgeführt, die Widerstandskraft gegen die Auswirkungen des Klimawandels vor Ort gestärkt und ein Plan ausgearbeitet werden, wie speziell die Küstenzonen geschützt werden können.

Wie Bewohner der Küstenzonen berichten, ist mit der Umsetzung des Programmes jedoch noch noch nicht begonnen worden. Die Behörden versichern unterdessen, den Anstieg des Meeresspiegels genau zu beobachten und mit lokalen Partnern an Gegenmaßnahmen zu arbeiten. Nach brasilianischem Vorbild wollen sie die schwindenden Strände mit Sand vom Meeresgrund auffüllen. Teko, Doussou und ihre Nachbarn befürchten jedoch, dass es dafür bereits zu spät ist. (Ende/IPS/ck/18.11.2015)

* Mit Agenturberichten


Link:

http://www.irinnews.org/report/102213/rising-seas-ruining-lives-in-togo

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. November 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang