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AGRARINDUSTRIE/010: Ökotreibstoffe, Land Grabs und Hunger - Bericht geißelt 'grüne' Projekte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Dezember 2011

Entwicklung: Ökotreibstoffe, Land Grabs und Hunger - Bericht geißelt 'grüne' Projekte

von Kanya D'Almeida

Junge vom Volk der Mundari im südsudanesischen Terekeka - Bild: © Jared Ferrie/IPS

Junge vom Volk der Mundari im südsudanesischen Terekeka
Bild: © Jared Ferrie/IPS

Washington, 7. Dezember - Während sich die Teilnehmer der Weltklimakonferenz im südafrikanischen Durban um verbindliche Klimaziele drücken, haben Wissenschaftler die Zusammenhänge zwischen vermeintlich 'grünen' Klimalösungen und chronischem Hunger in den Entwicklungsländern aufgespürt. Ihr Fazit: Der Nexus zwischen "falschen" Alternativen wie Biotreibstoffproduktion und Agrowaldwirtschaft und die in Afrika stattfindenden Land Grabs bringen die lokalen Kleinbauern um Land und Lebensgrundlage.

Das in den USA ansässige 'Oakland Institute' (OI) wirft den USA, den reichen EU-Staaten, der Weltbankgruppe und anderen Entwicklungsagenturen "Heuchelei" vor. So eilten ausgerechnet diejenigen Akteure den Opfern von Hunger- und Naturkatastrophen zu Hilfe, die mit umfangreichen Investitionen in klima- und entwicklungsfeindliche Projekte das Leid erst verursacht hätten.

Die industrialisierte Landwirtschaft ist derzeit für 13,5 Prozent aller weltweiten Treibhausgase insbesondere von Methan und Stickstoffdioxid (NO2) verantwortlich. So setzen Düngemittel, deren Einsatz mittlerweile um das 800-Fache höher ist als noch vor 100 Jahren, riesige Mengen an NO2 frei. Hinzu kommt, dass beim Düngemittelproduktionsprozess fossile Brennstoffe verfeuert werden, der nach Schätzungen der Weltlandwirtschaftsorganisation FAO bis zu 41 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) im Jahr freisetzt.

Jährlich 158 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursachen die schweren landwirtschaftlichen Maschinen. Durch den Betrieb der Geräte, die riesige Mengen Wasser zu den industriell betriebenen Plantagen pumpen, werden weitere 369 Millionen Tonnen CO2 in die Erdatmosphäre abgegeben.


Die Mär vom grünen Kraftstoff

Negativ wirkt sich einem neuen OI-Bericht zufolge die Herstellung von Biotreibstoffen aus, die USA und einflussreiche Spieler der Eurozone vorantreiben. Was als 'grüne Lösung' verkauft werde, verschlinge in Wirklichkeit Unmengen an Wasser. Darüber hinaus generiere die Biotreibstoffproduktion lange und treibstoffdurstige Transportketten, um den Kraftstoff von Punkt A nach B zu schaffen.

Das Oakland Institute schätzt, dass die Umwandlung von Regenwäldern und Graslandschaften in Biotreibstoffplantagen 17- bis 420mal mehr CO2 freisetze als das, was sich durch den Ersatz herkömmlicher Kraftstoffe einsparen lasse. Die zunehmende Verwendung von Agrosprit dürfte zwischen 44 Millionen und 73 Millionen zusätzliche Tonnen CO2 freisetzen.

Allein die USA wollen in den kommenden Jahren den Einsatz von Biotreibstoffen um 30 Prozent erhöhen. OI schätzt, dass im Südlichen Afrika derzeit auf fünf Millionen Hektar Land Energiepflanzen für die Biotreibstoffproduktion und Eukalyptusbäume wachsen. Nutznießer seien allein transnationale Konzerne und deren Herkunftsstaaten.

Die chinesische Regierung besitzt inzwischen acht Millionen Hektar Land in der Demokratischen Republik Kongo, auf dem Ölpalmen für die Biotreibstoffproduktion hergestellt werden, während sich der britische Bioenergiegigant 'Crest Global Green' Verträge über insgesamt 900.000 Hektar Land in Mali, Guinea und Senegal gesichert hat.


Skandinavische Kirchen an schmutzigen Geschäften beteiligt

"Ebenso schockiert hat uns die Entdeckung, dass etliche skandinavische Kirchen in Staaten wie Mosambik in Projekte investieren, die mit illegalen Landnahmen zu tun haben", berichtete Frederic Mousseau vom Oakland Institute. "Das hätten wir von Hedgefonds erwartet, nicht aber von Kirchen."

Die Entstehung des Kohlenstoffhandels und der Kohlenstoffmärkte ist ebenfalls ein entscheidender Faktor für Land Grabs, auch wenn der Handel mit CO2-Zertifikaten gern als Lösung aller Klimaprobleme angepriesen wird. So sind am Handel mit den sogenannten CO2-Credits Großunternehmen und Staaten beteiligt, "der ihnen erlaubt, zu Hause mit der Verschmutzung fortzufahren", heißt es in dem Bericht. Der CO2-Handel stehe für das, was manche eine schlechte globale Klimapolitik nennen würden.

"Da es sich um ein verhältnismäßig junges Phänomen handelt, können wir noch nicht alle möglichen Auswüchse des Problems erkennen", meinte Mousseau im IPS-Gespräch. "Wohl kennen wir die unmittelbaren negativen Folgen dieser Praxis, etwa wenn Investoren nicht-native Pflanzen kultivieren und damit die lokale Umwelt zerstören, artenreiche Savannen durch Monokulturen ersetzen und indigenen Gruppen das Recht auf ihr Land und ihre traditionellen Praktiken verweigern."

"Im Südsudan wissen nur die wenigsten Regierungsvertreter über Biotreibstoffe geschweige denn CO2-Kreditpunte Bescheid. Das erklärt, warum sie häufig bereit sind, diese Rechte ohne Gegenleistung zu verschenken", meinte David Deng, Forschungsleiter der 'South Sudan Law Society'. "Werden diese 'grünen Deals' (CO2-Handel und Biotreibstoffprojekte) im jungen Staat Südsudan vorangetrieben, werden wir Zeugen eines Wohlstandstransfers von den Landeigentümern des Südsudans zu den transnationalen Konzernen in den globalen Norden werden."


Vertreibung ins Elend

Das norwegische Holzunternehmen 'Green Resources Ltd.' arbeitet an einem Plan, in Tansania 7.000 Hektar Grasland durch Pinien- und Eukalyptusmonokulturen zu ersetzen, was die Vernichtung der lokalen Artenvielfalt und die Vertreibung der dort lebenden Kleinbauern zur Folge hätte. In Sierra Leone hat ein Investitionsprojekt der Firma 'Socfin Agricultural Company' im Bezirk Pujenhun Menschen um ihre Existenzgrundlage gebracht, ohne ihnen alternative Arbeitsmöglichkeiten bereitzustellen. "Dort werden ältere Menschen, die ihr Land verloren haben, nicht beschäftigt, und Frauen müssen um 4.30 Uhr in der Früh für Jobs anstehen, die sie selten erhalten", berichtet Joseph Rahall, der Leiter der lokalen Umweltorganisation 'Green Scenery'.

"Riesige Landflächen wurden gerodet, um Ölpalmen in Monokulturen anzupflanzen, die mit einer artenreichen Pflanzenwelt nichts gemein haben", berichtet der Umweltschützer. Familien aus dem Hochland hätten sich durch eine artenvielfältige Anbauweise ausgezeichnet und damit Nahrungsmittelengpässen entgegengewirkt. "Doch viele dieser Familien haben aus Angst, dass ihre Farmen von den Multis vereinnahmt werden, die Bewirtschaftung ihrer Felder eingestellt."

Gemeindemitglieder, die friedlich gegen die illegalen Landnahmen protestierten, seien verhaftet worden und müssten mit einem Gerichtsverfahren rechnen, berichtete Rahall. "Die Länder des Nordens haben mit ihrer Vorliebe für Biotreibstoffe uns um unsere grundlegende menschliche Sicherheit gebracht." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.oaklandinstitute.org/special-investigation-two-land-deals-africa
http://www.greenscenery.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106120

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. Dezember 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2011