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ARTENRAUB/245: Dunkler Schatten über Afrikas Himmel - Geier vom Aussterben bedroht (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 4/16
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Dunkle Schatten über Afrikas Himmel
Geier sind durch menschliches Handeln vom Aussterben bedroht

Von Werner Schröder


Sechs der elf in Afrika vorkommenden Geierarten segeln einer ungewissen Zukunft entgegen. Schuld daran ist der Mensch: Durch Umweltverschmutzung und Wilderei ist eine ganze Vogelfamilie vom Aussterben bedroht.

Die unbeabsichtigte Vergiftung von Geiern hat maßgeblichen Anteil an deren Verschwinden. Die Vögel nehmen die Kadaver von vergifteten streunenden Hunden, Hyänen, Löwen oder Schakalen auf. Diese Beutegreifer werden als Gefahr für Haustiere angesehen und deshalb konsequent verfolgt. Landwirtschaftliche Gifte wie Carbofuran können sehr preiswert und ohne Einschränkung im Landhandel gekauft werden. Nach der Auswertung von umfangreichen Beobachtungen und Studien über das Geiersterben in Afrika beziffert BirdLife International, dass bei 61 Prozent aller gezählten toten Geier in 26 afrikanischen Ländern Gift die Ursache war. Im Januar 2016 wurden im Norden Kenias mehr als dreißig vom Aussterben bedrohte Sperbergeier sowie weitere Greifvögel an drei mit Gift präparierten Kühnen gefunden. Darcy Ogada, Mitarbeiterin der Organisation The Peregrine Fund, befürchtet, dass weitere 50 bis 100 Geier entfernt von Vergiftungsort ebenfalls verenden.

Einen ähnlichen Fall hat es bereits Mitte der 1990er-Jahre in Südasien gegeben: Dort verursachte das überwiegend bei Kühen angewandte Medikament Diclofenac ein dramatisches Geiersterben, bei dem fast 99 Prozent der asiatischen Geier umkamen. Es dauerte lange, bis Naturschützer die Ursache - Nierenversagen - erkannten. Die indische Regierung hat das Medikament inzwischen verboten, die Geierbestände in Indien erholen sich jedoch nur sehr langsam. Die gesellschaftlichen Kosten für den Ausfall der vielfältigen Naturdienstleistungen der Geier - überwiegend kostenlose Abfallentsorgung und dadurch die Verhinderung von Krankheiten wie Tollwut, Tuberkulose, Milzbrand, Botulismus oder Brucellose - werden im indischen Gesundheitssektor mit jährlich 1,5 Milliarden US-Dollar beziffert.

Geier werden absichtlich vergiftet

Doch daneben spielt auch die absichtliche Vergiftung der Geier eine große Rolle. Wilderer in Ost- und Südafrika, die es vorzugsweise auf das Elfenbein von Elefanten und auf das Nasenhorn des Nashorns abgesehen haben, präparieren die Kadaver getöteter Wildtiere mit Gift, damit die Geier möglichst noch vor Ort verenden. Dadurch wollen die Wilderer verhindern, dass zukünftig die niedergehenden Geier den Wildhütern den Weg zu einem z. B. gewilderten Elefanten weisen. Zwischen 2012 und 2014 wurden laut der "Africa Vulture Task Force" bei elf Vorfällen mit 155 gewilderten Elefanten insgesamt 2.044 vergiftete Geier in sieben afrikanischen Ländern gezählt. In einem Fall in Namibia wurden an dem Kadaver eines gewilderten Elefanten sogar 500 tote Geier gezählt.

Die überwiegende Zahl solcher Geschehnisse im afrikanischen Busch bleibt unbemerkt. Welche dramatischen Auswirkungen dies auf die Geierpopulationen hat, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die meisten Geierarten lediglich ein Junges pro Jahr aufziehen.

Sieben der elf in Afrika vorkommenden Geierarten haben laut BirdLife International in den letzten 30 Jahren um 80 Prozent im Bestand abgenommen. Selbst im Serengeti-, im Tsavo- und im Krüger-Nationalpark oder im Okavangodelta sind Geierbeobachtungen heute zu einer echten ornithologischen Sensation geworden. In Westafrika sind Geier außerhalb von Schutzgebieten fast völlig verschwunden. Grund dafür ist die Tradition der Naturheilkunde mit Körperteilen von Geiern, denen heilende Wirkung zugeschrieben wird. Weil es in einigen Gebieten Afrikas immer schwieriger wird, diesen Markt zu bedienen, hat sich ein kontinentweites Handelsnetz für Geierteile entwickelt. 29 Prozent der Geiertötungen werden dem Thema "traditionelle Medizin" zugeschrieben. Die Ausmaße sind erschreckend. "Seit der Fußballweltmeisterschaft 2010 wird das Hirn von Geiern von Wettbesessenen gegessen, um den Ausgang eines Fußballspiels vorhersagen zu können und damit den Einsatz von Wettgeld zu generieren", sagt Mark Anderson, Direktor von BirdLife Südafrika.

Sieben der elf in Afrika vorkommenden Geierarten haben laut BirdLife International in den letzten 30 Jahren um 80 Prozent im Bestand abgenommen.

Als weitere Ursachen für das Verschwinden der Geier kommen Lebensraumverlust, menschliche Störungen, Zerstörung von Brutstandorten, Verluste durch Energie-Infrastrukturen wie Hochspannungsleitungen und Windparks sowie fehlende Nahrung hinzu.

Geier-Aktionsplan für "geiersichere Gebiete"

In einer Koalition von nationalen und internationalen Naturschutzorganisationen - darunter BirdLife, die International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, die Africa Vulture Task Force und Endangered Wildlife Trust - wird unter Zeitdruck an der Erarbeitung und Einsetzung eines afrikaweit abgestimmten Geierschutzplanes gearbeitet. Im Rahmen der Umsetzung des internationalen Geier-Aktionsplans entsendet der NABU Volker Salevski, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im NABU-Institut Bergenhusen, an die Elfenbeinküste, um vor Ort wichtige Daten zur Verbreitung der Geier zu sammeln. Diese Aktivitäten sind Teil der internationalen Bemühungen, sogenannte "geiersichere Gebiete" zu identifizieren, um das Geiersterben kurzfristig zu stoppen und die Bestände langfristig zu sichern.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 4/16, Seite 44 - 46
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2016

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