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ASIEN/078: Verbrechen am Wald - Von der Umwelt- zur sozialen Krise in Indonesien (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 120/1.2014

Tropenwald
Verbrechen am Wald

Von Marianne Klute und Stefanie Hess,
ROBIN WOOD-Tropenwaldreferentinnen



Die Umweltkrise in Indonesien wird immer mehr zu einer sozialen Krise. Anton Widjaya von der Umweltorganisation WALHI aus Indonesien spricht sich bei seiner Infotour durch Deutschland gegen europäische Kredite für Palmöl aus.


Sparen lohnt sich kaum noch, da gibt es höchstens ein Prozent Zinsen. Viel lohnender für AnlegerInnen sind Investitionen in Palmöl. Börsenleute versprechen fünf, sieben, ja sogar acht Prozent Dividende. Kein Wunder, dass auch deutsche Banken, Investmentfonds und Privatanleger in das Geschäft einsteigen.

Besonders beliebt sind berüchtigte transnationale Konzerne aus Indonesien, wie zum Beispiel Wilmar. So werden auch deutsche Banken mitverantwortlich für die Vernichtung von Tropenwald und die soziale Krise in Indonesien.

40 Millionen US Dollar hat die Deutsche Bank an Krediten an Wilmar International und sein Tochterunternehmen Bumitama Agri vergeben. Peanuts nach Meinung der Deutschen Bank, doch Anton Widjaya kennt die dramatischen Folgen solcher Kredite auf Umwelt und Gesellschaft in seiner Heimat. Die Provinz West-Kalimantan war jahrelang Aktionsgebiet der Holzmafia. Heute sind die Sägewerke nur noch Ruinen und die Holzfirmen sind bankrott, denn der Tropenwald ist weg. Äußerst aggressiv hat sich die Palmölindustrie der Provinz bemächtigt: Hier entstanden vor dreißig Jahren die ersten Plantagen Kalimantans.

Die indigenen Dayak haben ihr Land längst verloren. Hier sind Indonesiens größte Probleme mit Händen greifbar, sagt Anton Widjaya: "Waldzerstörung, Waldbrände und Plantagenwirtschaft haben Indonesien in eine Umweltkrise geführt. Die Umweltkrise wird von Agrarkonflikten begleitet. Die Bevölkerung verarmt, so dass die Umweltkrise zu einer sozialen Krise geworden ist."

Anton Widjaya, Direktor der Umweltorganisation WALHI aus West-Kalimantan, ist Experte für nachhaltige Waldwirtschaft und für die Rechte indigener und bäuerlicher Gemeinschaften. Er organisiert Kampagnen gegen das Landgrabbing von großen Palmöl-Unternehmen und setzt sich seit Jahren für die Rechte der Indigenen ein. Aber all sein Engagement führt ins Leere, wenn immer wieder neues Geld in die Ölpalmunternehmen fließt. Deshalb kam Anton von Mitte November bis Mitte Dezember vergangenen Jahres nach Europa. Er sprach in Frankreich, Schweden, den Niederlanden, Finnland und Deutschland mit Bankern und Politikern und forderte von ihnen, Druck auf die Ölpalm-Unternehmen, insbesondere auf Wilmar, auszuüben und die weiteren Expansionsbestrebungen des Konzern zu stoppen, auch indem keine neuen Kredite mehr vergeben werden.

ROBIN WOOD hat die europaweite Speakers Tour, gemeinsam mit Friends of the Earth, Ende November 2013 organisiert und Anton Widjaya zu Lobbyterminen begleitet. Fünf Tage lang war Anton unser Gast. In Berlin konnten wir im taz-Cafe eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Landgrabbing in Indonesien veranstalten. "Fast 30 Millionen Hektar sind bereits in Händen der Ölpalm-Industrie", so Anton in Berlin. "Dazu kommen mindestens zehn Millionen Hektar der Papierindustrie. Bei 500 Erdrutschen und Überschwemmungen, die Folgen der Abholzung sind, starben letztes Jahr 125 Menschen. Genug ist genug!"

Wo vorher Tropenwald war, stehen jetzt Ölpalmen und Akazienplantagen. In den indonesischen Wäldern gibt es noch 33.000 Dörfer, die akut von Landgrabbing bedroht sind. Auch in West-Kalimantan sind die bäuerlichen Gemeinschaften und die WaldbewohnerInnen davon bedroht.

Der Wilmar-Gruppe gehörten hier in West-Kalimantan schon elf Plantagen, bevor sie nach Jambi und Zentral-Kalimantan expandierte. Überall gibt es Konflikte mit der lokalen Bevölkerung, weil Wilmar die KleinbäuerInnen betrügt und Kahlschlag und Brandrodung auf allen Plantagen an der Tagesordnung sind.

Trotz der Probleme bekam Wilmar immer neue Kredite von der Weltbank. Das Geld wurde genutzt, um zusätzliches Palmöl von Zulieferern, die ihrerseits Umwelt und lokale Bevölkerung schädigten, anzukaufen. Erst nach anhaltenden Beschwerden lokaler NGOs sah sich die Weltbank gezwungen, die Kredite im Sektor Palmöl einzufrieren und seine Palmöl-Politik zu ändern.

Auch die Wilmar familiär verbundene Ganda-Gruppe hat hier eine Plantage. Die Einheimischen sprechen nach 30 Jahren Erfahrung nur von Betrug und Gewalt. Heute wird die radikale Umwandlung von Tropenwald und Feldern in Großplantagen durch neue internationale und nationale Gesetze legalisiert. Das macht den Widerstand gegen die weitere Expansion der Monokulturen noch schwerer.

Anton Widjaya sagte dazu im Gespräch mit ROBIN WOOD: "Je höher die globale und europäische Nachfrage nach Palmöl ist, um so stärker wird die Umwelt in Indonesien zerstört. Die Situation wird jeden Tag ernster. Die Kriterien des Runde Tisch für Nachhaltiges Palmöl werden nicht in die Praxis umgesetzt. In Indonesien sind wir mit großer Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Die Umweltkrise wird zu einer sozialen Krise.

Die Expansionsbestrebungen Indonesiens sind ein harter Kampf für die Zivilgesellschaft. Die Gesetze des indonesischen Staates vertreten mehr die Interessen der Wirtschaft. Durch Palmöl ist die Bevölkerung arm geworden. Die Justiz in Indonesien ist schwach, die Ölpalm-Firmen operieren aus Gewohnheit ohne Genehmigungen und roden die Wälder. Die steigende Nachfrage nach Palmöl aus der EU erhöht den Druck.

Wir hoffen auf Unterstützung von deutscher Seite, um die Situation vor Ort zu verbessern. Ich möchte, dass die Konsumenten und Käufer von Palmöl besser über die Praktiken Bescheid wissen. Auch von den Konsumenten muss Druck ausgeübt werden, auch aus Deutschland."


Mehr Infos:
- Interview mit Anton Widjaya erschienen auf Zeit online: "Palmöl aus Indonesien Europa sollte gar keinen Biosprit verwenden"
http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-11/palmoel-interview

- Video zur Abendveranstaltung auf dem ROBIN WOOD youtube Kanal: "Landgrabbing in Indonesien und die Verantwortung der Banken"
http://youtu.be/SVqHLLjafDs


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Gegen "Verbrechen am Wald" wehrt sich Anton Widjaya, Direktor der indonesischen Umweltorganisation WALHI
- 26.11.2013, Berlin: "Ich möchte, dass die Konsumenten und Käufer von Palmöl besser über die Praktiken von Wilmar Bescheid wissen", sagte Anton Widjaya auf seiner Tour in Deutschland
- Stefanie Hess, Tropenwaldreferentin von ROBIN WOOD, begleitete Anton zu Lobbyterminen und Veranstaltungen in Berlin

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 120/1.2014, Seite 38 - 39
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2014