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ENERGIE/039: Brasilien - Belo Monte unter 'freundlichem Feuer', Staudamm-Befürworter üben Kritik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Mai 2012

Brasilien: Belo Monte unter 'freundlichem Feuer' - Staudamm-Befürworter üben Kritik

von Mario Osava

Dicht bewaldete Inseln im Xingú-Fluss - Bild: © Mario Osava/IPS

Dicht bewaldete Inseln im Xingú-Fluss
Bild: © Mario Osava/IPS

Rio de Janeiro, 24. Mai (IPS) - Das geplante brasilianische Wasserkraftwerk Belo Monte stößt nicht nur bei Umweltschützern und Filmstars, sondern auch bei Befürwortern der Wasserkraft auf Kritik. Letztere warnen vor Engpässen bei der Energieversorgung.

Belo Monte "ist ein schlechtes Projekt, das weder ökologischen noch energiespezifischen Erfordernissen genügt", kritisierte der Physiker und Umweltexperte José Goldemberg. Fachleute und Unternehmen im Energiesektor haben sich in letzter Zeit zunehmend gegen Laufwasserkraftwerke gestellt, zu denen auch der in Belo Monte gehört.

Solche Anlagen nutzen die natürliche Strömung eines Flusses, um die Turbinen anzutreiben. Da sie keine großen Wasserreservoirs benötigen, braucht weniger Land geflutet zu werden. Andererseits entsteht das Risiko, dass während der Trockenzeit nicht genug Wasser zur Verfügung steht, um ausreichend Strom zu produzieren.

"Wir schrauben die installierte Leistung nach oben. Allerdings hat sich die Wasserspeicherkapazität seit den achtziger Jahren nicht erhöht, was Anlass zur Sorge gibt", sagte Nelson Huber, der Generaldirektor der brasilianischen Stromregulierungsbehörde, auf einer regionalen Fachtagung vom 9. bis 10. Mai in São Paulo.


Strommangel in Dürrzeiten erwartet

Der durch die landesweiten Wasserkraftwerke produzierte Strom könne mit der Nachfrage nicht Schritt halten. Deshalb werde es während eines Dürrejahres nicht möglich sein, die ausreichende Menge an Wasserkraftenergie zu liefern, erklärte er. Das Treffen, an dem Manager staatlicher und privater Unternehmen aus der Branche teilnahmen, war von dem Wirtschaftsinformationsdienst 'Business News Americas' (BNamericas) mit Sitz in Santiago de Chile organisiert worden. Viele Teilnehmer kritisierten das Kraftwerksmodell und warnten vor Engpässen bei der Energieversorgung.

Dass Brasilien auf die als "lebenslang haltbare Batterien" geltenden Wasserspeicher verzichte, werde den Bau weiterer, mit fossilen Brennstoffen betriebener Wärmekraftwerke erforderlich machen. Diese seien 'schmutziger' als Wasserkraftwerke, stießen bei Umweltschützern aber längst nicht auf so großen Widerstand, beschwerten sich Staudammbauer und ihre Befürworter.

Der Bau des Belo-Monte-Dammes am Xingú-Fluss im brasilianischen Amazonasbecken begann 2011. Insgesamt 516 Quadratkilometer Land müssen dafür geflutet werden. Wäre, wie ursprünglich in den achtziger Jahren geplant, auch ein Stausee angelegt worden, hätte sich die überschwemmte Fläche um 58 Prozent vergrößert.

Aufgrund der geringeren Speicherkapazitäten wird das Werk seine volle Leistung von 11.233 Megawatt nur während der kurzen Regenzeit erreichen, wenn der Fluss auf seinen höchsten Stand anschwillt. Während der Trockenperiode wird sich die Strommenge deutlich reduzieren. Die Strömung des Xingú-Flusses kann von 30.000 Kubikmeter pro Sekunde im März und April auf weniger als 500 Kubikmeter pro Sekunde in einem trockenen Monat wie Oktober sinken.

"Wir müssen uns an Staudämme ohne große Wasserspeicher gewöhnen, weil die Umwelt dies erfordert", sagte Mauricio Tolmasquim, der Vorsitzende des Unternehmens für Energieforschung, das das Energieministerium berät. Die Amazonas-Region, die die besten Voraussetzungen zur Wasserkraftgewinnung bietet, sei sehr flach. Daher gebe es nur wenige Stellen, an denen Wasser gestaut werden könne, ohne dass große Waldgebiete überflutet würden, erklärte er.

Einer dieser Orte ist Belo Monte, der am Ende eines Canyons liegt. Ein großer Speicher würde dort zwei Wohngebiete von insgesamt rund 200 Ureinwohnern unter Wasser setzen. "Dies war ein ausschlaggebender Faktor" für die Umsetzung des Laufwasser-Modells, sagte Tolmasquim.


Auch Hollywood-Prominenz macht gegen Belo Monte mobil

Die Entscheidung konnte jedoch nicht verhindern, dass Belo Monte zur Zielscheibe der bisher größten Proteste gegen ein Energieprojekt in Brasilien wurde. Umweltschützer, Bürgeraktivisten, indigene Gemeinden sowie einheimische Filmstars und Hollywood-Prominente wie Sigourney Weaver und James Cameron zogen an einem Strang, um vor ökologischen und sozialen Schäden zu warnen.

Goldemberg, der an der Universität von São Paulo lehrt, riet im Amazonasgebiet zu kleineren Kraftwerken mit einer Produktionsleistung von 500 Megawatt. Der Forscher stand früher an der Spitze mehrerer staatlicher Unternehmen und war während des historischen UN-Erdgipfels in Rio de Janeiro 1992 nationaler Umweltminister.

Goldemberg ist davon überzeugt, dass die Regierung "eine große Chance verpasst hat", indem sie nicht auf Umweltorganisationen wie den WWF gehört habe, die von einem Staudamm am Xingú-Fluss abgeraten hatten. Notwendig seien "gute" und "transparente" Projekte", die die sozialen und ökologischen Folgen berücksichtigten. (Ende/IPS/ck/2012)


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http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100782
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107883

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2012