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EU/001: Kanadas Teersand schlimmer als Öl - EU soll handeln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Juli 2010

Umwelt: Kanadas Teersand schlimmer als Öl - EU soll handeln

Von David Cronin


Brüssel, 20. Juli (IPS) - Vor der Gefahr eines Handelstreits mit Kanada hat die Europäische Union den ökologischen Rückwärtsgang eingelegt. Sie verzichtete vorerst darauf, Teersand aus Nordamerika als größeren Klimafeind einzustufen als die herkömmlichen fossilen Brennstoffe.

Vertreter der Europäischen Kommission erwägen derzeit die Einführung eines Treibstoffqualitätsgesetzes, das den Transportverkehr in den Ländern der EU sauberer machen soll. Was das übergeordnete Ziel angeht, konnte bereits Einigkeit erzielt werden. So soll die Erdölindustrie ihre klimaschädlichen Treibhausgase um sechs Prozent bis 2020 senken. Jetzt geht es nur noch um den Feinschliff, wobei die Frage nach einer Einschränkung der Importe nicht-konventioneller Ölquellen für den größten Diskussionszündstoff sorgen dürfte.

Wie aus einem EU-Ökopapier von 2009 hervorgeht, ist Teersand ökologisch gesehen um 20 Prozent schädlicher als der herkömmliche Kraftstoff europäischer Autos. Diese Passage wurde jetzt jedoch gestrichen, nachdem der Leiter der Direktion Umwelt der EU-Kommission, Karl Falkenberg, im Januar einen Brief vom kanadischen Botschafter in Brüssel Ross Hornby erhalten hat.

Naturschützer konnten mit Hilfe der EU-Bestimmungen für das Recht auf Informationen Einblick in das Schreiben nehmen. Darin kritisierte Hornby den Vorschlag, Öl aus Teersand anders als herkömmlichen Treibstoff zu behandeln. Eine solche Unterscheidung würde die Auskunftsanforderungen an die Energieunternehmen erheblich erhöhen und eine Handelsbarriere darstellen, warnte er.

Der Teersand, eine Mischung aus Bitumen, Wasser, Sand und Lehm, der in riesigen Mengen unterhalb der kanadischen Provinz Alberta liegt, ist das zweigrößte bestätigte Erdölfeld der Welt außerhalb von Saudi-Arabien. Wie aus dem jüngst von 'Greenpeace' und dem Europäischen Rat für erneuerbare Energien veröffentlichten Bericht 'Energy Revolution' hervorgeht, setzt die Produktion von Kraftstoffen aus Teersand mehr als vier Mal so viel CO2 frei als die Herstellung von herkömmlichem Diesel.


Handelsinteressen

Die Einstufung von Teersand sei mehr als nur eine Qualitätsfrage, sagte dazu ein EU-Vertreter, der sich Anonymität ausbat. Es gehe um handfeste Handelsinteressen. Die Angelegenheit müsse im Kontext eines nominell separaten Freihandelsabkommens gesehen werden, das EU und Kanada bis Ende des Jahres unter Dach und Fach bringen wollten.

Stuart Trew von der Organisation 'Council of Canadians' hält ein Moratorium gegen den Abbau der Teersandlager für erforderlich. Der Eifer, mit dem Kanada den Abbau der Teersandreserven vorantreibe, schade dem Ruf des Landes und der ganzen Welt.

Trew zufolge ist es besorgniserregend, wie Konzerne Handelsabkommen mitbestimmen, indem sie in den Entwurf von Verträgen eingreifen, die sie als handelsfeindlich ansehen. Er erinnerte daran, dass eine ähnliche Klausel im Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA Firmen ermöglicht habe, US-amerikanische und mexikanische Gesundheits- und Umweltauflagen anzugehen.


Hoher Wasserbedarf

"Jeder Versuch, die Produktion von Teersand zu drosseln, um ökologische Gesichtspunkte aufzuwerten und den Wasserverbrauch bei der Produktion von Kraftstoffen aus Teersand zu verringern, könnte zu einem Problem werden". sagte Trew. Für die Produktion von einem Barrel Treibstoff aus Teersand ist fünf Mal mehr Wasser erforderlich als bei der Herstellung von herkömmlichem Diesel.

Die EU-Kommissarin für Klimaschutz Connie Hedegaard hat etlichen Umweltgruppen in einem Schreiben vom 13. Juli zugesichert, nach der Sommerpause im August einen Vorschlag zur Regulierung von Teersand einzubringen.

Shell, einer der größten Investoren der Alberta-Teersandindustrie, versucht strikte EU-Treibstoffqualitätsbestimmungen über eine gezielte Lobbyarbeit zu verhindern. Im Mai lud das Unternehmen Mitglieder des Europäischen Parlaments zum Abendessen, um für Teersand zu werben.

Nusa Urbancic von der Organisation 'Transport und Umwelt' berief sich auf die Existenz verschiedener wissenschaftlicher Untersuchungen, die zeigten, dass Teersand deutlich schmutziger sei als konventionelle fossile Brennstoffe. Das Ergebnis der bevorstehenden EU-Diskussion werde Auswirkungen auf die ganze Welt haben.

"Die Europäische Kommission hat die Pflicht, die Umwelt und nicht die kanadischen Interessen zu schützen", sagte sie. Europa setze in Bereichen wie Treibstoffen, Fahrzeugen, elektronischen Geräte Standards. Die Kanadier fürchteten in dem Fall, dass Europa einen eigenen Wert für Teersand festlegt, dass andere Staaten folgen könnten. "Wir haben es also mit einer klar politischen Entscheidung zu tun", sagte Urbancic. "Wenn wir den Klimawandel vorbeugen wollen, sollten wir das Zeug unter der Erde lassen." (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.greenpeace.org/international/Global/international/planet- 2/report/2005/10/energy-revolution-a-sustainab.pdf
http://www.transportenvironment.org/
http://www.canadians.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52195

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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2010