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GLOBAL/047: Der 'Nullentwurf' - Kein Konsens zu Rio+20-Aktionsplan (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Mai 2012

UN: Der 'Nullentwurf' - Kein Konsens zu Rio+20-Aktionsplan

von Thalif Deen


Arbeits- und andere Aktivisten gegen den 'Gospel des grünen Kapitalismus' - Bild: © Clarinha Glock/IPS

Arbeits- und andere Aktivisten gegen den 'Gospel des grünen Kapitalismus'
Bild: © Clarinha Glock/IPS

New York, 8. Mai (IPS) - Zwei Wochen hatte das UN-Vorbereitungskomitee (PrepCom) hinter verschlossenen Türen über den globalen Aktionsplan verhandelt, der rechtzeitig zum Rio+20-Gipfel im nächsten Monat in Brasilien vorliegen soll. Doch die Unterhändler der 193 UN-Mitgliedstaaten konnten keine Einigkeit erzielen. Das Dokument mit dem viel versprechenden Titel 'Die Zukunft, die wir wollen' wurde zudem von ursprünglich 200 auf 100 Seiten gestutzt.

Die UN-Mitgliedstaaten, internationale Organisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen hatten ihre Forderungen und Vorschläge auf 6.000 Seiten formuliert, aus denen der erste Entwurf der Gipfelabschlusserklärung, der sogenannte 'zero draft', kondensiert werden sollte. Nachdem die Verhandlungen am 4. Mai ohne nennenswerte Ergebnisse zu Ende gegangen waren, brachte der südkoreanische Botschafter Kim Sook stellvertretend für viele Delegationen seine Enttäuschung zum Ausdruck.

PrepCom hat nun ab dem 29. Mai eine weitere Sitzungswoche eingeläutet, in der Hoffnung, dass man sich doch noch auf ein gemeinsames Dokument einigen kann. Das Treffen ist der letzte Versuch, einen Aktionsplan zustande zu bringen, dem die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel vom 20. bis 22. Juni in Rio de Janeiro zustimmen sollen.


Verhandlungsergebnisse unbedeutend

Der Gipfel ist der Höhepunkt der UN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung (UNCSD oder Rio+20) 20 Jahre nach dem historischen Erdgipfel von 1992 in Rio de Janeiro, der die Agenda 21 und die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung hervorgebracht hat.

"Machen wir uns nichts vor", meinte der UNCSD Generalsekretär Sha Zukang am 4. Mai. "In seinem jetzigen Stadium ist der Verhandlungstext weit davon entfernt, ein konzentriertes politisches Dokument zu sein, wie es der UN-Vollversammlung vorschwebt." Ziel müsse sein, einen zu 90‍ ‍Prozent fertig gestellten Textentwurf mit nach Rio zu bringen. Der schwierige Rest könnte dann auf höchster politischer Ebene nachverhandelt werden.

Eine Koalition internationaler Nichtregierungsorganisationen hat in einer Stellungnahme am 4. Mai ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass Rio+20 am Ende nichts zu den globalen Bemühungen um nachhaltige Entwicklung beitragen wird. Sie warf den Regierungen vor, die viermonatigen Verhandlungen um einen Aktionsplan zur Aushebelung allgemein gültiger Menschenrechte und Prinzipien wie Gleichheit und 'der Verschmutzer zahlt' missbraucht zu haben beziehungsweise nichts gegen derartige Maßnahmen unternommen zu haben.

"Nach den langwierigen Verhandlungen über das sogenannte Nullentwurfsergebnis stecken die Rio+20-Gespräche bei null fest", meinte Antonio Hill von der Hilfsorganisation 'Oxfam'. Bisher gebe es keine handfesten Ergebnisse, die dazu beitragen könnten, die von den Regierungen vor 20 Jahren auf dem Erdgipfel in Rio eingegangenen Verpflichtungen umzusetzen.

Neben Oxfam gehören der Allianz die Organisationen 'Development Alternatives', 'Greenpeace', das Forum brasilianischer NGOs und sozialer Bewegungen für Umwelt und Entwicklung (FBOMS), der Internationale Gewerkschafsverband ITUC und 'Vitae Civilis' an.

Wie Zeenat Niazi von den Development Alternatives mit Sitz in Indien erklärte, hat vor allem die Uneinigkeit über das Konzept der 'grünen' Wirtschaft und deren Bedeutung und Relevanz für die Forderung des globalen Südens nach nachhaltigen Lebensweisen die Gespräche ins Stocken gebracht. Ebenso wenig konnte Einigkeit in Fragen der Gleichheit, des nachhaltigen Konsum- und Produktionsverhaltens des globalen Nordens, der sozialen Gerechtigkeit vor allem im Zusammenhang mit der Ausbeutung von Rohstoffen in den Entwicklungs- und ärmsten Ländern und des Technologietransfers und des Handels erzielt werden.

Die Vereinten Nationen haben in einer Mitteilung einige der strittigsten Themen zusammengefasst. Während die Industriestaaten die 'grüne' Wirtschaft als richtigen Weg für eine nachhaltige Entwicklung begrüßten, seien die Entwicklungsländer in dieser Frage zurückhaltender. Ihrer Meinung nach sollte jedes Land seinen eigenen Weg finden und sichergestellt werden, dass der Ansatz der 'grünen' Wirtschaft nicht zu grünem Protektionismus führe oder Wachstum und Armutsbekämpfung gefährde.


Versprechen nicht gehalten

Andere Staaten und Akteure hätten darauf hingewiesen, dass zu anderen Gelegenheiten eingegangene Verpflichtungen wie die Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) auf sieben Prozent des Bruttosozialprodukts bis heute nicht eingehalten wurden.

Der Mitteilung zufolge sind dennoch so gut wie alle Länder bereit, sich auf eine Vielzahl von Punkten zu verständigen. "So besteht weitgehende Einigkeit daran, dass etwas getan werden muss, um die Bedürfnisse der wachsenden Weltbevölkerung zu befriedigen, deren Konsum- und Produktionsweisen nicht nachhaltig sind und mit dem Anstieg der CO-Emissionen, der Zerstörung der natürlichen Ökosysteme und der Zunahme von Einkommensungleichheiten einhergehen." Ebenso sei man übereingekommen, dass das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab für nachhaltigen Fortschritt unzureichend sei.

In der Mitteilung heißt es weiter, dass sich die Länder auch mit dem Konzept neuer Nachhaltigkeitsentwicklungsziele befassen, die in einem gewissen Zeitrahmen umgesetzt sein sollen, wie etwa die Versorgung aller Menschen mit nachhaltigem Strom und sauberem Trinkwasser. Bei der Festlegung auf die Ziele herrsche ebenso Uneinigkeit wie in der Frage, wann und wie ein solcher Prozess abgeschlossen sein solle. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.un.org/esa/dsd/agenda21/
http://www.unep.org/Documents.Multilingual/Default.asp?documentid=78&articleid=1163
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107695

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2012