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GLOBAL/060: Ohne Land kein Leben - UNCCD fordert 'Null-Netto-Degradationsziel' (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Juni 2012

Umwelt: Ohne Land kein Leben - UNCCD fordert 'Null-Netto-Degradationsziel'

von Karina Böckmann

Jedes Jahr veröden jährlich zwölf Millionen Hektar Land - Bild: © Mauricio Ramos/IPS

Jedes Jahr veröden jährlich zwölf Millionen Hektar Land
Bild: © Mauricio Ramos/IPS

Berlin, 6. Juni (IPS) - In dem Bemühen, die Leben spendende Kraft der Erde zu erhalten, wird das UN-Wüstensekretariat (UNCCD) auf der Rio+20-Konferenz in diesem Monat die Annahme eines neuen Nachhaltigkeitsentwicklungsziels der 'Null-Netto-Landdegradation' (Zero Net Land Degradation) einfordern.

"Wir sollten die Zukunft, die wir wollen, nicht verdorren lassen", warnte unlängst der UNCCD-Generalsekretär Luc Gnacadja mit Blick auf die Nachhaltigkeitskonferenz 'Die Zukunft, die wir wollen', die vom 20. bis 22. Juni in Rio de Janeiro stattfindet. Gnacadja zufolge ist die Einigung auf ein solches nachhaltiges Entwicklungsziel für einen degradationsneutralen Umgang mit Land bis 2030 die Grundvoraussetzung für die globale Wasser-, Nahrungs- und Energiesicherheit.

"Wir müssen uns auf zwei Landdimensionen konzentrieren: auf degradiertes und nicht degradiertes Land", heißt es in einem UNCCD-Strategiepapier. "In den bereits verödeten Gebieten müssen wir die Fruchtbarkeit der Böden und die Produktivität der Erde wiederherstellen. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Die Null-Netto-Landdegradation lässt sich erreichen, wenn die Landverödung über einen bestimmen Zeitraum hinweg verhindert oder rückgängig gemacht wird." Es gelte Produktivland wieder zum Leben zu erwecken. "Land ist unser natürlicher Verbündeter, doch wird seine Geduld nicht ewig vorhalten."


Landverödung vernichtet zwölf Millionen Hektar pro Jahr

"Menschen stellen vielfältige und zunehmende Ansprüche an Land", sagte Gnacadja am 23. Mai bei der Präsentation des UNCCD-Strategiepapiers in Berlin. "Wir brauchen Nahrungsmittel, Tierfutter und Treibstoffe. Land wird für menschliche Siedlungen und Infrastrukturen benötigt, für ökologische Dienstleistungen, zur CO2-Sequestration in Böden und Pflanzen". Land sei zudem wegen seiner Bodenschätze begehrt.

Derzeit verursachen Landverödung und Wüstenbildung den Verlust von jährlich zwölf Millionen Hektar. Experten zufolge ist die Nahrungsmittelproduktion der größte Stressfaktor. Bis 2030 werden neun Milliarden Menschen 120 Millionen Hektar mehr Land benötigen, um 50 Prozent mehr Nahrung zu produzieren, rechnete Gnacadja, ein ehemaliger beninischer Minister für Umwelt, Wohnungswesen und Stadtentwicklung, vor. Die Nachfrage nach Energie und Wasser für die Landwirtschaft wird um 50 respektive 30 Prozent steigen.

Dem Strategiepapier zufolge werden die wasser- und nährstoffabhängigen Systeme der Erde durch eine Vielzahl von Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Landverödung und Wüstenbildung, Klimawandel, Verbesserung der Lebensstandards, Veränderungen der Essgewohnheiten, Verstädterung, Ressourcenverschwendung und Welthandel geschwächt.

Jede Minute, so heißt es in dem UNCCD-Papier, wächst die Weltbevölkerung um 150 neue Erdenbürger an, gehen 25 beziehungsweise zehn Hektar Land durch den Einschlag der tropischen Wälder und durch Bodenerosion verloren. Die Verstädterung verschlingt bis zu 5,5 Hektar Land pro Minute. Weltweit ist bereits ein Viertel des Landes hochgradig degradiert. Davon betroffen sind 1,5 Milliarden Menschen.

Landverödung gefährdet die Ernährungssicherheit, verursacht Hunger, Migration, Entwaldung, politische Instabilität und Bürgerkriege und begünstigt das Phänomen des 'Land Grabbing', wie Gnacadja betonte. "Asiatische Staaten werden bis 2050 60 Prozent der Weltbevölkerung beherbergen. Kein Wunder also, dass Inder und Chinesen in Land in Afrika investieren", heißt es in dem Strategiepapier.

Der UNCCD-Chef ist überzeugt: "Für die internationale Gemeinschaft ist die Zeit gekommen, um sich auf eine Welt zu verständigen, die frei von jeder Landverödung ist." Die Menschheit sollte das Ziel der Null-Netto-Landdegradation bis 2030 erreicht haben. "Das ist machbar und wir wissen auch wie", sagte Gnacadja. Tatsächlich sei es lokalen Gemeinschaften in vielen Teilen der Welt und insbesondere in Trockengebieten gelungen, durch das Anpflanzen von Düngebäumen Land wieder fruchtbar zu machen.

Dem UNCCD-Strategiepapier zufolge stehen mehr als zwei Milliarden Hektar Land bereit, die sich regenerieren ließen. Die Umsetzung bis 2030 mache die Bereitschaft, Unterstützung und finanzielle Investition aller öffentlichen und privaten Akteure, aller einzelnen Glieder der Nachschub- und Wertschöpfungskette der Landnutzung und der Gemeinden erforderlich.


Prävention zahlt sich aus

Globale Anstrengungen im Kampf gegen die Landverödung zahlen sich aus, wie das Internationale Forschungsinstitut für Agrar- und Ernährungspolitik (IFPRI) in einer Studie mit dem Titel 'Economics of Land Degradation' anhand von Fallbeispielen in Indien, Kenia, Niger und Peru belegt. Allein der Niger verliert demnach acht Prozent seines Bruttonationalprodukts aufgrund von Überweidung, Versalzung der bewässerten Reisfelder und Nährstoffverlust.

"Die Kosten, um eine Versalzung von bewässertem Reis zu verhindern, macht ein Zehntel der Kosten aus, die pro Hektar durch Inaktivität anfallen. Die Kosten, um Überweidung vorzubeugen, belaufen sich nur auf 20 Prozent der Kosten, die sich bei einer fortgesetzten Überweidung ergeben würden", heißt es in der Studie.

Nach Angaben von 'Project Catalyst', einer Initiative der 'ClimateWorks Foundation im US-amerikanischen San Francisco, würde eine nachhaltige Landbewirtschaftung zur Hälfte der bis 2020 angestrebten Klimalösungen beitragen. Dabei geht es sowohl um die Kapazitäten von Wäldern, Grasland und Mooren als CO2-Senken als auch um die Regenerierung der natürlichen Systeme.

Ein altes Sprichwort nordamerikanischer Ureinwohner besagt: "Wir erben die Erde nicht von unseren Vorfahren, wir leihen sie uns von unseren Kindern". Auch diese Wahrheit spricht dafür, sofort mit Maßnahmen gegen die Landverödung zu beginnen. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.unccd.int/en/media-center/MediaNews/Pages/highlightdetail.aspx?HighlightID=95
http://reliefweb.int/node/446726
http://ebookbrowse.com/towards-the-inclusion-of-forest-based-mitigation-in-a-global-climate-agreement-14-may-09-pdf-d140841164
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=108018

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2012