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GLOBAL/127: Das Weltnaturerbe ist in Gefahr (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015
Ökosystem Boden
Die dünne Haut der Erde

Das Weltnaturerbe ist in Gefahr
Zivilgesellschaft fordert Mitwirkungsrechte in der UNESCO

Von Stephan Dömpke


"Welterbe" - diese begehrte Auszeichnung durch die UNESCO ist gleichsam der Nobelpreis des Naturschutzes. Der Einschreibung in die "Liste des Natur- und Kulturerbes der Menschheit" liegt eine internationale Konvention zugrunde, die für die Staaten, die ihr beigetreten sind, bindendes Recht ist. Es handelt sich also beileibe nicht nur um ein "Label" zur Tourismusförderung. Die Staaten unterwerfen sich dem strikten Regime der Konvention mit seinen Management- und Berichtspflichten.


Von den heute insgesamt 1007 Welterbestätten sind nur 197 Naturerbestätten; 31 sind gemischte Natur- und Kulturstätten. Weltnaturerbe können nur Gebiete werden, die von "herausragendem universellem Wert" sind und superlative natürliche Phänomene aufweisen, außergewöhnliche Beispiele für ökologische oder biologische Prozesse sind oder die bedeutendsten natürlichen Lebensräume für den Erhalt der biologischen Vielfalt darstellen. Die Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (IUCN) als Fachberater der UNESCO empfiehlt eine Ernennung zum Welterbe nur nach einer sehr rigiden Prüfung; von jedem Ökosystemtyp lässt sie nur ein einziges Beispiel zur Einschreibung zu.

Ende Juni tagt das UNESCO-Welterbekomitee in Bonn. Es entscheidet alljährlich über sämtliche Belange des Welterbes - über die Aufnahme neuer Stätten in die Welterbeliste ebenso wie über Maßnahmen zum Erhalt existierender Stätten und gegebenenfalls ihre Einschreibung in die "Liste des gefährdeten Welterbes". Ein Blick im Vorfeld auf den Zustand des Weltnaturerbes stimmt leider nicht optimistisch.

Welterbestätten sind gefährdet

Von den 197 Naturerbestätten befinden sich zur Zeit 19 auf der Liste des gefährdeten Welterbes, davon 13 in Afrika, 3 in Lateinamerika und der Karibik, 2 in Asien/Pazifik und 1 in Nordamerika - sie alle liegen in den Tropen und Subtropen, überwiegend sind es tropische Regenwälder.(1) Die Bedrohungsfaktoren sind wohlbekannt: Wilderei, Abholzung, Bergbau, Besiedlung, Infrastrukturprojekte und bewaffnete Auseinandersetzungen. Am schlimmsten ist die Situation in der Demokratischen Republik Kongo, wo alle fünf Welterbestätten auf der "Roten Liste" stehen, aber auch die USA sind mit dem Everglades-Nationalpark vertreten. Ob eines von ihnen die Auflagen erfüllt hat, um von der "Roten Liste" gestrichen zu werden, ist nicht absehbar.

Aber nicht nur die Stätten, die schon zum gefährdeten Welterbe gehören, sind bedroht. Sorgen machen auch andere Stätten, die noch auf der regulären Liste stehen. Zu 21 von ihnen hat das Welterbekomitee von den Regierungen Statusberichte angefordert, um die Situation zu untersuchen.(2)

Das bekannteste von ihnen ist das Great Barrier Reef Australiens, das größte Korallenriff der Erde. Hier plant die Regierung vier große Häfen anzulegen, um Kohle aus Queensland nach Südostasien zu verschiffen. Über 7000 Riesenfrachter, für die extra Fahrrinnen ausgehoben werden müssen, würden jedes Jahr das Riff durchfahren. Die Folgen für die ohnehin durch die Erwärmung des Meeres, eine Folge des Klimawandels, akut bedrohten Korallenriffe wären verheerend. Da Australien kaum von seinen Plänen abrücken wird, sind auf der Komiteesitzung harte Auseinandersetzungen zu erwarten. Dass die konservative australische Regierung sich wenig um den Naturschutz schert, zeigt sie auch im Welterbe "Tasmanische Wildnis", wo sie jetzt touristische Infrastruktur in die Urwälder hineinbauen will.

Militärbasis mitten im Welterbe

Große Sorgen bereitet daneben ein Land, das vor nicht langer Zeit noch führend bei der Ausweisung großer Schutzgebiete war: Russland. Laut Greenpeace Russland sind fünf Welterbegebiete von Regierungsprojekten bedroht: Auf der Wrangel-Insel im Arktischen Ozean, Heimat einer der letzten großen Walross-Populationen, soll eine Militärbasis errichtet werden, um russische Ansprüche auf Ölfördergebiete in der östlichen Arktis unweit Alaskas zu sichern.

Von ähnlicher Bedeutung ist der Bau einer Gaspipeline durch das Altai-Gebirge nach China. Westlich der Mongolei haben Russland und China nur 50 km gemeinsame Grenze: das Ukok-Plateau, das komplett zum Welterbe "Goldene Berge des Altai" gehört. Die Gaspipeline kann somit nur unter Bruch des Welterbestatus gebaut werden. Strategische Interessen der Regierungen in Moskau und Beijing stehen hier denjenigen der lokalen Bevölkerungen diametral entgegen, für die der Altai spirituelle Bedeutung hat und die ihn als eine internationale Friedensregion schützen wollen.

Und auch weitere Stätten in Russland sind in Gefahr. Schon seit 2009 beschäftigen das Welterbekomitee russische Pläne, im Gebiet der "Urwälder von Komi" im Nordural eine Goldmine zu errichten. Seitdem hat Russland Jahr für Jahr Statusberichte abgeliefert, ist aber der Aufforderung des Komitees, die Pläne zu widerrufen, nicht nachgekommen. Dem Baikalsee - er enthält ein Fünftel allen Süßwassers auf der Welt - droht eine Absenkung seines Wasserspiegels durch Staudämme, mit denen die Mongolei den größten Zufluss des Sees, den Selenge, aufstauen will, um Energie für den Bodenschatzabbau zu liefern. Die Pläne werden von der Weltbank unterstützt. Im Welterbegebiet "Westlicher Kaukasus", wo Putin bereits den Bau olympischer Skipisten gegen die UNESCO durchgesetzt hatte, droht nun weitere Zerstörung durch den Bau eines ausgedehnten Skizirkus mit großen Hotelanlagen.

Aber auch in Deutschland ist Weltnaturerbe bedroht. Im Nationalpark "Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer" wird nach Öl gebohrt, und hier ebenso wie in den niederländischen und niedersächsischen Teilen des Wattenmeeres, gibt es Pläne für die Errichtung weiterer Bohrinseln.

Welche Macht hat die UNESCO eigentlich?

Welche Hoffnung besteht für einen effektiven Naturschutz, wenn sogar die wertvollsten, schönsten und bedeutendsten Naturschätze der Welt solchen Gefahren ausgesetzt sind, obwohl sie doch durch die strengstmöglichen Regelungen geschützt sind? Offenbar hat nicht einmal eine zwischenstaatliche Organisation wie die UNESCO die Macht, ihre Mitgliedstaaten zur Einhaltung der Konvention und zum Schutz der Welterbestätten zu bewegen, obwohl diese ihr doch freiwillig beigetreten sind und die Stätten selbst nominiert haben.

Zuständig für den Schutz des Welterbes sind bisher allein Regierungen und Fachleute. Dabei sind es Nichtregierungsorganisationen und lokale Initiativen, die mit ihrem vielfachen Engagement vor Ort wesentlich zum praktischen Schutz des Naturerbes beitragen und ohne die mancherorts der Naturschutz wohl schon zusammengebrochen wäre. Bei den Entscheidungsprozessen in der UNESCO bleiben sie jedoch vor der Tür - die Welterbekonvention sieht für sie keine Rolle und keine Rechte vor.

Beteiligung der lokalen Bevölkerung ist unabdinglich

In den vergangenen Jahren ist in der UNESCO jedoch die Einsicht gewachsen, dass das Welterbe ohne die Mitwirkung der lokalen Bevölkerung nicht dauerhaft geschützt werden kann. Das Welterbekomitee hat eine Reihe von Beschlüssen gefasst, die eine Einbeziehung der Zivilgesellschaft bei der Nominierung, dem Schutz, der Überwachung und der Verwaltung der Welterbestätten fordern. Diese Beschlüsse haben sich jedoch bisher in der Realität noch nicht niedergeschlagen. Weder wurde die Geschäftsordnung des Welterbekomitees noch die Durchführungsbestimmungen zur Welterbekonvention geändert, und die meisten Mitgliedstaaten haben sie schlicht ignoriert.

Nun ist die Zivilgesellschaft selbst aktiv geworden. Im Jahr 2012 fand zum ersten Mal in St. Petersburg vor der Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees ein NGO-Forum statt, auf dem die Situation der Welterbestätten einer kritischen Überprüfung unterzogen wurde. Aus diesem Forum ist der Verein "World Heritage Watch e.V." hervorgegangen, der in Zukunft als Stimme der internationalen Zivilgesellschaft gegenüber der UNESCO auftreten wird.

Zivilgesellschaftliche Konferenz im Vorfeld der UNESCO-Sitzung

World Heritage Watch e.organisiert am 26./27. Juni, unmittelbar vor der diesjährigen UNESCO-Sitzung, in Bonn eine internationale Konferenz zum Thema "Das UNESCO-Welterbe und die Rolle der Zivilgesellschaft". Sie wird bis zu 200 VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen, lokalen Initiativen und indigenen Völkern zusammenbringen, um die Situation der Welterbestätten aus ihrer Sicht darzulegen, denn oftmals erhält die UNESCO aus den Berichten ihrer Mitgliedstaaten und FachexpertInnen nur ein unzureichendes Bild der Lage.

Auf der Konferenz soll erläutert werden, auf welche Weise die Zivilgesellschaft zur Erhaltung der Welterbestätten beiträgt, und die UNESCO dazu gedrängt werden, ihr eine ihrer Bedeutung entsprechende offizielle Rolle bei der Umsetzung der UNESCO-Welterbekonvention zu geben. Außerdem sollen Schritte hin zur Bildung internationaler Strukturen unternommen werden. Große NGOs aus dem Natur- ebenso wie aus dem Denkmalschutz haben ihre Unterstützung zugesagt. Eine solche Konferenz soll in Zukunft jedes Jahr stattfinden. Die Ergebnisse und Beschlüsse der Konferenz sollen im Rahmen eines formellen Zusammentreffens dem UNESCO-Welterbekomitee, ihren Beraterorganisationen und Mitgliedstaaten vorgelegt werden.


Autor Stephan Dömpke ist Vorsitzender von World Heritage Watch e.V.


Weitere Informationen, Programm und Anmeldung für die zivilgesellschaftliche Konferenz unter:
www.world-heritage-watch.org.


Internet-Literatur

(1) http://whc.unesco.org/en/danger/
(2) http://whc.unesco.org/en/sessions/39COM/documents/

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015, S. 33-34
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. April 2015

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