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JUGEND/001: Indien. Die Jugend in Kaschmir kämpft wieder - Diesmal aber für die Umwelt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Juli 2010

INDIEN: Die Jugend in Kaschmir kämpft wieder - Diesmal aber für die Umwelt

Von Athar Parvaiz


Srinagar, Indien, 13. Juli (IPS) - Die Sicherheitslage im indischen Teil Kaschmirs hat sich seit einigen Jahren entspannt, der Kampf für Unabhängigkeit von Neu-Delhi ruht, die Menschen können sich freier bewegen und artikulieren. So ist die Jugend der Bergregion dazu übergegangen, ihre Energie auf ein andres Problem zu fokussieren: die Zerstörung der Umwelt in diesem auch "Paradies auf Erden" genannten Himalaja-Gebiet.

Mit Festivals und äußerst kreativen Kampagnen versuchen junge Umweltaktivisten im indischen Teil Kaschmirs auf die Probleme ihrer Heimat hinzuweisen und ein Umdenken der Bevölkerung zu erreichen.

Schon jetzt sind die Auswirkungen des Klimawandels in dem oberhalb von 1.600 Metern gelegenen Gebiet deutlich zu spüren. Die neun Millionen Bewohner sind in ihrer Wasserversorgung weitgehend von den Himalaja-Gletschern abhängig.

"Über die letzten drei oder vier Jahrzehnte ist die Umwelt in Kaschmir immens in Mitleidenschaft gezogen worden", sagt der 26-jährige Owais Rahim vom 'Indian Youth Climate Network' (IYCN). "Die Wälder sind stark abgeholzt worden, die Wasserreserven sind zusammengeschmolzen."

"Kaschmirs weltberühmter Dal-See ist fast tot durch das unverantwortliche Verhalten der Bevölkerung und der Regierung. Die anderen Seen wie Wullar, Mansbal und Anchar erwartet das gleiche Schicksal, wenn nicht sofort etwas getan wird", fügt der 30-jährige Shahid Ahmad hinzu.


Kopenhagen als Weckruf

Anzar Khuru von der Universität Kaschmir führt den neuen Aktivismus unter den Studenten auch auf den Klimagipfel in Kopenhagen im vergangenen Jahr zurück. Er habe zwar keine wirklichen Zusagen der Industriestaaten an die Entwicklungsländer gebracht, ihnen bei der Bewältigung des Klimawandels zu helfen, aber die Umwelt immerhin in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. "Insbesondere die jüngere Generation beginnt jetzt zu verstehen, wie eine geschädigte Umwelt sich auf das Klima auswirkt", fügt er hinzu.

Gebirgsregionen wie Kaschmir sind wesentlich anfälliger für den Klimawandel als andere, da er jeden Bereich ihrer sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Systeme beeinflusst, so Shakil Ahmad Romshoo, der an der Universität Kaschmir den Klimawandel erforscht. "Das Kaschmirtal erlebt jetzt sehr ungleichmäßige Schneefälle, und sehr heiße Sommer sind in dem ansonsten kalten Tal die Norm", sagt er. "Der Kolhai-Gletscher, der die Lebensader Kaschmirs, den Jhelum-Fluss, speist, ist von 13 auf 11,4 Quadratkilometer geschrumpft, also um 18 Prozent."

Der Klimawandel lässt aber nicht nur Gletscher und Wasservorräte schwinden. Er bringt auch geringere Ernten aufgrund des Wassermangels und wird von der Umweltverschmutzung mit verursacht - Probleme, derer sich die jungen Aktivisten ebenfalls annehmen.


Auch die Regierung lernt beim Festival

Im Mai organisierte IYCN daher ein Festival. Über 1.000 Besucher aus dem ganzen Gebiet kamen. Aber auch Politiker und ranghohe Beamte waren da. "Wir haben einige gute Vorschläge mitgenommen, und wir werden sicher die Ansätze weiterverfolgen, die in den Diskussionen zu Abfallentsorgung, Wasseraufbereitung, Ökotourismus, Biodiversität und nachhaltiger Landwirtschaft gemacht wurden", sagt Nasir Sogami, Kaschmirs Minister für Stadtentwicklung.

Ein anderes großes Problem ist die Umweltverschmutzung, für die in Kaschmir vor allem Fahrzeugabgase, ineffiziente Verbrennung von fossilen Brennstoffen in Kleinbetrieben und unzureichende Abwasser- und Abfallentsorgung verantwortlich sind.

Da es kein funktionierendes Nahverkehrssystem gibt, kaufen immer mehr Kaschmiris Autos. Über 150.000 sind es bereits, doch weniger als die Hälfte erfüllt die gesetzlichen Abgasbestimmungen, so die offiziellen Angaben. Gern wird dem Diesel billiges Petroleum beigemischt, um einen höheren Profit zu machen - die Belastung der Atmosphäre durch Kohlenstoffe steigt dadurch drastisch.

Dagegen wollen die Behörden jetzt ebenso vorgehen wie gegen illegale Ziegelbrennereien und Steinzerkleinerer - weniger als ein Sechstel aller Brennereien und nur knapp die Hälfte der Steinbrecher sind nach offiziellen Angaben angemeldet im expandierenden Baugewerbe der Region.

Die ersten Schritte sind getan, aber es gebe noch viel zu tun, um Kaschmir umweltbewusst zu machen, sagt die Studentin Sana Mugloo. "Die Regierung tut einfach zu wenig, und so haben wir eine unsagbar schlechte Müllentsorgung und unzureichende Kläranlagen. Die Regierung kümmert sich praktisch nicht um den Schutz der Umwelt." (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.iycn.in/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2010