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KLIMA/150: Klimawandel und Wasserknappheit führen zu massiven Veränderungen im Mittelmeerraum (idw)


Bayerische Forschungsallianz GmbH - 15.02.2012

Klimawandel und Wasserknappheit führen zu massiven Veränderungen im Mittelmeerraum

EU-Forschungs-Cluster CLIWASEC präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse auf internationaler Fachtagung an der LMU in München.


München - Das internationale Forschungs-Cluster CLIWASEC (Climate Change Impacts on Water and Security), bestehend aus den europäischen Forschungsprojekten CLIMB, WASSERMed und CLICO, hat auf seiner internationalen Fachtagung an der LMU in München aktuelle Forschungsergebnisse vorgestellt. Demnach sind der Klimawandel und die dadurch bedingte, zunehmende Wasserverknappung für viele Regionen des Mittelmeerraumes bereits heute Realität. Die vom Forschungsnetzwerk seit Anfang 2010 durchgeführten Untersuchungen lassen erkennen, dass die betroffenen Länder in Zukunft mit einer deutlichen Temperaturzunahme insbesondere der Minimum- und Nachttemperaturen in allen Jahreszeiten rechnen müssen. Außerdem ist trotz häufigerer Starkregenereignisse eine deutliche Abnahme der Niederschlagsmenge zu erwarten. Dies wird in Verbindung mit einem steigenden Meeresspiegel zu stärkeren Überschwemmungen, zunehmender Versalzung des küstennahen Grundwassers sowie fortschreitendem Verlust fruchtbarer Böden führen. Am Beispiel des besonders gefährdeten westlichen Nil-Deltas erläuterten die Wissenschaftler, wie diese massiven Veränderungen zu ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Konflikten führen können. Die Folgen eines Klimawandels, die auf die Kernsektoren der regionalen Wirtschaft im Mittelmeerraum wirken (z.B. Landwirtschaft, Energie, Tourismus), werden zudem auch in anderen, mit dem Mittelmeerraum ökonomisch und politisch vernetzten Ländern spürbar werden - unter anderem in Bayern.


Westliches Nil-Delta: Blick in die Zukunft des gesamten Mittelmeerraums

Bereits heute lassen sich die ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen des Klimawandels im Bereich des westlichen Nil-Deltas beobachten. Seit der Inbetriebnahme des Assuan-Staudamms liefert der Nil deutlich weniger Sediment in das Delta. Dadurch fehlen nicht nur wichtige Nährstoffe für die Landwirtschaft, sondern vor allem der Nachschub für die Sicherung der stark erosionsanfälligen Küstenlinie. Seit einigen Jahrzehnten steigt der Meeresspiegel messbar an. Die Förderung von Erdgas und die starke Entnahme von Grundwasser für die Trinkwasserversorgung und landwirtschaftliche Bewässerung führen gleichzeitig dazu, dass sich der Boden deutlich senkt. Beide Effekte zusammengenommen führen zu einem schnelleren Landverlust. Neben der Degradation durch Küstenerosion erzeugen diese Prozesse zusätzlich eine beschleunigte Versalzung der grundwasserleitenden Gesteinsschichten (Aquifere) im Nil-Delta und damit eine nahezu irreversible Kontamination wertvoller Wasserreserven. Messungen ägyptischer Projektpartner von der Universität Zagazig belegen, dass die Versalzung mittlerweile viele Kilometer in das Nil-Delta vorgedrungen ist.

In Verbindung mit der nach wie vor praktizierten, veralteten Bewässerungsstrategie führt dies zu einem dauerhaften Verlust ehemals fruchtbarer Böden, also wertvoller landwirtschaftlicher Anbaugebiete. Unter erheblichem Wasserbedarf soll nun versucht werden, den Verlust durch Neukultivierungen in den westlich angrenzenden Wüstenregionen zu kompensieren. Im Stadtgebiet von Alexandria bewirken die massiven Wasserentnahmen und das nachrückende Salzwasser eine Destabilisierung des Untergrundes und schädigen somit die Infrastruktur - zahlreiche Wohngebäude, Bahnlinien und Straßen sind diesem fortschreitenden Prozess bereits zum Opfer gefallen. Die Folge sind teure Sanierungsmaßnahmen und im Extremfall Umsiedlungen der Bevölkerung.

Auswertungen von Klimaprojektionsdaten für die Mitte des 21. Jahrhunderts lassen für diese Region bei insgesamt reduziertem Niederschlag eine sehr wahrscheinliche Temperaturzunahme von 1,9 bis 2,8 Grad Celsius erwarten. Dies wird dazu führen, dass durch die erhöhte Verdunstung auf den Agrarnutzflächen ein noch größeres Wasserdefizit entsteht, das nur durch vermehrte Bewässerung ausgeglichen werden kann und somit zur fortschreitenden Wasserverknappung beiträgt. Mittelfristig werden die Menschen die Art und Weise, wie sie ihre Felder bewirtschaften, an die neuen klimatischen Bedingungen anpassen müssen. Ein erster Schritt dorthin muss die Entwicklung deutlich effizienterer Bewässerungsstrategien sein, aber es wird bereits heute in Ägypten über den Umbau der Landwirtschaft nachgedacht. So soll etwa der extrem wasserzehrende Anbau von Reis durch Getreidearten wie Gerste und Weizen ersetzt werden, die mit deutlich weniger Wasser auskommen.

"Aktuelle Untersuchungen gehen davon aus, dass der Meeresspiegel im 21. Jahrhundert im östlichen Mittelmeer um 50 bis 60 Zentimeter ansteigen wird", erklärt Prof. Dr. Ralf Ludwig, Prodekan der Fakultät für Geowissenschaften an der LMU München und Koordinator des Forschungsprojekts CLIMB. "Das hätte gravierende Folgen: Allein im Nil-Delta könnten 300 Quadratkilometer Landwirtschafts- und Siedlungsfläche verloren gehen und küstennahes Grundwasser weiträumig versalzen." Ohne massive Anpassungsmaßnahmen könnte diese Entwicklung bis zu 1,5 Millionen Menschen allein im Großraum Alexandria zu einer Umsiedlung zwingen. CLIWASEC hat zudem ermittelt, dass die massiven zu erwartenden Veränderungen unmittelbar bis zu 200.000 Arbeitsplätze bedrohen würden.

Die Region des westlichen Nil-Deltas ist aufgrund ihrer spezifischen geografischen und geologischen Gegebenheiten besonders gefährdet, weshalb CLIWASEC hier die Auswirkungen des Klimawandels anhand einer Fallstudie untersucht. In diesem Rahmen beschäftigt sich das Projekt CLIMB primär mit den Folgen des Meeresspiegelanstiegs und der Salzwasserintrusionen für die Infrastruktur und Bodendegradation, WASSERMed analysiert die sozioökonomischen Konsequenzen einer Veränderung in der Landwirtschaft und CLICO untersucht die erforderlichen Umsiedlungen und das damit verbundene Konfliktpotential.


Konsequenzen für andere Länder und Regionen - Beispiel Bayern

Die beschriebenen Entwicklungen werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf Länder und Regionen auswirken, die nicht so stark von den Folgen des Klimawandels betroffen, aber mit den Mittelmeeranrainern ökonomisch und politisch vernetzt sind. Dazu zählt auch der Freistaat Bayern.

Die zu erwartenden Schwierigkeiten in der Landwirtschaft im Mittelmeerraum werden zu häufigeren Ernteausfällen bzw. zu Lieferengpässen von dortigen Waren führen. Andere Länder und Regionen wie Bayern könnten diese Ausfälle gegebenenfalls kompensieren, wenn sie ihre Landwirtschaft innerhalb vernünftiger Rahmenbedingungen frühzeitig auf die Mitversorgung der südlichen Regionen einstellen. Gleichzeitig muss die Akzeptanz gefördert werden, dass durch einen notwendigen Umbau der Landwirtschaft nicht länger alle Produkte zu jeder Jahreszeit verfügbar sein werden.

Zudem könnte die bayerische Expertise im Bereich der erneuerbaren Energien und der Umwelttechnik einen großen Beitrag zur Verbesserung der Ressourcenwirtschaft und des Umweltschutzes in den betroffenen Regionen leisten. Eine verstärkte Nutzung der Sonnenenergie zur Stromerzeugung würde die Abhängigkeit der Mittelmeeranrainer vom Erdgas verringern und somit Wasserressourcen und Böden schonen. Auch seine Kompetenz im Bereich der Trinkwasseraufbereitung könnte Bayern für beide Seiten gewinnbringend einsetzen.


Über CLIWASEC

Das internationale Forschungsnetzwerk CLIWASEC (Climate Change Impacts on Water and Security) ermittelt und analysiert die ökologisch-naturwissenschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Klimawandels und der Wasserknappheit im Mittelmeerraum. CLIWASEC soll mögliche Risiken aufzeigen und Handlungsempfehlungen entwickeln.

CLIWASEC entstand 2010 auf Initiative der EU-Kommission. Es setzt sich aus drei unabhängigen, EU-geförderten Projekten zusammen: CLIMB ('Climate Induced Changes on the Hydrology of Mediterranean Basins'), WASSERMed ('Water Availability and Security in Southern Europe and the Mediterranean') und CLICO ('Climate Change, Hydro-Conflicts and Human Security'). In diesem Cluster sind insgesamt 44 Institutionen aus 19 Ländern vernetzt. Durch ihre Zusammenarbeit wollen die Projekte wichtige Synergien schaffen und die wissenschaftliche Kommunikation an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik verbessern. Die drei in CLIWASEC zusammengeschlossenen Projekte werden von der EU für drei bzw. vier Jahre mit einem Gesamtbudget von ca. 9,3 Mio. EUR gefördert.

Im Rahmen des CLIMB-Projektes sind vier bayerische Einrichtungen an den laufenden Forschungsarbeiten beteiligt: Wissenschaftlicher Leiter des Projektes ist Prof. Dr. Ralf Ludwig (Ludwig-Maximilians-Universität, Department für Geographie, Fachwissenschaftler für die Bereiche Hydrologie, Fernerkundung und Klimawandelfolgen); darüber hinaus sind die Bayerische Forschungsallianz GmbH (Projektmanager Dr. Thomas Ammerl), die VISTA Geowissenschaftliche Fernerkundung GmbH sowie das Deutsche Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen beteiligt.

Ansprechpartner:
Wissenschaftlicher Koordinator:
Prof. Dr. Ralf Ludwig
Department für Geographie
Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München
Tel.: 089 / 2180 - 6677
E-Mail: r.ludwig@lmu.de

Projektmanager:
Dr. Thomas Ammerl
Fachreferatsleiter Umwelt + Energie
Bayerische Forschungsallianz GmbH (BayFOR)
Tel.: 089 / 9901888 - 120
E-Mail: ammerl@bayfor.org


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.bayfor.org/cliwasec-pressemappe - Pressemappe "Klimawandel und Wasserknappheit: EU-Forschungs-Cluster CLIWASEC präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse auf internationaler Fachtagung an der LMU in München"

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/de/image163082
Das europäische Forschungs-Cluster CLIWASEC erforscht die ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen des Klimawandels und der Wasserknappheit im Mittelmeerraum

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter: http://idw-online.de/de/news463657

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter: http://idw-online.de/de/institution282


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Bayerische Forschungsallianz GmbH, Christine Huber, 15.02.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2012