Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

KLIMA/293: Warschauer Gipfel (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Warschauer Klimagipfel
Trippelschritte zum Abkommen

Von Sönke Kreft, Manfred Treber und Lutz Weischer



Vor für Klimaschutz feindlichem Hintergrund wurden auf dem Klimagipfel in Warschau (COP 19) dennoch einige Einigungen erreicht. Klar ist aber auch: COP 19 hat weder dazu beigetragen, dass die Staatengemeinschaft eher das 2-Grad-Limit einhält, noch hat sie viele der entscheidenden Hemmnisse für ein Abkommen ab 2015 aus dem Weg geräumt. Industrie- und Schwellenländer haben sich hintereinander versteckt und so größere Fortschritte verhindert. Unrühmlich war auch die Rolle des Gastgeberlands Polen. Polen ist der größte klimapolitische Bremser in der EU und hat noch während der Konferenz progressive Positionen der EU zu verhindern gewusst. Auch Deutschland hat sich nicht entschieden genug für eine Wiederbelebung der europäischen Vorreiterrolle eingesetzt und damit den Einfluss der Europäer in den Verhandlungen geschwächt.


Es ist nichts Neues, dass Klimagipfel in die Verlängerung gehen. Auch beim 19. UN-Klimagipfel (COP 19) in Warschau wurde über 24 Stunden überzogen und bis kurz vor Schluss schien auch ein Scheitern möglich. Nach der Ankündigung einiger Industrieländer bis 2020 beim Klimaschutz weniger unternehmen zu wollen, als ursprünglich zugesagt, stand die Konferenz unter keinem guten Stern. Japan verkündigte während der Konferenz sein neues Klimaziel, das statt einer deutlichen Reduktion sogar ein Wachstum der Emissionen im Vergleich zu 1990 vorsieht. Australien will nach dem Regierungswechsel seine Klimaschutzgesetzgebung zurückfahren. Auch die EU hat zum Stillstand beigetragen, da sie ihre Emissionsreduktionsziele für 2020 schon jetzt übererfüllt hat und trotzdem zu keiner Verschärfung bereit war. Eine solche Erhöhung der Klimaziele bis 2020 ist jedoch Teil der Vereinbarung von Durban, damit Schwellenländer 2015 in das Abkommen, das ab 2020 gelten soll, einsteigen. Die fehlende Bereitschaft der Industrieländer, zu Klimaschutz vor 2020 und zur Klimafinanzierung konkrete Zusagen zu machen, erlaubte es so Ländern wie China, Indien und Brasilien mit guten Gründen und fraglichen Absichten in Warschau Fortschritte in Richtung eines wirksamen Abkommens mit Verpflichtungen für alle zu blockieren.


Fahrplan zum Abkommen und Klimaziele bis 2020
Die wichtigste Erwartung an COP 19 war, einen Fahrplan für das 2015-Abkommen in Paris zu entwickeln. Denn die Erfahrung von Kopenhagen hat gezeigt, dass man nicht alle Fragen bis auf die letzte Minute aufschieben sollte. Die Verhandlungen über das neue Abkommen finden in einer Untergruppe der COP namens Arbeitsgruppe zur Durban-Plattform (ADP) statt. In der ADP sollte eine ex-ante Begutachtung von zukünftigen Klimaschutz- und Klimafinanzierungszielen unter Berücksichtigung von Gerechtigkeitsaspekten vorgesehen werden, um ihre Verschärfung vor Einschreiben in ein globales Abkommen zu ermöglichen. Um dies zu ermöglichen, hatten die EU, viele besonders vom Klimawandel betroffene Entwicklungsländer und die meisten NGOs gefordert, für das Einreichen erster Ziele eine Deadline 2014 festzulegen und ein einheitliches Format vorzugeben, das Vergleichbarkeit ermöglicht.

In Warschau gelang es aber nur, sich auf eine vage definierte Frist im Jahr 2015 »rechtzeitig« vor der Konferenz in Paris zu einigen. Für alle Länder, »die dazu bereit sind«, gilt eine Frist innerhalb des ersten Vierteljahres 2015. Zur Frage, in welchem Format die Klimaschutzbeiträge vorgelegt werden sollen, soll erst auf dem nächsten Gipfel in Lima Ende 2014 eine Entscheidung fallen.

In der ADP geht es auch um die Ambitionserhöhung bis 2020, um die Lücke zwischen heutigen Zusagen und dem 2-Grad-Pfad zu schließen. Durch die erwähnten Rückschritte sind die Ausgangsbedingungen hier besonders schwierig. Die EU und die USA (welche im Übrigen in Warschau recht konstruktiv aufgetreten sind) bewegen sich zwar nicht rückwärts, machen aber auch keine Schritte nach vorn. Die Entscheidung von Warschau fordert alle Länder auf, ihre bisherigen Klimaschutzversprechen für 2020 zu erhöhen. Außerdem sollen innerhalb der UNFCCC verstärkt freiwillige Kooperationen in den Bereichen angestoßen werden, in denen Emissionsminderung und Entwicklung Hand in Hand gehen, etwa bei Erneuerbaren Energien oder bei Initiativen in Städten und Regionen.


Klimafinanzierung - Ein Schrittchen nach vorne
Bei der Klimafinanzierung haben Industrieländer schon 2010 versprochen, zunächst 30 Milliarden Dollar für drei Jahre zu mobilisieren und ab 2020 100 Milliarden jährlich aus öffentlichen und privaten Quellen zur Verfügung zu stellen. Entwicklungsländer drängen darauf, dass der Aufwuchspfad zu den 100 Milliarden deutlich wird und klarer definiert wird, was dazu zählt. In Warschau wurde festgehalten, dass weiterhin Klimafinanzierung geleistet wird und dass sie steigen soll, auch wenn man sich nicht auf konkrete Zwischenziele einigen konnte. Wichtig war auch, dass Warschau das Signal für eine erste Auffüllung des den neuen Green Climate Funds im Jahr 2014 gegeben hat, durch den in Zukunft ein großer Teil der 100 Milliarden fließen soll.

Bei einem anderen Fonds dagegen gab es konkretere Fortschritte: Viele (europäische) Länder sagten insgesamt rund 100 Millionen US Dollar für den Anpassungsfonds zu, Deutschland davon 30 Millionen Euro. Das sind ein wichtiger kleiner Erfolg und auch eine Bestätigung der Arbeit von Germanwatch, die seit Jahren kontinuierlich die Anpassungsfonds begleitet und das Anpassungsfonds-NGO-Netzwerk aufgebaut hat. Gleichzeitig ist es nur ein Tausendstel der Summe, die langfristig für Klimafinanzierung insgesamt fließen soll.


Loss and Damage: Der Staatengemeinschaft den Spiegel vorgehalten
Die besonders verletzlichen Länder erheben immer lauter Forderungen zur Hilfe bei »Loss and Damage« (klimawandelbedingte Verluste und Schäden). Kein Wunder angesichts der Unfähigkeit der internationalen Politik, das 2-Grad-Limit einzuhalten. Je weniger Minderung und Anpassungsunterstützung bezüglich des Klimawandels erfolgen, desto größer werden die Schäden, die getragen werden müssen. Beim Klimagipfel in Doha 2012 war die Grundsatzentscheidung gefallen, sich dieses Themas in Zukunft in der UNFCCC anzunehmen. In Warschau wurde nun darüber diskutiert, wie die Arbeit zu Verlusten und Schäden institutionell gestaltet werden könnte. Hier konnten sich die Entwicklungsländer mit ihrer Forderung eines Mechanismus (der »Warsaw International Mechanism«) durchsetzen, der in den nächsten Jahren weiter zum Verständnis des Themas beitragen, die internationale Hilfe koordinieren und weitere Unterstützungsmöglichkeiten für betroffene Entwicklungsländer entwickeln wird.


»20135 Review«: Muss das Langfristziel der Klimakonvention noch verschärft werden?
Bis Paris wird unter dem »20135 Review« mit Rückgriff auf neue wissenschaftliche Ergebnisse zum Klimawandel (vor allem auf den Fünften Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC) verhandelt, ob das Langfristziel der Temperaturbegrenzung unter 2 Grad nicht noch verschärft werden muss, beispielsweise auf 1,5 Grad. Dazu fand in Warschau ein bestens vorbereiteter Strategischer Expertendialog statt, der seit seiner Konstituierung das Einfallstor der Wissenschaft in die Klimaverhandlungen ist und mit seinen Botschaften der Dringlichkeit auch auf andere Prozesse ausstrahlen soll.


Entscheidungen zur weiteren Implementierung in der internationalen Klimaschutzarchitektur
Einen erfreulichen Durchbruch gab es beim Waldschutz (REDD+ - Reduced Emissions from Deforestation and Forest Degradation), über den seit 2005 verhandelt wird. Hier wurde eine Einigung auf einen Überprüfungsmechanismus, Grundbedingung für Zahlungen für vermiedene Entwaldung, erzielt.(1)

Ebenso erfreulich ist die weitere Ausgestaltung des Systems zur Messung, Berichterstattung und Überprüfung von Emissionen, das erlaubt, Klimaschutzanstrengungen international vergleichbar und transparent zu machen.


Über die UNFCCC-Verhandlungen hinaus: 2014 zum Klimaschutzjahr machen
Das entscheidende Hindernis für weitergehende Einigungen in Warschau lag nicht auf der Ebene der technischen Verhandlungen - vielmehr fehlte der politische Wille zu mutiger Klimapolitik. Deswegen kommt es 2014 darauf an, den Klimaschutz in der Öffentlichkeit aufzuwerten und auf höchster politischer Ebene in den Mittelpunkt zu stellen. Dafür kommen Veranstaltungen wie das Weltwirtschaftsforum in Davos oder die Münchener Sicherheitskonferenz in Frage. Im Juni 2014 werden auf einem Ministertreffen in Bonn außerdem die klimapolitischen Ambitionen bis 2020 verhandelt werden. Auch die Wissenschaft wird im Rahmen des 2014 erscheinenden IPCC-Berichts klare Signale senden. Den politischen Höhepunkt wird dann der vom UN-Generalsekretär einberufene Klimagipfel mit Staats- und Regierungschefs am 23. September 2014 in New York darstellen. Hier sollten weitere Klimainitiativen bis 2020, erste Ziele für die Zeit nach 2020 und finanzielle Mittel für den GCF angekündigt werden. Internationales Verhandeln muss mit mutigem Handeln zu Hause und Zusammenarbeit in Vorreiterallianzen ergänzt werden, damit der globale Klimaschutz wieder Fahrt aufnimmt. Die EU muss ihre Vorreiterrolle durch eine Zielerhöhung für 2020 und ambitionierte Ziele für 2030 wiedererlangen. Deutschland kommt als wirtschaftsstärkstes EU-Land und als Energiewende-Pionier eine besondere Rolle zu.


Rolle der Zivilgesellschaft auf dem Weg nach Paris
Wichtige Akteure der Zivilgesellschaft, darunter Greenpeace, WWF, Friends of the Earth und Oxfam, haben in Warschau ein Zeichen gesetzt und sind als Protest gegen den geringen Verhandlungsfortschritt aus der laufenden Konferenz ausgezogen. Dabei galt die Frustration der Organisation dieses Gipfels, der Rolle der fossilen Industrien und der polnischen Regierung, die unter anderem gemeinsam mit der World Coal Association zeitgleich zur COP 19 einen »Climate and Coal Summit« veranstaltete, um deutlich zu machen, das nach ihrer Ansicht Kohleenergie und Klimaschutz vereinbar sind. Der gemeinsame Auszug war mit dem Signal verbunden, beim nächsten Gipfel in Lima wieder dabei zu sein. Germanwatch begrüßte den Auszug als politisches Zeichen, beteiligte sich aber nicht, um im Rahmen einer Arbeitsteilung in der Zivilgesellschaft den Druck von außen innerhalb der Verhandlungen in konstruktive Dynamik umzuwandeln.


Sönke Kreft und Lutz Weischer arbeiten bei Germanwatch als Teamleiter für Internationale Klimapolitik. Manfred Treber ist Klima- und Verkehrsreferent bei Germanwatch.


(1) Siehe hierzu einen Kommentar von László Maráz und Thomas Fatheuer auf S. 20 der Druckausgabe.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

- Inmitten des Stadions aufgebaute Zelte als Orte für die großen Plenarsitzungen bei COP 19


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

*

Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 24-25
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2014