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KLIMA/405: Religionsführer appellieren an Klimagewissen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Juli 2015

Klima: Religionsführer appellieren an Klimagewissen

von A. D. McKenzie


Bild: © A.D. McKenzie/IPS

Patricia Gualinga (rechts), eine Vertreterin der Serayaku-Gemeinschaft aus dem ecuadorianischen Amazonas-Gebiet
Bild: © A.D. McKenzie/IPS

PARIS (IPS) - "Wir haben als unsere Heimstätte einen Garten erhalten, den wir unseren Kindern nicht als eine Wüstenei übergeben dürfen." Mit diesen Worten hat Kardinal Peter Turkson den Appell Dutzender Religionsführer und Moraltheoretiker auf ihrem 'Gipfel für ein Klimagewissen' in Paris zusammengefasst.

"Unser andächtiger Wunsch ist, dass die Regierungen auf der Klimakonferenz (COP21) im Dezember ein ebenso großes Engagement an den Tag legen werden wie wir hier", erklärte Turkson, Vorsitzender des Pontifikalrats für Gerechtigkeit und Frieden und einer der Berater von Papst Franziskus, die an der Erstellung seiner Umwelt- und Klima-Enzyklika mitwirkten.

Vertreter der weltgrößten Religionen - Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum - sowie anderer kleinerer Glaubensgemeinschaften hatten sich am 21. Juli in der französischen Hauptstadt eingefunden, um ihre Erwartungen an die COP21 vom 30. November bis 11. Dezember in Paris zu formulieren.

Regierungsvertreter, Umweltschützer, Indigenenverbände und Kunst- und Kulturschaffende waren ebenfalls angereist, um ein Ende der "Wegwerf-Konsum-Kultur" und der "verheerenden Gleichgültigkeit gegenüber der Umwelt" zu fordern. "Das größte und einzige Hindernis für einen Kurswechsel sind unsere Gedanken und unsere Herzen", erklärte Turkson, nachdem er zuvor darauf hingewiesen hatte, dass der Klimawandel von denen ertragen werden muss, die ihn am wenigsten verursacht haben.


Neue Organisation

Der Gipfel für ein Klimagewissen diente der Wiederauflage des internationalen 'Klimagewissensaufrufs' und der Gründung der Organisation 'Green Faith in Action', die ein Bewusstsein für ökologische und entwicklungspolitische Fragen unter den Anhängern der verschiedenen Religionen schaffen soll.

Teilnehmer setzten einen Brief für die 195 COP21-Teilnehmer auf, den Prinz Albert II. von Monaco, der Sufi-Meister der algerischen Alawiten, Scheich Khaled Bentounès, der Chef des internationalen Netzwerks 'Eco Sikh', Rajwant Singh und der Vorsitzende der jüdischen Umweltorganisation 'Hazon', Nigel Savage, unterzeichnet haben.

In dem Brief werden nicht nur die klimabezogenen Bedenken religiöser Gruppen und Religionsführer, sondern auch die Herausforderungen für die indigenen Gemeinschaften thematisiert, die auf dem Gipfel für ein Klimagewissen Übergriffe der Rohstoffindustrie auf ihre Territorien und Lebensweisen schilderten.

"Wir sind menschliche Wesen, keine folkloristischen Anhängsel", meinte Valdelice Veron, Sprecherin der Volksgruppe der Guaraní-Kaoiwa in Brasilien, in ihrem Vortrag. Sie und andere Indigenenvertreter schilderten auch die Zerstörung durch Praktiken wie etwa den monokulturellen Sojaanbau. "Wir sind hier, weil wir unseren Stimmen Gehör verschaffen wollen", betonte Patricia Gualinga, eine Vertreterin der indigenen Serayaku aus dem ecuadorianischen Teil des Amazonasgebiets. "Wir teilen die Sorge um das Klima, denn auch wir werden davon in vielfältiger Weise beeinträchtigt."

Ségolène Royal, Frankreichs Ministerin für Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Energie, die zum Ende des Gipfels das Mikrofon ergriff, bezeichnete den Gipfel als einen Aufruf zum Handeln.

"Der Klimawandel sollte als Chance - für Unternehmen, Technologien, [und andere Sektoren] begriffen werden", sagte Royal. "Wir müssen den Weg gemeinsam ebnen."

Laut Samantha Smith, Leiterin der Globalen Klima- und Energieinitiative der Umweltgruppe WWF, hat der Gipfel für ein Klimagewissen auch die "wirklich große und beispiellose soziale Mobilisierung der Zivilgesellschaft gespiegelt."

"Wenn ich im letzten Klimawissenschaftsreport lese, mache ich nachts kein Auge mehr zu. Doch die starke Mobilisierung zu sehen, stimmt mich optimistisch", sagte Smith in einem Interview am Rande des Treffens. "Jetzt ist nicht die rechte Zeit, um uns auf das zu konzentrieren, was uns trennt. Jetzt ist die Zeit für Zusammenarbeit gekommen."


Bild: © A.D. McKenzie/IPS

Drei Teilnehmer des Gipfels für ein Klimagewissen am 21. Juli in Paris
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Allerdings schließe die Zusammenarbeit nicht jeden ein. Die Produzenten fossiler Brennstoffe hätten zu einem umfangreichen Teil zu dem Klimaproblem beigetragen, doch keine substanziellen Lösungsbeiträge anzubieten, fügte sie hinzu.


Zahlreiche Treffen

Die Industrie inklusive die Erdöl- und Erdgaskonzerne hatten im Mai ebenfalls in Paris ihren eigenen 'Business- und Klimagipfel' abgehalten. An der Konferenz hatten rund 2.000 der weltgrößten Unternehmen erklärt, dass sie für ein weltweit verbindliches Abkommen seien, dass auf Null-CO2-Emissionen abziele.

Anfang Juli nahmen Hunderte von Vertretern von Lokalbehörden, Zivilgesellschaft und andere nicht-staatliche Akteure am Weltgipfel für Klima und Territorien im französischen Lyon teil. Dort hieß es, die Staatengemeinschaft müsse die Herausforderung, die globalen Temperaturen auf unter zwei Grad Celsius zu halten, angehen, "indem sie ihre lokalen und regionalen Aktivitäten mit dem Wirtschaftsszenario auf globaler Ebene abgleiche".

Die Wissenschaftler haben in diesem Monat ebenfalls ein Treffen in Paris am Sitz der Weltkulturorganisation UNESCO abgehalten.

Auf den meisten dieser vielen Konferenzen hat der französische Staatschef François Hollande immer wieder die Notwendigkeit betont, die Zielsetzungen möglichst hoch zu setzen und die Regierungen aufgefordert, auf der COP21 ein ehrgeiziges rechtsverbindliches globales Klimainstrument zustande zu bringen.

"Wir brauchen die Zusage aller, um dieses Abkommen zu erreichen", sagte er auf dem Gipfel für ein Klimagewissen. Sowohl die Staats- und Regierungschefs als auch die lokalen Akteure und Unternehmen seien gefragt. "Ebenso brauchen wir das Engagement aller Bürger weltweit."

Während er seine Rede hielt, fand im Vatikan eine weitere Klimaveranstaltung statt, auf der Papst Franziskus und die Bürgermeister aus 60 Städten ihre Vorstellungen vom Kampf gegen den Klimawandel thematisierten.

Bürgermeister aus aller Welt werden sich auf Initiative der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sowie des UN-Sondergesandten für Städte und Klimawandel und Ex-Bürgermeisters von New York, Michael Bloomberg, am 4. Dezember am Rande der COP21 zum 'Klimagipfel der lokalen Führer' treffen.


Den Worten Taten folgen lassen

Eine Frage, die in den vielen Konferenzen immer wieder auftaucht, lautet: Wie lassen sich die Vorstellungen und Forderungen auf den vielen Veranstaltungen in ein nachhaltiges Handeln überführen? Nicolas Hulot, Sondergesandter des französischen Präsidenten für den Schutz des Planeten und Hauptorganisator des Gewissensgipfels, berichtete, bereits ähnliche Anfragen erhalten zu haben.

Hulot sagte den indigenen Gruppen und den anderen, die aus Südamerika, Afrika und anderen Weltregionen nach Paris gekommen waren, die fortgesetzte Unterstützung zu. "Denken Sie daran, dass wir alle betroffen sind und wir uns der Verzweiflung nicht hingeben werden", erklärte er. "Wir wollen sicherstellen, dass jeder die Botschaft erhält, die auch wir vernommen haben." (Ende/IPS/kb/27.07.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/07/faith-leaders-issue-global-call-to-conscience-on-climate/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2015

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